Die Alte Apotheke in Burgkunstadt ist eine Institution. Seit 123 Jahren befindet sie sich in Familienbesitz, Generationen von Patienten haben hier Beratung und Hilfe erhalten. Fast sein ganz Berufsleben hat der Inhaber Thomas Müller in das Unternehmen investiert. Nach 32 Jahren hat er sich entschlossen, die Apotheke Ende September zu schließen.
„Eigentlich wollte ich bis zu meinem 65. Geburtstag arbeiten, aber dann haben die Ereignisse meine Pläne über den Haufen geworfen“, sagt Thomas Müller. Als der 63-Jährige den beiden langjährigen Mitarbeiterinnen mitteilte, dass er sich mit Plänen für den Ruhestand trage, bewarben die sich um neue Stellen. Und eine wechselte bereits jetzt. Doch was schwerer wiegt, ist eine gesetzliche Änderung, die Apotheken ab Februar dazu verpflichtet, sämtliche Arzneimittel einheitlich zu versiegeln, um einen lückenlosen Nachweis vom Hersteller bis zum Verkauf sicherzustellen. Was das Vertrauen der Kunden in die Qualität der Medikamente steigern soll, bedeutet für die Apotheken Investitionen im vierstelligen Euro-Bereich für die Scanner-Technik sowie hohen bürokratischen Aufwand.
„Stadt für drei Apotheken zu klein“
Hinzu kam der kontinuierliche Rückgang der Umsätze. „Burgkunstadt ist für drei Apotheken eigentlich zu klein“, weiß Müller. Seit der Eröffnung der Konkurrenz im Ärztehaus erlebe er einen schleichenden Rückgang des Geschäfts. Hinzu kam eine zweimonatige Straßensperrung wegen Bauarbeiten, die viele Kunden abschreckte, die danach auch nicht mehr wiederkamen. Die Kulmbacher Straße sei eben keine Einkaufsstraße mehr, wie 1953, als sein Vater den neuen Standort eröffnete. Bedauerlich findet er, dass sich die Stadt nicht gegen eine dritte Apotheke ausgesprochen habe, wie die Altenkunstadter Räte bei der Genehmigung des Fachmarktzentrums. Schließlich mache die Konkurrenz der Apotheker-Ketten und im Internet den Einzelunternehmern das Leben schon schwer genug.
Konkurrenz brauchte Müllers Urgroßvater Ludwig Meier nicht zu fürchten, als er 1895 in der Kulmbacher Straße 43 die erste Apotheke Burgkunstadts eröffnete. Heute steht dort der katholische Kindergarten. Damals ging's noch ruhiger zu, Notfalldienste waren unbekannt. Wenn sonntags ein Kunde ein Medikament brauchte und der Großvater gerade auf einem Spaziergang war, dann hisste seine Frau die Fahne vor dem Haus und der Apotheker eilte zurück. Nach seinem Ruhestand wurde die Apotheke verpachtet, weil seine Tochter einen Bankangestellten heiratete.
Die Familientradition führt Thomas Müllers Vater Ludwig fort, der 1953 die Geschäftsräume in der Kulmbacher Straße 10 eröffnete. Es war damals eines der wenigen Häuser in der Unterstadt, die einen Keller hatten, um Medikamente, die gekühlt werden mussten, vorschriftsmäßig zu lagern. Den ersten Kühlschrank für Arzneimittel brachte die Firma Linde erst 1954 auf den Markt. Viele Drogerieprodukte von Nivea-Creme bis Brennspiritus und sogar Sonnenbrillen führte Ludwig Müller im Sortiment, bis die Drogeriemärkte das unrentabel machten. Noch heute erinnern alte Reiben und Tiegel für die Herstellung von Salben oder eine Tablettenpresse im Schaufenster an Zeiten, als die Apotheker ihre Arzneimittel zum großen Teil selbst herstellten.
„Es ist wichtig, den ganzen Menschen zu sehen, um ihm helfen zu können.“
Thomas Müller, Apotheker
Für Thomas Müller war es nie eine Frage, die Familientradition fortzuführen, denn Apotheker ist sein Traumberuf. Nach dem Studium der Pharmazie folgten Stationen in Stuttgart, Rheinberg, Bremerhaven und Duisburg, bevor er 1984 nach Burgkunstadt zurückkam und die Apotheke schließlich 1986 vom Vater übernahm und modernisierte. „Ich wollte immer einen Beruf, bei dem ich Menschen helfen kann“, betont er. Viele Stammkunden bestätigen, dass ihm das gelungen ist. Sie bedauern, dass ihnen der vertraute Ansprechpartner fehlen wird, denn Gespräche über Gesundheitsprobleme erfordern Vertrauen. „Es ist wichtig, den ganzen Menschen zu sehen, um ihm helfen zu können“, erklärt Thomas Müller. Hilfreich sei es daher, die Patienten über Jahre hinweg zu kennen. Da kann der Apotheker auch schon mal zum Lebensretter werden, wenn es ihm gelingt, einen Kunden im kritischem Zustand zu einem Arztbesuch zu bewegen, obwohl dieser das um jeden Preis vermeiden wollte.
Während die Umsätze wegen der zunehmenden Konkurrenz zurückgingen, machten Bürokratie und Preisdruck den Apothekern das Leben immer schwerer, bedauert Müller. So seien sie verpflichtet, ärztliche Rezepte zu überprüfen und die Patienten zurückzuschicken, falls etwas Falsches verordnet worden sei. Andernfalls verweigerten die Krankenkassen die Kostenerstattung. Für besonderen Aufwand sorgen auch die Vielzahl gleicher Medikamente und wechselnde Erstattungsrichtlinien. Hinzu komme die Verunsicherung von Patienten bei Warnungen vor Arzneimitteln, wie jüngst im Falle des Herzmedikaments Valsartan, bei dem nicht der Wirkstoff an sich betroffen war, sondern nur Zusatzstoffe von bestimmten Herstellern. „Die Leute wollten das Medikament nicht mehr, auch wenn es von einem vertrauenswürdigen Hersteller kam und nachweislich nicht verunreinigt war“, berichtet Müller.
Kritik an reiner Gewinnorientierung
Solche Skandale seien auch eine Folge der Gewinnökonomie im Gesundheitswesen. Wegen der Konzentration der Pharmaproduktion auf immer weniger große Hersteller verarme die Forschung und es komme häufig zu Lieferengpässen. Geforscht werde vor allem dort, wo sich große und lukrative Märkte erschließen. Um Innovationen zu honorieren, wäre es stattdessen wichtig, die Hersteller zur Offenlegung der Preisgestaltung zu verpflichten. Verzerrt sei die Debatte über Medikamentenkosten: „Wenn die Aufenthaltsdauer in den Kliniken nach Operationen immer kürzer wird, dann spare ich zwar bei den Belegungskosten, aber der Medikamentenverbrauch steigt.“
Einen Plan für die künftige Nutzung der Geschäftsräume hat Thomas Müller noch nicht. Umso mehr für den Ruhestand: Reisen, Zeit für die Familie sowie sein kirchliches und politisches Engagement.
Und falls der ÖDP-Direktkandidat am 14. Oktober den Einzug in den Landtag schaffen sollte, bräuchte er sich keine Sorgen um den Betrieb der Apotheke zu machen.