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ALTENKUNSTADT: Treiben Katzenfänger ihr Unwesen?

ALTENKUNSTADT

Treiben Katzenfänger ihr Unwesen?

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    Vermisst: Der graue Kathäuser-Kater Sammy ist der Seelentröster von Betty Sander (76) aus Altenkunstadt. Untröstlich ist sie über sein Verschwinden. Ihre Tocher vermutet, dass er Tierfängern in die Hände gefallen sein könnte.
    Vermisst: Der graue Kathäuser-Kater Sammy ist der Seelentröster von Betty Sander (76) aus Altenkunstadt. Untröstlich ist sie über sein Verschwinden. Ihre Tocher vermutet, dass er Tierfängern in die Hände gefallen sein könnte. Foto: Karin Sander

    Nacht für Nacht fährt Karin Sander aus Altenkunstadt mit ihrem Lebensgefährten „Streife“. Zusammen mit anderen Tierfreunden haben sie eine selbst ernannte „Bürgerwehr“ gebildet, die Katzenfängern das Handwerk legen will. Eingeteilt in Schichten, sind sie jede Nacht unterwegs. Bis zu 1000 Kilometer fährt sie im Monat, wenn die Schrottsammler wieder ihre Zettel verteilen. Denn die Tierfreunde verdächtigen Schrott- und Sperrmüllsammler aus Osteuropa, es auf ihre Katzen abgesehen zu haben.

    „Zettelalarm in Altenkunstadt ... Eimeralarm in Weismain ... Invasion“, so lauten die Posts auf der Facebook-Seite der Gruppe „Katzen vermisst? Die Katzenfänger sind unterwegs!“, mit deren Hilfe die Tierfreunde ihren Wachdienst organisieren. Eine „Katzenfell-Mafia“ suche die Region heim, sagt Karin Sander. „Es besteht ein eindeutiger Zusammenhang mit dubiosen Schrott und Sperrmüllsammlungen, die im Landkreis nicht genehmigt sind“, warnt sie. Sogar Zusammenhänge mit Einbrüchen seien nicht auszuschließen.

    „Wir rufen nicht zu Gewalt oder Straftaten auf, sondern fahren rum und überprüfen Sperrmüllsammler und verdächtige Transporter, fotografieren Nummernschilder und melden es der Polizei.“

    Karin Sander, Tierfreundin

    Neben den Schrottsammlern, die Hinweis-Zettel in Briefkästen stecken, sind auch Hilfsorganisationen, die Eimer für Kleiderspenden an die Haushalte verteilen, in ihr Visier geraten, weil Katzen verschwunden sind, während die orangefarbenen Tonnen vor den Häusern standen. Dienten sie der Markierung oder haben die Tierfreunde aus einem zufälligen Zusammentreffen auf eine böswillige Absicht geschlossen? Selbst Karin Sander ist sich nicht sicher, ob ein Zusammenhang besteht, doch das hält sie nicht davon ab, die Spendeneimer in ihrem Wohngebiet einzusammeln und zum Kleidercontainer zu tragen.

    Polnischen Transporter durchsucht

    Dass sie von dem Hilfsverein wegen Diebstahls verklagt wurde, weil sie die Kleiderspenden herausgenommen hat, ficht sie nicht an. „Die sammeln für Kinder, daher habe ich die Erwachsenen-Sachen rausgenommen, in den Malteser-Container getan und stattdessen Kindersachen reingelegt“, betont sie.

    Riskanter war ein Einsatz bei Burghaig. Bei einer nächtlichen „Streifenfahrt“ erhält Karin Sander die Nachricht, dass ein Fahrrad in Burghaig gestohlen worden sei. Als sie auf dem Parkplatz an der B 289 einen Transporter mit polnischen Kennzeichen sieht, stoppt sie, reißt zusammen mit ihren Mitstreitern die Türen des Transporters auf und nötigt die Insassen mit der Drohung, die Polizei zu rufen, dazu, den Laderaum zu öffnen: Sperrmüll, aber kein Fahrrad. Oder eine Aktion, als sie in Altenkunstadt zwei Bettlerinnen kurz entschlossen an den Ärmeln packt und regelrecht auf die Polizeiwache schleift.

    „Wir rufen nicht zu Gewalt oder Straftaten auf, sondern fahren rum und überprüfen Sperrmüllsammler und verdächtige Transporter, fotografieren Nummernschilder und melden es der Polizei“, erklärt Karin Sander. Sie wolle die Menschen zur Vorsicht aufrufen, auf ihre Katzen aufzupassen und auf verdächtige Anzeichen zu achten, die darauf hindeuten könnten, dass Tierfänger es auf ihre Vierbeiner abgesehen hätten.

    Begonnen hat ihr Einsatz aus eigener Betroffenheit, als elf Samtpfoten aus der Altenkunstadter Neuwiese im Juni innerhalb weniger Tage verschwunden sind, darunter sechs eigene und der Kater ihrer Mutter (wir haben berichtet). Da es sich bei den Tieren nicht um Streuner handelte, die Gefahr laufen könnten, überfahren zu werden oder sich länger herumzutreiben, hegte die 47-Jährige die Befürchtung, sie könnten gestohlen worden sein.

