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WEISMAIN: Afghanistan: Der Weismainer Michael Zapf war dort im Einsatz

WEISMAIN

Afghanistan: Der Weismainer Michael Zapf war dort im Einsatz

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    Michael Zapf bei einer Patrouille während seines Einsatzes in Afghanistan.
    Michael Zapf bei einer Patrouille während seines Einsatzes in Afghanistan. Foto: red

    Die dramatischen Nachrichten vom Abzug der Nato-Truppen aus Afghanistan und der Machtübernahme der Taliban lassen wohl niemanden kalt. Den Weismainer Bürgermeister Michael Zapf bewegen sie mehr als manch anderen. Von zwei Einsätzen als Fliegerleitoffizier kennt er das Land und die Schwierigkeiten der Nato-Mission. Und anders als manche selbst ernannten Experten, über deren Aussagen er sich wundert, weiß der 39-Jährige, wie schwer es ist, die sich überschlagenden Ereignisse in einem zum Teil wenig erschlossenen Land mit einer anderen Kultur aus europäischer Perspektive zu beurteilen.

    Bevor Michael Zapf für das Bürgermeisteramt in Weismain kandidiert hat, war er Berufsoffizier bei der Bundeswehr. Bei zwei Einsätzen 2010 und 2013 war er in Baghlan, einem Nato-Außenposten im Norden Afghanistans, nahe der Grenze zu Tadschikistan stationiert. Kaum drei Tage war er 2010 im Land, als vier Kameraden bei Angriffen der Taliban starben. Ein Schock, nicht nur für die Soldaten, sondern für ganz Deutschland. Der damalige Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg sprach erstmals von einem „Kriegseinsatz“ der Bundeswehr. „Da merkt man endgültig, dass man in der Realität angekommen ist“, kommentiert Zapf trocken. Natürlich sei für ihn das Wissen, dass er im Einsatz umkommen könne, belastend gewesen, doch damit habe er als Soldat leben müssen. Dank des guten Team-Geistes sowie körperlicher und geistiger Robustheit in seiner Einheit und Gesprächen sei es gelungen, die traumatischen Erlebnisse ohne die Hilfe eines Truppenpsychologen zu bewältigen. Unter schlaflosen Nächten habe er deswegen nie gelitten.

    „Dass einem jemand nicht wohlgesonnen ist, merkt man erst, wenn er auf einen schießt.“

    Michael Zapf, Weismain

    Als Fliegerleitoffizier koordinierte Zapf die Einsätze von Kampfflugzeugen zur Unterstützung der Nato-Bodentruppen. Bei Patrouillen war er in vorderster Linie, um Luftunterstützung anzufordern, und geriet mehrmals in Hinterhalte, bei denen die gepanzerten Fahrzeuge beschossen wurden. „Wenn die Straße halbwegs ausgebaut war, sind wir einfach durchgefahren, aber in verwinkelten Gassen mussten wir absitzen und zurückschießen“, berichtet er.

    Diese Überfälle erfolgten aus heiterem Himmel – eine friedliche Dorfidylle konnte sich innerhalb von Sekunden in eine tödliche Falle verwandeln. „Niemandem steht es auf der Stirn geschrieben, dass er ein Taliban ist“, betont Michael Zapf. Für die Nato-Soldaten sei es nicht ersichtlich gewesen, ob Bauern, die tagsüber ihre Felder bestellten, nachts zum Gewehr griffen, um Anschläge zu verüben. „Dass einem jemand nicht wohlgesonnen ist, merkt man erst, wenn er auf einen schießt“, weiß Michael Zapf. Auch für die Luftaufklärung sei es nicht möglich gewesen, festzustellen, ob ein Mann neben seinem Packesel ein Bauer ist, der seine Ernte zum Markt bringt, oder ein Attentäter mit einem Bündel Gewehre.

    Menschen in Afghanistan besitzen wenig, aber sind zufriedener

    Dennoch sei die Grundstimmung positiv gewesen, der Kontakt zur Bevölkerung über die Dorfältesten gut. „Die Kinder haben sich immer gefreut, wenn wir gekommen sind“, berichtet Zapf. Viele Afghanen hätten die Aufbauleistung, die der Nato-Einsatz ermöglichte, offenbar zu schätzen gewusst. Schließlich profitierten sie nicht nur von der Sicherheit, die die ausländischen Truppen garantierten, sondern auch von den Projekten der Hilfsorganisation – vom Brunnenbau bis zur Einrichtung von Schulen. Er könne allerdings nicht sagen, ob sie nur stillgehalten und gewartet haben, bis die Ausländer wieder abziehen würden. „Die Menschen in Afghanistan besitzen wenig, aber sie sind zufriedener als wir“, hat Michael Zapf festgestellt. Gerade das Tal des Baghlan-River sei eine sehr fruchtbare Gegend, in der das Klima drei Ernten im Jahr erlaube, was den Bewohnern ihr Auskommen sichere.

