In der Ausstellung „Julius Echter – Der umstrittene Fürstbischof“ im Museum am Dom versteckt sie sich ein wenig in einer Ecke – die Ganzhorn-Chronik aus dem frühen 17. Jahrhundert. Auch wenn sie immer etwas im Schatten der bekannten Würzburger Bischofschronik von Lorenz Fries, die ebenfalls im 16. Jahrhundert verfasst wurde, stand und steht, ist sie doch von großer Bedeutung für Wissenschaftler und Forscher.
Wenn sie nicht gerade ausgestellt ist, wie jetzt im Museum am Dom (noch bis 17. September), befindet sie sich im Staatsarchiv in der Residenz. Eigentümer der zweibändigen Chronik sind die Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V. Wann genau die Ganzhorn-Chronik zu den Freunden kam, lässt sich heute nicht mehr genau nachvollziehen. Sie wurde wohl von einer der Vorgänger-Organisationen, dem Historischen Verein Würzburg, erworben, glaubt Frieder Sünderhauf von den Freunden Mainfränkischer Kunst.
Größere Schäden an den Bänden festgestellt
Ehe das zweibändige Werk den Weg in die jetzige Ausstellung fand, musste es vor einigen Jahren aufwändig restauriert werden, weil größere Schäden an den Bänden festgestellt worden waren. Dafür setzten sich ab 2009 in außergewöhnlichem Maß die Freunde Mainfränkischer Kunst und Geschichte e.V. mit ihrem damaligen Vorsitzenden Helmut Flachenecker und seinem Stellvertreter Frieder Sünderhauf ein. Mit 40 000 Euro war die Restaurierung der 600 und 450 Seiten umfassenden Bände, die in München durchgeführt wurde, veranschlagt worden.
Dem Verein gelang es in mehrjähriger und mühevoller Kleinarbeit diesen Betrag bei Mitgliedern und externen Unterstützern auf- und einzutreiben. Es gab einige große, aber vor allem auch viele kleinere Spenden, erinnert sich Sünderhauf, der die Aktion koordinierte. Es wurden viele Briefe geschrieben, bei Veranstaltungen um Spenden gebeten, aber auch bei einem großen Benefizkonzert in der Residenz rief man im Jahr 2009 die Gäste zum Spenden für das Buchprojekt auf.
Schnell der soziale und wirtschaftliche Aufstieg gelungen
Hans-Wolfgang Bergershausen, Professor am Lehrstuhl für Neuere Geschichte an der Würzburger Universität, hat sich im Katalog für die Ausstellung im Museum am Dom, mit der Ganzhorn-Chronik beschäftigt. Auftraggeber der Chronik war im Jahr 1593 Johann Wilhelm Ganzhorn, der 1541 in Würzburg geboren wurde. Die aus Ochsenfurt stammende Familie Ganzhorn hatte sich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in Würzburg niedergelassen. Den Familienmitgliedern sei schnell der soziale und wirtschaftliche Aufstieg in den Kreis der Ratsmitglieder, aber auch in bischöfliche Dienste gelungen, schreibt der Historiker. J. W. Ganzhorn wurde 1582 Dekan der Juristischen Fakultät der im gleichen Jahr von Fürstbischof Julius Echter wiedergegründeten Würzburger Universität. Später war auch Rektor und Pro-Kanzler der Hochschule und außerdem Dekan des Stifts Neumünster.
Von den Anfängen Würzburgs bis zum Tod von Bischof Lorenz von Bibra
Der erste Band der Ganzhorn-Chronik behandelt die Ereignisse von den Anfängen Würzburgs bis zum Tod von Bischof Lorenz von Bibra im Jahr 1519 und geht damit, so Bergershausen, über die Fries-Chronik hinaus. Auf dem hinteren Einband wird mitsamt einer Weltkugel-Skizze auch die Geschichte der Entdeckung Amerikas erwähnt. Der zweite Band umfasst dann die Geschichte der Fürstbischöfe bis in die Regierungszeit von Julius Echter (1573 bis 1617). Die (Wieder)Gründung der Universität sowie Echters Aufenthalt beim Augsburger Reichstag im gleichen Jahr (1582) sind die letzten in der Ganzhorn-Chronik notierten Nachrichten. Was vor allem den ersten Band der Ganzhorn-Chronik auszeichnet, sind 55 handgemalte farbige Miniaturen, die historische Ereignisse zeigen.
Einem anderen interessanten Zusammenhang zwischen Lorenz Fries (1489 oder 1491 bis 1550), Verfasser der nach ihm benannten Chronik und der wohl bedeutendste Geschichtsschreiber des 16. Jahrhunderts, und dem Auftraggeber der Ganzhorn-Chronik kam Helmut Flachenecker, Lehrstuhlinhaber für Fränkische Landesgeschichte an der Uni Würzburg, auf die Spur. Wie er in einem Aufsatz für das Mainfränkische Jahrbuch 2014 schreibt, wurde durch Zufall bei der Restaurierung der Ganzhorn-Chronik (2012) im Einband ein Blatt Papier mit einem Stammbaum der Familien Ganzhorn und Fries aus dem 16. Jahrhundert gefunden. Das Papierstück sollte den Einband verstärken und überlebte so die Jahrhunderte, schreibt Flachenecker.
Neu aufgefundener Familienstammbaum
Die Besonderheit des wieder entdeckten Stammbaums: Lorenz Fries, der Verfasser der nach ihm benannten Chronik, war mit Juliana Ganzhorn, einer Tante von J.W. Ganzhorn verheiratet, und somit ein Onkel des Auftraggebers der Ganzhorn-Chronik. „So wie die fast ein Jahrhundert später verfasste Ganzhorn-Chronik auf die Fries'sche Bischofschronik aufbaute und sie mit Informationen aus dem 16. und frühen 17. Jahrhundert erweiterte, so waren auch die Familien Ganzhorn und Fries miteinander verbunden“, schreibt Flachenecker.
Mit diesem neu aufgefundenen Familienstammbaum eröffne sich eine bisher nicht existierende Möglichkeit, die Familienmitglieder von Lorenz Fries näher betrachten zu können.