Ein wahrer Handschmeichler ist das kleine, schwarze Krokodil aus gebeiztem Lindenholz. Glatt, geschmeidig und warm fühlt es sich an und mit seinem großen Maul scheint es fast zu lächeln. Eckart Henzlers kleine Tochter Sophie liebt das vom Vater geschnitzte Holztier. Für leuchtende Kinderaugen wird der Holzschnitzer aus Erlach wohl auch am heutigen Samstag und am Sonntag beim Burgkunstadter Altstadtfest sorgen, wenn er an seinem Stand in der historischen Handwerkerstraße aus Holzrohlingen seine Tierfiguren herausarbeitet. Kinder dürfen sich aussuchen, welche Figur er für sie schnitzt und anschließend selbst Hand anlegen, um dem Tierchen mit Schmirgelpapier den letzten Schliff zu geben.
Ob die Schnitzer im Mittelalter so gearbeitet haben wie er, weiß Henzler nicht. Aber die Methode, seine Produkte von der Auswahl des Holzes über die Bearbeitung mit der Hand und die Vermarktung in eigener Regie komplett selbst zu machen, dürfte wohl der von Handwerksbetrieben in alter Zeit entsprechen. „Wahrscheinlich bin ich letzte Schnitzer, der noch komplett auf Handarbeit setzt – modern ist nur die Vermarktung über das Internet“, sagt Henzler.
„Wahrscheinlich bin ich letzte Schnitzer, der noch komplett auf Handarbeit setzt – modern ist nur die Vermarktung über das Internet.“
Thomas Henzler Kunsttherapeut und Holzschnitzer
Während er seine Figuren in Heimarbeit auf seinem ökologischen Bauernhof im Weiler Erlach bei Weismain fertigt, sorgt die Präsentation auf seiner Homepage dafür, dass sich immer mehr Kunden weltweit für seine Arbeiten interessieren. Aus den USA und Uruguay, Norwegen und Venezuela bis nach China kommen die Bestellungen. „Dass ausgerechnet die Chinesen, die uns mit Plastikspielzeug überschütten, Interesse an meinen Handarbeiten haben, macht mir Hoffnung“, sagt der Künstler. Hoffnung, dass sich Qualität und Schönheit auf die Dauer durchsetzen. „Die Ästhetik und der pädagogische Wert von Holzspielzeug ist mir wichtig“, betont Henzler. „Alles Hässlich verletzt die Seele.“
Seine kleinen Kunstwerke fertigt der gelernte Kunsttherapeut nach eigenen Entwürfen. Die Formen sind einfach, auf das Charakteristische des Tiers reduziert, aber nicht verniedlichend. „Oft merke ich, dass außer meiner Hand noch ein weitaus größerer Künstler mitgearbeitet hat – nennen wir ihn die Natur“, sagt Henzler. Wenn man die Tiere in die Hand nehme, bemerke man, wie warm und glatt sie sind und dass das Holz fast lebendig wirkt. „Es fällt leicht, sie lieb zu haben, auch über lange Jahre, und wer sie lieb hat, dem bringen sie Glück“, sagt der Künstler.
Für ihn liegt das Glück darin, etwas Schönes mit den Händen zu erschaffen. Und in der Kreativität. So kreiert er neben den Tierfiguren auch „Baumstammbücher“ – in Scheiben gesägte Baumstämme, aus denen er wie ein Puzzle die Tiere eines Bauernhofs oder die Figuren einer Weihnachtskrippe herausarbeitet. Die Scheiben lassen sich wie ein Buch auf- und zuklappen, die Figuren zum Spielen und Betrachten herausnehmen. Ebenso fantasievoll wie künstlerisch gestaltete Krippen schnitzt er aus hohlen Lindenstämmen. Einen Durchmesser von 1,30 Meter hat der Stamm, an dem er zurzeit arbeitet. Zahlreiche Türen und Fenster, in denen die herausnehmbaren Figuren stehen, laden zum aufklappen und erkunden ein. Ritterburgen fertigt er nach dem gleichen Prinzip.
Wie schön handwerkliche Tätigkeit ist, vermittelt er halbtags als Werkstattleiter in einem Behindertenheim in Scheßlitz sowie bei Kursen für Kinder und Jugendliche – auch im Programm der Umweltstation und auf Anfrage. Es sei nicht schwer, die von Computerspielen geprägten Jugendlichen für Handarbeiten zu begeistern, berichtet er: „Kinder wollen etwas mit den Händen machen“. Umso schöner sei es für sie, wenn sie zuerst das Material gemeinsam im Wald suchen und dann jeder aus seinen Fundstücken etwas Kreatives fertigt. Und wenn sie schließlich ein selbst geschnitztes Tier, einen hölzernen Küchenlöffel oder gar einen Hocker aus Grünholz mitnehmen, dann strahlen ihre Augen. Außerdem lernen sie dabei nicht nur handwerkliches Geschick, sondern erleben auch Sinneseindrücke durch die Gerüche und das Fühlen der verwendeten Materialien.
Der Wunsch nach gemeinsamem Arbeiten und Leben in ländlicher Umgebung haben Eckart Henzler und seine Frau Katja nach einem längeren Aufenthalt in Russland vor sieben Jahren nach Erlach geführt. Auf Anhieb haben sie sich in den alten Bauernhof als Standort für ihr Projekt eines Handwerkerhofs verliebt. Behutsam haben sie das Anwesen renoviert und neben Wohnräumen, Werkstatt und Verkaufsraum für die Holzarbeiten auch eine Ferienwohnung eingerichtet. Am Ausbau einer zweiten Wohnung arbeiten sie. Der 10 000 Quadratmeter große Garten, den sie ökologisch bewirtschaften, und zahlreiche Tiere von Kaninchen bis Ziegen liefern nicht nur die Grundlagen der Selbstversorgung, sondern bieten auch den vier Kindern ein wahres Paradies. Sogar eigenen Honig und Hühner bieten sie in Selbstvermarktung an.
Noch Platz für Nachbarn
Nur das Gemeinschaftsprojekt einer Nachbarschaft mit Gleichgesinnten hat sich bisher nicht realisieren lassen. So wäre auf dem weitläufigen Gelände noch Platz für fünf weitere Familien. „Für ein solches Projekt braucht man einen langen Atem“, sagt Henzler zuversichtlich.
Eckart Henzler
Der Kunsttherapeut und Holzschnitzer Eckart Henzler arbeitete zwölf Jahre lang in Russland in einer inklusiven Schule und versucht jetzt das Unmögliche: Eine Familie mit dem Schnitzen von Holztierchen zu ernähren. Daneben arbeitet er halbtags als Werkstattleiter in einem Behindertenheim in Scheßlitz. Zusammen mit seiner Frau Katja und vier Kindern lebt er seit sieben Jahren auf dem Erlacher Hof vor den Toren Weismains, den sie zu einem ökologischen Handwerkerhof ausbauen wollen. Er gibt auch Schnitz- und Aquarellkurse für Kinder- und Erwachsene.
Informationen gibt es im Internet (www.erlacherhof.de).