    Erstaunt hat Zapf die fast kampflose Kapitulation der afghanischen Armee vor den Taliban, obwohl sie ihnen sowohl an Mannschaftsstärke als auch bei der Ausrüstung überlegen war. Bei regelmäßigen gemeinsamen Patrouillen habe er die afghanischen Soldaten als verlässliche Verbündete wahrgenommen. „Sie waren zwar nicht die Pünktlichkeit in Person, und oft mussten wir ihnen vor dem Start erst die Wagen volltanken, aber die meisten haben uns gut unterstützt“, berichtet er. Er frage sich, ob die Ausbildung, die ihnen die Nato-Truppen gaben, gut genug war – vor allem für den Fall, dass sie auf sich gestellt sein würden. Hinzu komme natürlich das psychologische Element, ob es den Soldaten lohnenswert erschienen sei, für ein so instabiles Land, dessen Präsident ins Ausland flieht, sobald es ernst wird, zu kämpfen. Bereits 2013 habe er festgestellt, dass sich die Sicherheitslage gegenüber seinem ersten Einsatz 2010 deutlich verschlechtert hatte.

    Leidtragende werden vor allem Frauen und Kinder sein

    Sehr gute Erfahrungen hat Michael Zapf mit den afghanischen Ortskräften gemacht, die den Nato-Truppen als Dolmetscher und in der Vermittlung zur Bevölkerung halfen. Er selbst habe zwar wegen seiner taktischen Aufgaben wenig Kontakt zu ihnen gehabt, doch sei er beeindruckt gewesen, wie zuverlässig sie waren und dass ihnen das Wohl der Nato-Soldaten offenbar am Herzen lag. „Sie versorgten uns sogar mit Obst und Gemüse“, berichtet er.

    „Mir tut es um die Leute leid“, bekennt Michael Zapf. Aus moralischer Sicht müssten sie in Sicherheit gebracht werden. Allerdings hätten sie ebenso wie er als Soldat gewusst, welche Gefahren ihre Arbeit mit sich bringen könne. Er hoffe, dass es der Bundesregierung gelinge, mit den Taliban eine Kompromisslösung für sie zu finden. „Die Leidtragenden sind allerdings vor allem die Frauen, die wohl wieder weggesperrt werden, und die Kinder, deren Zukunft ungewiss ist“, bedauert Zapf.

    Auch wenn die Lage zurzeit aussichtslos erscheine, sieht Michael Zapf den Nato-Einsatz in den vergangenen 20 Jahren nicht als vergeblich an. Es seien nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs eine gewisse Stabilität erreicht, die Infrastruktur in vielen Region verbessert und die Chancen für Frauen und Kinder verbessert worden. Ganz zurückdrehen ließen sich diese Veränderungen kaum. Außerdem gehöre es auch in einer Parlamentsarmee nicht zum Berufsbild, den Sinn der Einsätze zu hinterfragen.

    Enttäuschung über Bundespolitiker, die Verantwortung von sich weisen

    Er und viele ehemalige Kameraden seien allerdings enttäuscht davon wie die Bundesregierung mit der Situation umgehe: „In dem Moment, wo es darum ginge, die Verantwortung zu übernehmen, wird versucht, die Schuld von A nach B zu schieben.“ Natürlich sei es schwer, den Bürgern zu erklären, wofür 59 deutsche Soldaten gefallen sind, wenn die Situation jetzt schlechter als zuvor erscheine, doch dazu müssten die Politiker in Berlin stehen. Schließlich seien sie dem Wohl der Bürger verpflichtet, ohne Rücksicht darauf, ob gerade Wahlkampf ist.

    Michael Zapf 39 Jahre Ausbildung zum Bürokaufmann Von 2002 bis 2020 Soldat bei der Bundeswehr, zuletzt im Rang eines Oberstleutnants. Fünf Auslandseinsätze: 2007 bei der EU-Mission in Bosnien-Herzegowina, 2008 und 2009 bei der Nato-Mission im Kosovo, 2010 und 2013 in Afghanistan. Bei der Kommunalwahl im März 2020 wurde er zum Weismainer Bürgermeister gewählt.

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