    In diesem Verdacht bestärkten sie Ankündigungszettel für eine Schrottsammlung, die offenbar gezielt in Briefkästen von Tierbesitzern gesteckt worden seien, und der Austausch mit Tierfreunden, die ähnliche Erfahrungen gemacht hatten. Offene Türen rannte sie mit der Gründung einer Aktionsgruppe auf Facebook ein. Spontan meldeten sich viele Tierfreunde an, von denen sich 16 in der „Bürgerwehr“ engagieren.

    Doch trotz aller „Streifenfahrten“, Fotos von Transportern und rund 3500 verteilten Flugblättern mit Warnungen an Tierbesitzer, ist es nicht gelungen, einen Katzenfänger auf frischer Tat oder mit Tieren im Kofferraum zu erwischen. Auch die Zahlen der verschwundenen Katzen (laut Karin Sander 98 im Landkreis und 194 in Oberfranken) kann weder die Lichtenfelser Polizeiinspektion noch die Bayreuther Polizeidirektion bestätigen. Sieben von Karin Sander gemeldete Tiere und zwei von anderen Haltern hat Jürgen Hagel von der Polizei in Lichtenfels auf seiner Liste.

    Bei 50 Kontrollen kein Anhaltspunkt

    „Wir verfolgen die Hinweise von Frau Sander gerne, aber wenn wir mit drei Streifen in Altenkunstadt ankommen, ist meist niemand mehr anzutreffen“, bedauert er. Rund 50 Transporter mit ausländischen Kennzeichen habe die Polizei im vergangenen Monat kontrolliert, doch keinen Anhaltspunkt für Tierfänger gefunden. Lediglich einer der Fahrer habe Anlass zu einer Anzeige in anderer Sache gegeben. Sperrmüllsammler würden ohnehin regelmäßig kontrolliert. Die meisten seien der Polizei bereits von früheren Stichproben her bekannt.

    Die Polizei beobachte die Aktionen der selbst ernannten „Bürgerwehr“ durchaus wohlwollend im Sinne der Nachbarschaftshilfe durch gegenseitige Aufmerksamkeit, solange sie keine Straftaten begehen oder sich als Ermittler aufspielten. Er warne jedoch davor, über das Ziel hinauszuschießen und etwa Kleidersammelboxen wegzutragen: „Das wird als Diebstahl geahndet, da sich die Leute die Tonnen zum Wegtragen aneignen.“ Bisher habe ihre Tätigkeit allerdings „weder positive noch negative Auswirkungen“ gezeigt.

    Keine Spur von Tierdieben

    In ganz Deutschland haben sich in den vergangenen Jahren viele Gruppen gebildet, die Katzenfängern das Handwerk legen wollen. Im Internet kursieren regelrechte Verschwörungstheorien. Auch Karin Sander arbeitet mit einer bundesweiten Organisation zusammen, die von 649 verschwundenen Katzen berichtet. Die Beobachtungen der Tierfreunde klingen alarmierend, doch wenn es um belegbare Fakten geht, müssen sie oft passen. So lässt sich auch ein Vorfall vom vergangenen Mittwoch nicht beweisen: der Besitzer eines Border-Collies aus Mainleus gab an, der Fahrer eines roten polnischen Lieferwagens habe zum wiederholten Mal versucht, seinen Hund zu stehlen, berichtet Karin Sander. Danach waren die Täter verschwunden.

    Eine Ausnahme ist ein Beitrag des ARD-Magazins Panorama über die Tötung von Katzen für nutzlose Rheumadecken, der allerdings bereits Jahre alt ist (4. März 1999). Die Fernsehjournalisten berichteten detailliert von gehäuteten Katzenkadavern, die in Baden-Württemberg und im Rheinland an Straßenrändern oder im Wald abgekippt worden waren, ebenso wie vom scheinbar lukrativen Verkauf von Katzenfellen.

    Der einzige von der Polizei belegte Fall stammt vom 18. September 2006, als bei der Kontrolle eines Lieferwagens in Schneverdingen 20 Katzen in Transportboxen gefunden wurden und der polnische Fahrer keine plausible Erklärung für ihre Herkunft hatte.

    Hinweise auf Missstände, die eine Aufklärung behinderten, lassen sich zum Teil einfach widerlegen. Etwa die Behauptung einer oberbayerischen Tierschützerin, mit der Karin Sander zusammenarbeitet, dass den Tierfängern kaum beizukommen sei, weil eine EU-Richtlinie das Einfangen von Streunern zu Tierversuchen erlaube. Die Lektüre der Richtlinie (RL 2010/63/EU), die im Internet einsehbar ist, ergibt allerdings, dass die EU die Verwendung von streunenden und wild lebenden Haustieren für Laborversuche nicht zulässt und dass nur Tiere mit Herkunftsnachweis verwendet werden dürfen.

    Gemeinsam ist diesen Initiativen von Tierschützern, das Gefühl einer Bedrohung anhand eigener Erlebnisse und das Gefühl der Ohnmacht, weil ihnen die Polizei ohne Beweise nicht helfen kann.

    Informationen gibt die Gruppe von Karin Sander im Internet: www.facebook.com/groups/1650161535202684 oder unter Tel. (09572) 382957.

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