„Anstatt zu Hause zu sitzen, kann ich hier etwas lernen und mich nützlich machen“, sagt Kamyab Rahmati. Seit dreieinhalb Jahren lebt der 19-jährige Iraner mit seinen Eltern im Weismainer Asylbewerberheim. Seit dieser Zeit hofft die Familie auf eine Anerkennung als Flüchtlinge. Angesichts dieser Ungewissheit bietet ein Minijob im „Fränkischen Hof“ in Baiersdorf dem 19-Jährigen eine willkommene Gelegenheit, etwas Sinnvolles zu tun und sich zu integrieren. Dankbar für die Chance, Erfahrungen in der Gastronomie zu sammeln, ist auch der 18-jährige Fadel Ibrahim, der vor den Bomben der syrischen Armee aus Aleppo geflohen ist.
„Die Jungs sind ein Glücksgriff für uns, wir hoffen nur, dass sie bald eine reguläre Ausbildung beginnen können“, erklärt die Wirtin Simone Seidel. Auf Anregung von Iris Schott, die ehrenamtlich Asylbewerber in Weismain betreut, hat sie den beiden Flüchtlingen die Chance gegeben, Berufserfahrung zu sammeln. Und sie hat es nicht bereut – im Gegenteil: „Wir waren angenehm überrascht, die Jungs können nicht nur anpacken, sondern sind auch immer freundlich und lernfähig“. Das ganze Team habe sie „ins Herz geschlossen“. Ob im Service, in der Küche oder in der Wäscherei – die Asylbewerber seien flexibel und fleißig.
Auch den Gästen stelle sie die beiden vor und erhalte fast nur positive Reaktionen. Beim Stammtisch der „Schöpplarenner“ hätten sie sogar Kartenspielen gelernt. Allerdings habe sie auch schon kritische Töne gehört: „Jetzt nimmt sie schon Asylbewerber“. Dabei nehmen die Flüchtlinge niemandem den Job weg, wie die Wirtin betont. Schließlich sei es schwer, in der Gastronomie genug Personal zu bekommen: „Kaum jemand will dann arbeiten, wenn andere feiern“.
„Ein Glücksgriff für das Hotel“
Angesichts des Engagements der beiden findet die Wirtin es umso bedauerlicher, dass sie fast die komplette Vergütung wieder abführen müssen, da das Zusatzeinkommen mit dem Sozialhilfesatz von 359 Euro, der Flüchtlingen zusteht, verrechnet wird. „Das tötet jede Motivation, wenigstens eine Grundpauschale als Taschengeld und für die Berufskleidung sollte man ihnen lassen“, appelliert Simone Seidel an die Behörden. „Wie soll ich die Jungs denn motivieren, jede Woche sechs Stunden ihrer Freizeit zu opfern, wenn sie nicht wenigstens eine kleine Anerkennung dafür bekommen?“ Außerdem lernten die beiden im „Fränkischen Hof“ viel für ihr Leben in Deutschland – von Pünktlichkeit, die in ihrer Heimat nicht selbstverständlich sei, über den Umgang mit Gästen bis hin zu Zuverlässigkeit, die es erfordert, im Krankheitsfall den Arbeitgeber rechtzeitig zu benachrichtigen.
Von einem Beruf als Pilot hat Kamyab Rahmati geträumt, doch jetzt ist er froh, im „Fränkischen Hof“ eine sinnvolle Beschäftigung gefunden zu haben. Jeden Freitag nach dem Unterricht in der Mittelschule Altenkunstadt, wo er die 10. Klasse besucht, arbeitet er in dem Hotel. „Wir wollen in Deutschland in Sicherheit leben und uns eine Existenz aufbauen“, schildert er seine Zukunftsträume. In den Iran könne die Familie nicht mehr zurück, da sie dort als evangelische Christen verfolgt würden.
