Bad Brückenau Erich Kästners Stück „Die Schule der Diktatoren“ aus dem Jahr 1956 ist gewiss keine leichte Kost – es hat wenig gemein mit den weltberühmten Kinderbüchern „Das fliegende Klassenzimmer“ oder „Emil und die Detektive“. Hier treten keine Charaktere auf, sondern Stereotype: „Der Premier“ (David Schneider), „Der Kriegsminister“ (Mia Engel), „Der Leibarzt“ (Lina-Josefa Mott), „Der Inspektor“ (Jana Sanko) und vor allem „Der Präsident“ (Nicole Kiselev): Er ist eine austauschbare Marionette, dessen Doubletten vom „Professor“ (Arthur Dering) auf der regierungseigenen „Schule der Diktatoren“ nachgezüchtet werden, für den Fall, dass einer dieser Doubles so etwas wie einen freien Willen entwickelt und eliminiert werden muss. Nur „die Gattin“ (Lea Hohmann) und „der Sohn“ (Aenna Küntzel) bleiben echt, um die Täuschung vollkommen zu machen.
Viel Professionalität und Mut
Damit die Austausch-Präsidenten 4 bis 8 (William Greenberg, Leonhard Gayer, Dana Sitte, Hannah Gundelach, Jana Sanko) unter Kontrolle bleiben, dürfen sie in einem der Schule angeschlossenen Etablissement Doris (Aenna Küntzel), Pauline (Dana Sitte) und Stella (Tabea Ziegler) besuchen, die über die Besuche der Männer zynisch Strichlisten führen. Sie sind interessanterweise die einzigen Figuren des Stücks, die von Kästner Namen erhalten haben. Bei manchen ihrer Sätze, wie dem von Pauline: „Lasst uns das Weiberfleisch polieren! Das staatlich angestellte Haremsfleisch mit Beamtencharakter und Pensionsberechtigung!“, geht, wie auch an manch anderer Stelle, ein Zucken durchs Publikum. Dieser Kästner ist anders! Bitter! Unbequem!
Die Theatergruppe „Kompass“, vor vier Jahren übernommen von Barbara Müller und Jan Vogel, wagt sich mit viel Professionalität und Mut an diesen vielschichtigen Text. Grandios, wie sich die Gruppe in den vergangenen vier Jahren entwickelt hat, mit welchem Selbstverständnis und mit welcher Dynamik heute hier agiert wird.
Tempo, Rhythmus, Sprache, Bühne, da passt alles, das ist Schultheater auf hohem Niveau. Da kann man verschmerzen, dass das Bühnengeschehen selbst wenig Grund zur Hoffnung gibt: Der Putschversuch des siebten Doubles (Hannah Gundelach) wird von weiteren Schergen der Macht, „dem Stadtkommandanten“ (Maximilian Kramlich) und „dem Major“ (Nicole Kiselev), vereitelt. In Trumpscher Diktion wird klar: Der Weg zur Freiheit ist eine Sackgasse. Die Hoffnung auf Veränderung: Vergeblich. Nach langem Schlussapplaus: Der Vorhang zu und alle Fragen offen.

