Auf die Frage, was ein Wanderschäfer eigentlich macht, antworten die Kinder: „Er wandert mit Schafen.“ Felix Steinhagen grinst. „Genau richtig“, sagt er. Jedes Jahr von April bis Oktober zieht er mit seiner mehr als 800-köpfigen Herde von Weide zu Weide. Sein Weg führt von Weismain über Kasendorf und Köttel nach Kleinziegenfeld und wieder nach Weismain. „Insgesamt sind das gute 100 Kilometer“, sagt der 26-Jährige, der gelassen auf seinem Schäferstock lehnt und in die Runde blickt.
Gelegenheit, Felix Steinhagen mit Fragen zu löchern, hatten Kinder und Erwachsene vor Kurzem während des „Picknicks beim Wanderschäfer“. Die Veranstaltung war Teil des Programms „Stadt Land Fluss – Obermain erleben“, einem Gemeinschaftsprojekt der Umweltstation Weismain und der Umweltstation Fuchsenwiese in Bamberg. 27 Teilnehmer aller Altersklassen kamen mit auf die Wanderung, bei der es neben dem alten Handwerk auch um Landschaftspflege und Naturschutz ging.
Zusammenhänge erklären
Regionalkoordinatorin Andrea Musiol sagt: „Ich finde es wichtig, die Zusammenhänge zu erklären, nicht nur einzelne Fakten.“ Sie und ihre Kollegin von der Fuchsenwiese, Brigitte Pfister, machten während der Wanderung immer wieder Halt, um auf die Geologie und Botanik der Region aufmerksam zu machen. Auch die Schafsweide wurde besprochen. Die nährstoffarme Magerwiese ist eine vom Menschen geprägte Kulturlandschaft. „Viele Pflanzen haben sich der Beweidung angepasst und zum Schutz vor Verbiss Stacheln entwickelt wie etwa die Distel, oder einen starken Geruch wie Thymian oder Oregano“, erklärt Pfister.
Das Highlight des Ausflugs war der Besuch beim Schäfer. Felix Steinhagen berichtete aus seinem Alltag und wie er zu dem Beruf kam. Er hat eine dreijährige Ausbildung abgeschlossen zum Tierwirt mit Fachrichtung Schäferei. Dem Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zufolge ist Schäfer seit 1863 ein eigener Ausbildungsberuf, geben tut es ihn seit Tausenden von Jahren. Auch in Steinhagens Familie hat die Schäferei lange Tradition.
Von Vater und Großvater hat er viel vom Handwerk mitbekommen, allerdings hat sich der Alltag über die Generationen etwas verändert. Wo schläft ein Wanderschäfer? Der sechsjährige Luis Gick aus Redwitz vermutet, auf dem Boden, oder vielleicht schön weich eingekuschelt zwischen den Schafen. Hätte man Steinhagens Großvater gefragt, wäre Luis gar nicht so falsch gelegen, denn damals hat der Schäfer tatsächlich im sogenannten Pferchkarren bei seiner Herde genächtigt. Felix Steinhagen hingegen fährt jede Nacht nach Hause zu seiner Familie nach Uelfeld in Mittelfranken. Die Schafe übernachten in einem Pferch aus Weidezaun.
Ziegen in der Herde
Dass Wanderschäfer nur mit Schafen wandern, stimmt auch nicht mehr. Seit einigen Jahren nehmen sie auch Ziegen mit, bei einer großen Herde wie der Steinhagens sogar zwischen 70 und 100. „Das hätte mein Großvater ganz sicher nicht mitgemacht“, sagt Steinhagen, Ziegen würden nämlich viel mehr Blödsinn anstellen als Schafe. Trotzdem: Sie fressen gerne Sträucher und tragen zur Entbuschung bei. Deshalb bekommen die Schäfer für das Mitführen der Ziegen staatliche Subventionen. Die Ziegenmütter eigenen sich außerdem ausgezeichnet als Ammen für verstoßene Lämmer, oder solche, die von der eigenen Mutter zu wenig Milch bekommen.
„Der Schäfer beschützt seine Schafe vor wilden Tieren“, vermutet die achtjährige Sara Ludwig aus Hochstadt. Tatsächlich glaubt Steinhagen, dass Wölfe in den nächsten Jahren auch hier zum Problem werden. Schon jetzt überlegt er, wie er seine Herde am besten schützen könnte. „Derzeit laufen Versuche mit Schutzhunden, aber die können auch Wanderern gefährlich werden“, sagt er. Deshalb möchte er ein anderes Konzept ausprobieren und ab nächstem Jahr einen Esel mitnehmen. Die gelten nämlich als gutmütig, aufmerksam und wehrhaft.
Steinhagen ist einer von zwei Wanderschäfern im Landkreis Lichtenfels. Mit dem Nachwuchs sieht es schlecht aus, denn die Bezahlung ist mau. Steinhagens Großvater hatte sich mit 150 Schafen einen guten Lebensunterhalt verdient. Mit dem Verkauf von Wolle und Fleisch käme sein Enkel auch mit 850 Schafen nicht mehr über die Runden. Nur mit Subventionen für die Landschaftspflege könne man sich als Wanderschäfer heutzutage über Wasser halten, sagt Steinhagen.
Picknick im Grünen
Beim Picknick im Grünen durften sich die Teilnehmer davon überzeugen, dass Schafsprodukte auch heute Aufmerksamkeit verdienen. Genussbotschafterin Angelika Herbst aus Ebensfeld servierte Hackfleischbällchen, Schafsleberkäse, mit Schafskäse gefüllte Kartoffeln, Salat mit Schafsfeta und Schafsjoghurt mit frischen Beeren.
Insgesamt kam der Ausflug bei Erwachsenen und Kindern gut an. Diana Ludwig, Mutter aus Hochstadt, sagt: „Die Kinder spielen derzeit oft mit Handy und Tablet. Man muss sie einfach mal mit raus nehmen, und ihr Interesse an der Umwelt wecken.“
Das nächste Picknick beim Wanderschäfer findet am 6. September in Dörfleins statt und wird organisiert von der Umweltstation Fuchsenwiese.