Umso bitterer sei die lange Wartezeit auf Anerkennung des Asylantrags. Und die Schwierigkeiten bei der Suche nach Arbeit. Der Vater habe eine Beschäftigung bei einer Tankstelle, doch auch bei ihm wird der Lohn mit der Sozialhilfe verrechnet, so dass kaum etwas übrig bleibe. Würde die Mutter ebenfalls arbeiten, müsste die Familie zusätzlich noch Miete für die Gemeinschaftsunterkunft zahlen.
Angesichts seiner Bemühungen, sich zu integrieren, schmerzen Kamyab Rahmati die Hänseleien der Mitschüler, die auch ins Rassistische abgleiten, oder grundlose Beleidigungen auf der Straße. Sogar angespuckt worden sei er von Fremdenfeinden. „Aber einige deutsche Freunde habe ich gefunden“, strahlt er. Kein Verständnis hat der Iraner für die Übergriffe auf Frauen am Kölner Bahnhof: „Ich schäme mich dafür, dass Asylbewerber so etwas tun“. Wer in ein anderes Land komme, müsse sich dessen Kultur und Regeln anpassen, betont er. „Ich würde solche Leute einfach zurückschicken.“
„Ich schäme mich dafür, dass Asylbewerber so etwas tun.“
Kamyab Rahmati, zu den Ausschreitungen in Köln
„Koch ist mein Traumberuf“, schwärmt Fadel Ibrahim. Der 18-jährige Syrer ist mit seiner Familie aus der Rebellenhochburg Aleppo vor den Bomben der syrischen Armee und der Islamisten geflohen. Seit 18 Monaten lebt er mit der Mutter, einer Schwester und einem Bruder in der Weismainer Gemeinschaftsunterkunft und hofft auf ein Bleiberecht. Der Vater ist noch in der Türkei, eine Schwester in Schweden, ein Bruder mit Frau wurde von Weismain nach Berlin geschickt, da sie illegal nach Deutschland kamen. Sorgen bereitet Fadel, dass die Familie auf der Flucht über den Balkan in Bulgarien unter der Androhung von Schlägen registriert wurde. Damit wäre eine Abschiebung nach Bulgarien als Erstaufnahmeland möglich. Vier Wochen lang seien sie zusammen mit 1300 anderen Flüchtlingen in einem Lager mit nur einer Toilette und ohne Dusche unter menschenunwürdigen Verhältnissen festgehalten worden.
Zurzeit besucht Fadel die Berufsfachschule für Ernährung und Versorgung in Kronach, hat jedoch wegen seiner mangelhaften Deutschkenntnisse Schwierigkeiten mit dem Unterricht. In seiner Klasse werden neben acht deutschen Schülern zwölf Asylbewerber unterrichtet, aber eigene Deutschkurse für Ausländer gebe es nicht. Kamyab hatte es da besser, da er von Konrektor Bernd Schick an der Mittelschule Altenkunstadt anfangs unterstützt wurde, aber für Unterricht in Deutsch als Fremdsprache fehlen auch dort die Lehrer. Und die Kurse in der Gemeinschaftsunterkunft können die beiden nicht nutzen, weil sie den ganzen Tag in der Schule sind.
Klöße so vertraut wie Falafel
Dennoch wollen sich Kamyab und Fadel nicht entmutigen lassen und hoffen auf ein dauerhaftes Bleiberecht, um eine Ausbildung im „Fränkischen Hof“ beginnen zu können. Klöße kennt Fadel inzwischen genauso gut, wie das Falafel aus seiner Heimat. Wenn in der Hotelküche Kloßteig gemacht wird, müssen 20 bis 30 Zentner Kartoffeln verarbeitet werden. Die beiden Helfer packen dabei zuverlässig mit an, wie Simone Seidel schmunzelnd lobt. Was sie nicht versteht ist, dass die Bürokratie den jungen Leuten das dauerhafte Ankommen in Deutschland so schwer macht. Doch immerhin hat jetzt auch Fadel die Genehmigung für einen Minijob – und das in einer Rekordzeit von drei Wochen.