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Kind in Augsburg von Baum erschlagen: Freispruch für Baumkontrolleur

Prozess in Augsburg

Urteil zu tödlichem Baumsturz: Eine Tragödie, an der niemand Schuld trägt

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    Große Trauer herrschte nach dem tödlichen Baumsturz im Juli 2021 auf dem Spielplatz in Augsburg-Oberhausen. Ein Ahorn war oberhalb des Wurzelwerkes abgebrochen und hatte ein kleines Mädchen erschlagen.
    Große Trauer herrschte nach dem tödlichen Baumsturz im Juli 2021 auf dem Spielplatz in Augsburg-Oberhausen. Ein Ahorn war oberhalb des Wurzelwerkes abgebrochen und hatte ein kleines Mädchen erschlagen. Foto: Silvio Wyszengrad

    Kein Urteil der Welt könne ihrer Mandantin ihr Kind wieder zurückbringen, betonte Anwältin Daniela Rose in ihrem Plädoyer am Ende des Prozesses, auf den deutschlandweit geschaut wurde. Vor dem Amtsgericht Augsburg ging es am Montag um eine Tragödie, die sich im Juli 2021 im Stadtteil Oberhausen abgespielt hatte. Dort stürzte ein 23 Meter großer Ahorn auf eine Wippe. Der Baum erschlug ein 20 Monate altes Mädchen, die damals 28 Jahre alte Mutter erlitt schwere Verletzungen. Die ältere Tochter blieb unverletzt. Vor Gericht stand jetzt ein 58-jähriger Baumkontrolleur. Der Prozess endete für ihn mit einem Freispruch.

    Der Familienvater und gebürtige Augsburger war bereits rund 15 Jahre als Baumkontrolleur für die Stadt Augsburg tätig. Vor etwa acht Jahren ging der Baumbestand auf dem parkähnlichen Spielplatz an der Dieselstraße in seine Verantwortung über. Wie sein Verteidiger Hansjörg Schmid Richterin Alexandra Lehner erklärte, sei der Baum damals schon genauso schräg gewachsen gewesen wie zum Zeitpunkt der letzten Überprüfung. Diese fand turnusgemäß statt – 14 Monate vor dem Unfall. Für seinen Mandanten habe es keinerlei Anhaltspunkte gegeben, dass der Ahorn nicht mehr standsicher sein könnte. Tatsächlich war der Baum innen schon längst von dem sogenannten Brandkrustenpilz befallen. Die Staatsanwaltschaft sah beim Kontrolleur zunächst ein Versäumnis.

    Tödlicher Baumsturz auf Augsburger Spielplatz: Familie erschien nicht zur Verhandlung

    Sie warf dem Mann fahrlässige Tötung und Körperverletzung vor. Verdächtige Umstände am Baum, wie Veränderungen im Stamm- und Wurzelbereich, hätten zusätzlich zu dem auffälligen Schrägwuchs von 45 Grad auf den holzabbauenden Pilzbefall hingewiesen. Allerdings sah die Anklagebehörde bereits vor dem Prozess offensichtlich nur eine relativ geringe Schuld. Der Strafbefehl, der bereits vergangenes Jahr vom Amtsgericht erlassen worden war, hatte eine Geldstrafe in Höhe von 9600 Euro (120 Tagessätze zu je 80 Euro) vorgesehen – aber nur auf Bewährung. Der Beschuldigte legte über seinen Verteidiger Hansjörg Schmid Einspruch ein, weswegen es nun zu dem Prozess kam. Die Familie des getöteten Kindes erschien nicht beim Verfahren, bei dem nicht nur großer Medienandrang herrschte, sondern auch einige Baumsachverständige im Zuschauerraum interessiert Platz nahmen. Nebenklagevertreterin Daniela Rose hatte vorab bewirkt, dass die Mutter nicht als Zeugin aussagen musste. Die Familie sei nach wie vor psychisch sehr belastet, teilte Rose mit. Der Angeklagte selbst ist seit dem Unglück gezeichnet.

    Der Medienandrang war groß im Gerichtssaal. Rechts im Bild der Angeklagte und sein Verteidiger Hansjörg Schmid.
    Der Medienandrang war groß im Gerichtssaal. Rechts im Bild der Angeklagte und sein Verteidiger Hansjörg Schmid. Foto: Ina Marks

    Laut Strafverteidiger Hansjörg Schmid ist sein Mandant seitdem dienstunfähig und krankgeschrieben, er sei in psychotherapeutischer Behandlung. Der Kontrolleur ließ über ihn der Familie des getöteten Mädchens sein Beileid und seine aufrichtige Anteilnahme aussprechen. "Wäre er in der Lage gewesen, das Unglück zu verhindern, er hätte das getan." Und genau um diese Frage ging es in dem Prozess: War die Tragödie vermeidbar? Im Mittelpunkt des Verfahrens standen dabei die Bewertungen dreier Gutachter, deren Meinungen jedoch auseinandergingen. 

    Prozess vor dem Amtsgericht Augsburg: Baumgutachter sind unterschiedlicher Meinung

    Die Experten erklärten umfassend und lange, worauf es bei Baumkontrollen ankommt, was zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Umständen vielleicht zu erkennen ist. Teils wiederholten sich die Nachfragen der Prozessbeteiligten. Für Laien ist die Thematik komplex. Ein Sachverständiger hielt dem Baumkontrolleur vor, dass er gewisse Merkmale am Baum, wie Veränderungen am Wurzelwerk und am Stamm, nicht berücksichtigt habe. Er hätte bei der Untersuchung weitere technische Maßnahmen ergreifen müssen, um die tatsächliche Gefahr zu erkennen. 

    Zwei Gutachter hielten dagegen. Die Routineuntersuchung des Mannes sei ausreichend, der Baumsturz nicht vorhersehbar gewesen. Die Merkmale am Baum hätten nicht zwangsläufig auf eine Instabilität hinweisen müssen. Auch wurde betont, dass ein Schrägstand per se nichts über die Gesundheit eines Baumes aussage. "In dubio pro reo", sagte Staatsanwalt Thomas Junggeburth letztendlich in seinem Plädoyer und forderte Freispruch, wie auch Verteidiger Hansjörg Schmid. Nebenklagevertreterin Rose stellte keinen Antrag. "Es war ein schicksalhafter Tag für meine Mandantin, die ihre Tochter verloren hat und selbst schwer verletzt wurde." Man wisse heute nicht, was der Angeklagte bei seiner Kontrolle letztendlich vorgefunden habe.

    Der Baum war innen morsch. Er war von einem sogenannten Brandkrustenpilz befallen.
    Der Baum war innen morsch. Er war von einem sogenannten Brandkrustenpilz befallen. Foto: Silvio Wyszengrad

    Richterin Alexandra Lehner kam in ihrem Urteil zu dem Schluss, dass der gelernte Gärtner die Baumkontrolle fachlich korrekt nach bestem Wissen und Gewissen durchgeführt hat. Der Schrägstand des Baumes allein hätte bei einem gesunden Baum nicht zu einem Abbruch geführt, Hinweise auf den Pilzbefall im Inneren des Baumes habe es für den Kontrolleur nicht gegeben. "Es war ein furchtbar tragischer Unfall, für den Sie keine Schuld tragen", sagte sie zu dem 58-Jährigen – und sprach ihn frei. Das Urteil ist rechtskräftig. Am Rande des Prozesses gab es eine Neuigkeit: Die betroffene Familie hat inzwischen Nachwuchs bekommen.

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