Jeder benutzt es täglich, mehrmals und ganz selbstverständlich: Wasser, genauer Trinkwasser aus dem Wasserhahn. Hinter dieser vermeintlichen Selbstverständlichkeit steckt ein komplexer Kreislauf, der reibungslos funktionieren muss. Ein Teil dieses Kreislaufs sind Druckerhöhungsanlagen (kurz: DEA), die dafür sorgen, dass der Wasserdruck so gesteigert wird, dass zum Beispiel auch in den oberen Stockwerken eines Hauses bzw. in höher gelegenen Gebieten eines Wohnviertels das Wasser aus dem Wasserhahn sprudeln kann.
Die neueste der Ochsenfurter Druckerhöhungsanlagen wurde Ende 2016 in Betrieb genommen und befindet sich im Bärental – in einem kleinen, von außen unscheinbaren fensterlosen Gebäude mitten im Wohngebiet. Die massive Stahltür ist zugeschlossen, schließlich geht es hier „um Trinkwasser – eine solche Anlage muss sabotagesicher sein“, sagt Günther Rapsch. Der 52-Jährige ist beim Kommunalunternehmen Stadtwerke Ochsenfurt (KSO) für den Bereich „Wasser“ zuständig und gewährt uns einen Blick ins Innere.
Wenn der Hochdruckbehälter mit dem Brunnen spricht
„Wir haben hier eine DEA mit Tiefbehälter“, sagt Rapsch, während er die Türe aufschließt. Ein lautes Surren erfüllt den Raum, es kommt von vier Pumpen im Untergeschoss. Im Obergeschoss fallen zwei Fenster ins Auge: Sie führen nicht nach draußen ins Freie, sondern geben einen Blick auf zwei Kammern frei, in denen das Wasser vorgehalten wird: 100 000 Liter, 50 Kubikmeter pro Kammer. „So haben wir auch im Brandfall genug Wasser“, erklärt Rapsch – schließlich bedient sich auch die Feuerwehr über Hydranten aus dem Wassernetz. Für sie ist die DEA extrem wichtig: Die Anlage stellt sicher, dass der Löschwasserdruck ausreichend hoch bleibt, wenn Wasser zum Löschen aus den Becken entnommen wird. Rapschs Fazit: „Bei der vorherigen Anlage hätte die Feuerwehr nur begrenzt Wasser nutzen können. Die neue DEA hat die Trink- und Löschwasserversorgung stark verbessert.“
Drei Druckerhöhungsanlagen, vier Brunnen, sechs Hochbehälter und eine Pumpstation: Über all diese Anlagen und ein Hauptleitungsnetz von insgesamt 100 Kilometern Länge wird die Trinkwasserversorgung der Stadt Ochsenfurt gesteuert; die DEA im Bärental versorgt den höher gelegenen Teil der dortigen Häuser mit Wasser. Normalerweise hat Rapsch die Anlagen über ein Prozessleitsystem (PLS) vom Schreibtisch aus im Blick. Auf seinem PC-Bildschirm laufen sämtliche Daten zusammen. Mit Hilfe einer speziellen Software erhält zum Beispiel einer der Brunnen von einem der Hochdruckbehälter die Information: „Ich brauche Wasser.“ Vom PLS wird der entsprechende Brunnen geschaltet und Wasser an den Hochbehälter weitergeleitet.
Hygiene als oberstes Gebot
Gibt es Auffälligkeiten im System, sind Rapsch und seine Kollegen sofort alarmiert und forschen nach den Ursachen. So zum Beispiel, als das Schwimmbad der Ochsenfurter Realschule ohne Wissen der Stadtwerke über zwei Tage hinweg gefüllt wurde und einen Wasserverbrauch verursachte, der weit über die normalen Werte hinaus ging. „Wir haben uns gewundert, was da los ist – der Hausmeister lieferte schließlich des Rätsels Lösung.
“ Störmeldungen, wie ein Netzausfall oder der Ausfall einer Pumpe, erreichen Rapsch und seine Kollegen auch als Meldung auf dem Smartphone. „Der Bereitschaftsdienst fährt dann los und versucht, die Störung zu beseitigen“, so Rapsch. „Kleinere Störungen, wie ein Rohrbruch oder im Winter eingefrorene Wasserzähler gehören aber zu den häufigeren Einsätzen.“
Doch zurück in die Druckerhöhungsanlage: Wie sieht es in den Wasserkammern aus? Aus welchem Material ist ein Behälter, in dem Trinkwasser – „man redet hier von einem Lebensmittel“, betont Rapsch – aufbewahrt wird? „Die Becken sind aus Beton, dem besten Werkstoff für Trinkwasserspeicherung“, erklärt der 52-Jährige. „Aus Hygienegründen wurde auf jegliche Beschichtung verzichtet.“ Doch was schwimmt da auf dem Wasser, ist das Schaum? „Die weißen Ablagerungen sind Kalkrosen“, winkt Rapsch ab. Sie bilden sich, da das Wasser aufgrund des muschelkalkhaltigen Bodens in der Gegend relativ hart ist und sinken nach einer Weile auf den Grund ab. „Für die Teezubereitung ist das Ochsenfurter Wasser nicht so toll, hygienisch sind die Kalkrosen aber unbedenklich“, so Rapsch.
