"Ich hob einige Dachziegel an, da konnte ich die Flugzeuge sehen. Ich hatte dass Gefühl, die Bombe kommt genau auf mich zu."
So schildert Ludwig Kopperger die Ereignissen am Mittag des 23. Februar 1945. Nur knapp neben ihm schlug eine der Bomben ein, die eigentlich für die Brücke zwischen Sommer- und Winterhausen bestimmt waren. Zu seinem Glück explodierte die Bombe erst im Keller des Hauses, so dass er nur leicht verletzt wurde. Koppergers Mutter Margarete und der achtjährige Bruder Walter hatten nicht so viel Glück. Sie hielten sich zum Zeitpunkt der Detonation im Erdgeschoss auf und wurden getötet. Zu den Toten gehörte auch Emil Weiß. Es hätten aber mehr Tote sein können: Kurz bevor die Bomben fielen, waren die Kinder aus der Schule in Winterhausen über die Brücke gekommen.
In Sommerhausen wurden sechs Wohnhäuser total zerstört. Drei Häuser wurden schwer und 32 leicht beschädigt. In Winterhausen erlitt vor allem die Fuchsenmühle schwere Treffer. Das berichtet Michael Vollrath, der die Ereignisse jenes Tages hautnah miterlebt hat und nach einer Verwundung gerade aus dem Lazarett entlassen worden war.
Als er die Sirene hörte, lief er vor sein Haus in der Alten Holzgasse (heutige Gartenstraße). "Ein ganzer Pulk Flugzeuge kam aus Richtung Kitzingen. Ich dachte die sind auf dem Rückweg von einem Einsatz, erzählt er. Doch dann fiel die Rauchbombe, die Markierung für den Abwurf. "Au weh!, hab ich mir gedacht, die gehen auf den Winterhelt!'". Ein Irrtum wie sich kurz darauf herausstellen sollte. "Kurz nach der Rauchbombe fing das Pfeifen der Bomben an. Beim Einschlag hob es die Brücken-Bögen auf Winterhäuser Seite auf der ganzen Länge in die Höhe, dann sind sie einfach zur Seite umgekippt. Als die Brocken geflogen sind bin ich ins Haus gestürzt."
Von vielen wurde der Angriff damals als ein Versehen gewertet. Die Brücken in Ochsenfurt und Heidingsfeld seien das eigentliche Ziel gewesen hieß es. "Es war aber kein Versehen, sondern lediglich eine Verkettung unglücklicher Umstände", sagt Karl Liebing. Anlässlich des 100jährigen Brücken-Jubiläums 1997 hatte er sich mit den Vorgängen an jenem Tag befasst. Jetzt ist er sich sicher, den Angriff lückenlos dokumentieren zu können.
Mit 1274 Bombern war die 8. US-Luftflotte gegen 9 Uhr bei Ipswich im Süd-Osten Englands gestartet. Über Deutschland gesellten sich 705 Jagdflugzeuge als Geleitschutz hinzu. Die 493. Bombergruppe sollte mit ihren drei Staffeln A, B und C die Bahnhofsanlagen in Forchheim angreifen. Schlechtes Wetter zwang allerdings dazu, Ausweichziele anzufliegen. Kitzingen hieß das Ausweichziel. Während die A-Gruppe die Eisenbahnbrücke ins Visier nahm, sollten die Gruppen B und C den Bahnhof bombardieren, was die niedrig fliegende C-Staffel auch tat. Die hochfliegende B-Staffel mit ihren elf Maschinen des Typs B17 konnte aber nicht abladen, da sich die Kameraden der C-Staffel zu diesem Zeitpunkt genau unter ihnen befanden. Unverrichteter Dinge flogen die elf "fliegenden Festungen" weiter.
Der Himmel war wolkenlos und die Weitsicht daher besonders gut. Da bot sich dem Bomben-Schützen der Führungs-Maschine, der den Angriff für alle elf Bomber der Staffel koordiniert, ein "target of opportunity", ein Gelegenheits-Ziel. Dieses sollte die Brücke zwischen Sommer- und Winterhausen sein. Die Brücke lag genau auf dem Ost-West-Kurs, der die Staffel zu ihrem Sammelpunkt bei Karlsruhe, von wo aus die 8. US-Luftflotte den Heimflug antrat, führen sollte. Um 11.49 wurden je Maschine zwölf Fünf-Zentner-Sprengbomben abgeworfen.
Der Zerstörungs-Grad der Brücke wird im Einsatz-Bericht der Amerikaner als "Ausgezeichnet bis Hervorragend" eingestuft. "Mindestens drei direkte Treffer wurden erzielt." Auch Karl Liebing und Michael Vollrath attestieren Delmar Mineard, dem Bombenschützen der 493. B-Staffel "präzise" Arbeit. "Bei einer Höhe von etwa 4585 Metern flogen die Bomben gut 40 Sekunden, sie mussten daher etwa bei Erlach ausgeklinkt werden", erklärt Liebing. Wären die Bomben nur eine Sekunde später ausgeklinkt worden, sie hätten ihre todbringende Sprengkraft 50 Meter weiter westlich entladen, mitten im Ortskern von Winterhausen.