„Die geopolitische Ordnung wird erschüttert. Die Werte der Freiheit und des Humanismus werden hinweggefegt“, fand Rémy Orhon – Bürgermeister von Bad Brückenaus französischer Partnerstadt Ancenis-St.-Géréon – in seiner Rede anlässlich des Partnerstädtetreffens keine zimperlichen Worte zu den politischen Verschiebungen der vergangenen Jahre.

In Zeiten, in denen die „leaders mondiaux“ (zu Deutsch in etwa „Weltführer“) ihrer angestammten Rolle als Schiedsrichter nicht mehr nachkommen, sei es an Europa, sich den Auswüchsen des Ultraliberalismus und Totalitarimus entgegenzustellen.
Städtepartnerschaften, wie die der Triangel Bad Brückenau – Ancenis-St.Géréon – Kirkham, seien ein wichtiger Baustein für die dafür notwendige Einheit der europäischen Länder.
Entscheidende Rolle der Gemeinden
„Wir, die Gemeinden, spielen eine entscheidende Rolle und tragen dazu bei, Werte wie Toleranz, Respekt und gegenseitiges Verständnis zu vermitteln“, nahm er das Bild der ‘Diplomatie von unten’ auf, in dem es nicht die Präsidenten und Kanzler, sondern vor allen Dingen die Bürger Europas sind, die das wichtige Fundament für das Zusammenwachsen und Zusammenwirken des Kontinents bilden.
„Lasst uns alle zusammenarbeiten, um diese Freundschaft in dieser so oft gespaltenen und von Konflikten geprägten Welt zu stärken“, stieß der Bürgermeister des englischen Kirkham, Stewart Jones, ins selbe Horn.
Eine Leidenschaft für Europa
Beim Festakt am Samstagabend, spürt man, dass die jährlichen Treffen für die Aktiven in den Partnerschaftskomitees der drei Städte kein alleiniger Selbstzweck sind, auch wenn dies von außen betrachtet manchmal vielleicht diesen Eindruck erwecken mag.

Da ist zum Beispiel Adrian Long von der Kirkham Twinning Association, der sich selbst als „European from the cradle“, als Europäer von der Wiege an bezeichnet. Er erzählte von seinem verstorbenen Vater, der als junger Mann den Krieg miterlebt hatte und dennoch – oder möglicherweise deshalb – ein glühender Pro-Europäer war. „Er hat mir schon in jungen Jahren die Liebe zu anderen Ländern, ihrer Sprache und Kultur nahegebracht.“
Partnerstädtetreffen ist ein „riesengroßes Erlebnis“
Man kann sagen, dass er und auch alle anderen Mitglieder der Partnerschaftsvereine dieses Erbe heute fortführen. „Ich erlebe ganz viel Erfüllung und Sinn in der Arbeit in der Städtepartnerschaft“, verriet die Vorsitzende des Brückenauer Städtepartnerschaftsvereins, Barbara Glanc im persönlichen Gespräch.
Die Partnerstädtetreffen seien „einfach immer wieder ein riesengroßes Erlebnis und eine absolute Freude“ und ließen die unzähligen Arbeitsstunden, die von den Ehrenamtlichen über das ganze Jahr hinweg und ganz besonders in den finalen Wochen vor dem Treffen geleistet wurden, für einen Moment vergessen.

Die Suche nach einem passenden Veranstaltungsort
In der Tat hatte der Förderkreis europäische Städtepartnerschaften Bad Brückenau bereits in 2024 - noch vor der Abfahrt nach Ancenis, wo das letztjährige Partnerstädtetreffen stattgefunden hatte – mit den Planungen für das 2025er-Treffen begonnen.
Neben der Gestaltung des Programms – das die Teilnehmer in diesem Jahr im Erlebnisbergwerk Merkers in 800 Meter Tiefe führte – stellt sich den Organisatoren seit einigen Jahren ein elementares Problem durch den Wegfall der Georgihalle als ausreichend großen Veranstaltungsort für den Festakt.

War man 2022 noch in die Halle des Turnvereins ausgewichen, mussten sich die Aktiven vor dem Hintergrund der allgemeinen Kostenentwicklung für dieses Jahr anderweitig umsehen. Dass Veranstaltungssäle in dieser Größenordnung in Bad Brückenau derzeit rar gesät sind, sorgte in den Planungen für einiges Kopfzerbrechen.
Marberg lobte die Organisation
Das Pfarrheim der katholischen Kirche, für das man sich schließlich entschied, ist unter anderem aufgrund fehlender barrierefreier Zugangsmöglichkeiten keine optimale Lösung, stellte jedoch die einzig leistbare Option dar.
Brückenaus Bürgermeister Jan Marberg, der aufgrund eines kurz zuvor erlittenen Sportunfalls – frisch aus der Notaufnahme entlassen – erst verspätet zum Festakt hinzustoßen konnte, lobte, wie gut die Truppe um Barbara Glanc mit diesem und vielen anderen Problemen umging: „Die hohe Qualität der Orga unterstreicht, welchen Stellenwert unsere Partnerschaft für alle besitzt.“
Zukunftsfähige Freundschaften
Die Motivation des Städtepartnerschaftsvereins fasst Glanc zusammen: „Ich bin immer wieder sehr gerührt davon, wenn ich sehe, wie Menschen bereitwillig ihre Türen für Gäste öffnen, die sie vorher noch gar nicht kannten. Und zu erleben, wie da Freundschaften entstehen.“ Die Diplomatie von unten, sie steht auf ehrenamtlichen Beinen.
Und diese sind motiviert, wie Christian Prévot vom französischen Comité Jumelage deutlich machte: „Lassen Sie uns gemeinsam eine starke Botschaft senden. Zeigen wir, dass unsere Freundschaftsbande entschlossen in die Zukunft gerichtet sind. Eine Zukunft, die wir gemeinsam in einem Europa mit menschlichem Antlitz gestalten wollen.“