Da ist es wieder, das Stichwort Hygiene. Auch bei der Decke spielt es eine Rolle: Sie ist aufgeraut und hat eine Tropfenstruktur. „Das Kondenswasser soll nicht zu lange an der Decke verweilen, damit sich keine Keime bilden“, erklärt Rapsch. Ein bis zwei Mal im Jahr müssen die Kammern gereinigt werden – auch hier ist äußerste Hygiene Pflicht. Nur in Kunststoffschutzkleidung und mit Gummistiefeln dürfen die Mitarbeiter des KSO die Kammer betreten. Nachdem das Wasser aus einer Kammer herausgelassen ist, wird sie mit einem Niederdrucksprühgerät gereinigt. Es folgt eine Desinfektionslösung, dann wieder eine Runde Wasser. Anschließend wird aus der nur zum Teil gefüllten Kammer eine Probe gezogen und 48 Stunden abgewartet. „Das Wasser muss mikrobiologisch einwandfrei sein, ehe es an die Haushalte weitergegeben werden kann“, sagt Rapsch.
Dreiste Kupferdiebe
Wird in einem Haushalt Wasser verbraucht, erhöht sich der Druck auf die vier Pumpen der Anlage. Morgens, mittags und in den Abendstunden erreichen die Pumpen ihr Maximum, nachts ist ihre Fördermenge über mehrere Stunden meist gleich Null. „Im Bärental ist keine Industrie und kein Schichtbetrieb ansässig – wenn die Pumpen um diese Zeit in Betrieb wären, wäre das verdächtig und könnte ein Zeichen für einen Rohrbruch sein“, so Rapsch.
Wenn Günther Rapsch über Wasser und die damit verbundene Technik spricht, schwingt Begeisterung für das Thema mit. Seit 20 Jahren ist der gelernte Maschinenbautechniker für die Wasserversorgung in Ochsenfurt zuständig, insbesondere für die technische Seite. In seinem Job ist ständige Flexibilität gefragt, „Wasser ist nun mal kein Fließbandprodukt, Wasser lebt!“, sagt Rapsch mit Nachdruck. Im Laufe seiner Dienstzeit hat er schon einiges erlebt: Im Hochbehälter Forst etwa hatten Diebe das Flachdach aus Kupferblech gestohlen. „Das halbe Dach war abgedeckt – und die Diebe waren so dreist, auch ein zweites Mal wiederzukommen“, so Rapsch. Auch mit Wasserdiebstahl hatte der Leiter der Wasserversorgung schon zu tun: „Eine Firma hat an einem Hydranten heimlich Fässer mit Wasser abgefüllt.
“ Bei der DEA im Bärental sieht Rapsch wenig Gefahr, dass etwas gestohlen werden könnte: „Dadurch, dass sich die Anlage im Wohngebiet befindet, ist sie ziemlich sicher.“
Bei einer so intensiven Beschäftigung mit dem Thema „Wasser“ überrascht es kaum, dass Günther Rapsch auch jenseits seiner Dienstzeiten schwer abschalten kann. Einmal habe er auf seinem Fußweg zur Arbeit ein sehr gleichmäßiges Rauschen im Kanal wahrgenommen, erzählt der 52-Jährige. „Ich habe gleich die Kollegen angerufen und gefragt, ob es an der Stelle eine Rohrbruch gibt“, sagt er und lacht. Rapsch und sein auf Verwirbelungsgeräusche getrimmtes Ohr sollten recht behalten: An der Stelle, wo er das verdächtige Geräusch wahrgenommen hatte, befand sich ein Leck im Rohr.
Druckerhöhungsanlage Eine Druckerhöhungsanlage (kurz: DEA) ist eine automatisch gesteuerte Pumpe oder eine Kombination aus Pumpen und weiterer technischer Einrichtungen zur Erhöhung des Drucks in der Wasserversorgung. Die technische Herausforderung: einen konstanten Versorgungsdruck zu gewährleisten, obwohl die Abgabemengen schwanken. Häufig variiert in einer Stadt wegen des natürlichen Höhenunterschieds der Wasserdruck erheblich. Deshalb werden neben DEA innerhalb von Gebäuden auch Anlagen außerhalb eingesetzt, um die Förderhöhe im Wasserverteilungsnetz zu steigern. In der Regel besteht eine DEA aus zwei bis sechs Pumpenmotoren, die mit je zwei Absperrschiebern oder -hähnen in den Wasserkreislauf eingebunden sind. Über eine computertechnische Steuerung werden die einzelnen Pumpen ein- und ausgeschaltet und/oder je nach Bedarf im Drehzahlbereich angepasst, um stetig den benötigten Wasserdruck im System gewährleisten zu können.