Fast drei Millionen Menschen in Bayern und anderen Teilen Deutschlands vertrauen der Bayerischen Versorgungskammer ihre Altersvorsorge an. Zuverlässig verwalten die Kammer und ihre zwölf Versorgungswerke seit Jahrzehnten die Pensionsgelder von Anwältinnen oder Orchestermusikern, sichern ihnen das Auskommen im Alter. Doch dieser gute Ruf hat inzwischen einige Makel: Schuld daran sind Immobiliengeschäfte in den USA, die offenbar zum millionenschweren Verlustgeschäft wurden. Und es drohen weitere Schäden.
Für zwei zentrale Figuren der Deals ist das Spiel nun beendet. Wie die Münchner Abendzeitung berichtet, wurde kürzlich der Abteilungsleiter für Immobilien Investment Management von der BVK beurlaubt; die Kammer bestätigt auf Nachfrage, dass er „nicht mehr für die BVK tätig“ sei; zu den Gründen äußert sie sich nicht. Und auch einer der Geschäftsführer der Investmentgesellschaft Deutsche Finance soll vor die Tür gesetzt worden sein. Das Münchner Unternehmen hatte im Gespann mit der BVK, dem US-Projektentwickler Michael Shvo und anderen Akteuren mehrere Immobilien in den USA erworben – und das, obwohl Shvo bereits damals wegen Steuerbetrugs verurteilt worden war. Nicht nur die Entscheidung, wie es zu seiner Beteiligung an den Geschäften kam, wirkt inzwischen äußerst rätselhaft.
Spekulationen mit Renten aus Bayern: In diese Gebäude hat die Bayerische Versorgungskammer investiert
Die Immobilien, um die es dabei ging, sind ausnahmslos Prestigeobjekte: der fast 200 Meter hohe Wolkenkratzer „Big Red“ in Chicago, eine Residenz in Beverly Hills oder das ehemalige Coca-Cola-Gebäude in Manhattan. Doch einige der Gebäude gelten inzwischen als heruntergekommen und überteuert, in Manhattan zogen Mieter vor Gericht, weil sie unter falschen Versprechungen in den Mietvertrag getrickst worden seien. Das Raleigh-Hotel in Miami, das ebenfalls vom BVK-Gespann gekauft worden war, steht inzwischen Berichten zufolge kurz davor, wieder verkauft zu werden, die Kammer äußert sich auf Nachfrage dazu nicht.
Und auch die Transamerica Pyramid in San Francisco ist ein solches Prestigeobjekt, bis vor wenigen Jahren gar das höchste Gebäude der Stadt. Doch fraglich ist, was die Versorgungskammer sich vom Kauf des Wolkenkratzers im Jahr 2020 versprochen hat: Spätestens mit Beginn der Corona-Pandemie entwickelte sich der Markt für Büroimmobilien – so wie die Transamerica Pyramid – in Kalifornien extrem schwierig. Gerade in der Heimat der Tech-Riesen im Silicon Valley verlegten viele Beschäftigte ihren Arbeitsplatz nach Hause, der Bedarf für Büros in Downtown sank massiv. Tim Pargent bewegt all das zu der Frage: „Geht die BVK vernünftig mit Pensionsgeldern um?“
Anfrage an bayerische Regierung: Wieso wurden Millionen Pensionsgelder verzockt?
Das will der Grünen-Abgeordnete im Landtag in einer erneuten Anfrage an die Staatsregierung ergründen lassen, wie er im Gespräch mit unserer Redaktion ankündigt. Bereits im vergangenen Jahr hatte er zwei Anfragen gestellt, fand dabei unter anderem heraus, dass die Versorgungskammer insgesamt 611 Millionen Euro in US-Immobilien investiert hat. Ein Politikum sind die Investments auch deshalb, weil die BVK dem Innenministerium unterstellt ist. Auch im Finanzausschuss des Landtags waren die Geschäfte deshalb Thema, Vertreter des Ministeriums und der Kammer waren zu geheimen Sitzungen vorgeladen. Konsequenzen hatten diese Anhörungen jedoch offenbar nicht. Vertreter der Regierungsparteien CSU und Freie Wähler sind der Ansicht, dass der Landtag für eine Kontrolle der BVK-Geschäfte nicht zuständig sei.


Pargent setzt nun auf die internen Mechanismen der BVK, um ähnliche Bruchlandungen in Zukunft zu verhindern. Allerdings: „Bislang haben diese Kontrollorgane nicht ordentlich funktioniert“, sagt er. Die BVK gibt an, zu Untersuchungen „auch Unterstützung von externen Experten eingeholt“ zu haben. Auch prüfe man, „ob beispielsweise Anpassungen an Prozessen erforderlich sind“, heißt es in einer Stellungnahme der Kammer. Details werden mit Verweis auf Vertraulichkeit nicht ausgeführt.
Verurteilter Betrüger Michael Shvo machte mit der Bayerischen Versorgungskammer Geschäfte
Im Raum steht indes der Vorwurf, dass sich BVK-Verantwortliche wiederholt von „schillernden Figuren“ haben blenden lassen, wie Pargent es nennt. Schon mit dem österreichischen Unternehmer René Benko hatte die BVK Geschäfte gemacht. Dieser sitzt aktuell wegen Betrugsverdacht in Untersuchungshaft. Ebenso wie Projektentwickler Shvo, der in den US-Geschäften der BVK eine zentrale Rolle einnimmt, wird er von Branchenkennern als enorm charismatisch beschrieben. Shvo könnte die Kammer nun um weitere Millionen bringen: Laut Abendzeitung stellt er vor einem Schiedsgericht Forderungen in Höhe von 85 Millionen US-Dollar an einen Fonds, an dem die BVK beteiligt ist.
So zweifelhaft die US-Geschäfte indes für den Ruf der Versorgungskammer sein könnten – für die Altersvorsorge ihrer Mitglieder dürften sie nach Darstellung der BVK kein Problem sein. „Etwaige Verluste in einzelnen Kapitalanlagen haben in einem breit diversifizierten Kapitalanlageportfolio wie dem unseren keine Auswirkungen“ darauf, teilt die Kammer mit.
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