Der Rollwagen, mit dem die Schuhkartons aus dem Lager geholt werden, ist so etwas wie das Markenzeichen des Schuhhauses Brunn in Altenkunstadt. „Wenn die Kunden den vollen Wagen gesehen haben, waren sie begeistert“, berichtet Ingrid Brunn. Die Vielfalt des Angebots, Qualität und eine geschickte Preispolitik sei ihr Erfolgsrezept gewesen, ergänzt Klaus Brunn. Seit 43 Jahren arbeiten die Eheleute im Familienbetrieb. Vor 71 Jahren hat ihn sein Vater Georg Brunn eröffnet. In wenigen Wochen werden Klaus und Ingrid Brunn ihr weit über die Region hinaus beliebtes Geschäft schließen. „Aus Altersgründen und weil wir keine Nachfolge haben – mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, sagt Klaus Brunn.
Ein Urlauber aus Berlin ruft während des Pressetermins an und fragt, ob das Geschäft auch mittags geöffnet ist. Als er hört, dass Ausverkauf ist, meldet er sich gleich für den nächsten Tag an. „Viele Stammkunden trauern uns schon jetzt nach“, berichtet Klaus Brunn. Viele machen noch einen Großeinkauf. Die Wanderstiefel seien bereits im Januar ausverkauft gewesen.
Mit vier Paar Musterschuhen beginnt Georg Brunn 1951 den Schuhhandel
So umfassend das Angebot des Schuhhauses Brunn jetzt ist, so klein waren die Anfänge. Mit vier Paar Musterschuhen und einem Pack Schnürsenkel aus der Schuhfabrik Hühnlein in Woffendorf fing der Vater Georg Brunn 1951 an. Eigentlich wollte der Schuhmacher nur Material für seine Reparaturwerkstadt bei der Fabrik abholen, doch der Verkäufer überredete ihn dazu, es mal mit dem Verkauf von Schuhen zu probieren. Als eine Kundin, die am nächsten Morgen Schuhe zur Reparatur brachte, den Preis wissen wollte, musste Georg Brunn lange überlegen, was er dafür verlangen sollte. Und war erstaunt, dass sie gleich zwei Paar kaufte. Daraufhin besorgte er sich umgehend Nachschub und das Geschäft entwickelte sich.
Damals war der Laden noch auf der anderen Seite der Dr.-Anton-Sattler-Straße. Und die Sackgasse nur über die Klosterstraße zu erreichen. Dennoch lief der Verkauf so gut, dass Georg Brunn und seine Frau Barbara 1956 einen Anbau neben der Schusterwerkstatt errichten ließen. 1960 wurde gegenüber ein Wohnhaus mit Laden errichtet.
„Ich bin auch als Kind manchmal mit im Laden gewesen. Daher war klar, dass ich das Geschäft einmal übernehmen würde.“
Klaus Brunn, Schuhhändler
„Ich bin auch als Kind manchmal mit im Laden gewesen“, erinnert sich Klaus Brunn. Daher sei immer klar gewesen, dass er das Geschäft einmal übernehmen würde. Erfahrungen sammelte er bei der Ausbildung zum Industriekaufmann in der Schuhfabrik Hühnlein, die er nach einer Betriebsschließung in der Schuhfabrik Püls abschloss. 1975 stieg er ins Familienunternehmen ein. Und als er 1979 heiratete, arbeitete auch seine Frau Ingrid, die vorher in der Polstermöbelindustrie tätig war, mit. Den großen Ausstellungsraum ließ er 1983 errichten.
In Pirmasens mehrere Schuhfabriken an einem Tag besucht
Bei den umliegenden Schuhfabriken kaufte er zweite Wahl und Sonderposten und konnte seinen Kunden somit günstige Preise machen. In den 1980-er Jahren fuhr er in die Pfalz, nach Pirmasens, wo er mehrere Schuhfabriken besuchte. Morgens um drei startete er, und nach 22 Uhr kam er zurück. „Dann haben wir gleich noch ausgeladen, weil ich wissen wollte, was er eingekauft hatte“, sagt Ingrid Brunn. Und zweimal im Jahr fuhren beide an zwei Sonntagen nach Nürnberg und einmal nach München zur Schuhmesse.
Obwohl das Schuhhaus Brunn nicht zentral liegt, lockte Mundpropaganda viele Kunden aus Coburg, Bamberg und Bayreuth an. Berliner, die Urlaub in der Region machten, kamen ebenso wie US-Soldaten, die in Bamberg stationiert war. „Einmal kam sogar eine Reisegruppe aus Moskau“, erinnert sich Klaus Brunn. Da habe der Reiseleiter als Übersetzer geholfen. Die Baur-Kaufwelt habe viele Besucher nach Altenkunstadt gelockt und anschließend machten sie einen Abstecher ins Schuhhaus.
Orthopädie- und Schuhtechnik und das erste Telecash-Gerät

„Ein besonderer Service war auch unsere Reparaturwerkstatt“, betont Klaus Brunn. „2009 eröffneten wir eine Orthopädie- und Schuhtechnikabteilung, die unser Sohn leitete.“ Dort wurden elf Jahre lang Maßschuhe, Schuhzurichtungen, Bandagen, Schuheinlagen und Kompressionsstrümpfe angeboten. „In den 70-er bis Ende der 80-er verkauften wir sogar Skistiefel, Langlaufschuhe, Schlittschuhe“, berichtet Brunn. Auch Fußballschuhe gehörten ins Sortiment.
Klaus Brunn ging immer mit der Zeit und stellte bereits 1991 das gesamte Lager (Warenwirtschaft) auf EDV um. „Und wir hatten als erstes Geschäft in Altenkunstadt ein Telecash-Geräte zum Bezahlen mit Karten“, betont er. Stammkunden wurden auch mal am Bahnhof abgeholt. Wie die „Dame mit dem Dutt“, eine wohlhabende Witwe aus München, die jedes Jahr zum Großeinkauf kam, weil sie in der Landeshauptstadt keine passenden Schuhe und Hausschuhe fand.
Bis zu acht Mitarbeiter waren bei Schuh Brunn in den Hochzeiten während der 1990-er Jahre beschäftigt. „Wir saßen aber nie im Chefsessel, sondern haben uns immer beide reingekniet“, betont Klaus Brunn. Man darf diese Aussage durchaus wörtlich nehmen, denn vor den Kunden sind Chef und Chefin wie jeder im Team auch mal auf die Knie gegangen, um bei der Anprobe zu helfen.
Trotz der Konkurrenz des Online-Handels habe sich das Geschäft immer getragen. So hat das Schuhhaus Brunn Generationen mit Schuhwerk ausgestattet, dem Niedergang der heimischen Schuhindustrie und dem Wandel im Handel getrotzt. Eigentlich sei er bereits seit eineinhalb Jahren Rentner, doch die Pandemie, als sie das Geschäft ein halbes Jahr schließen mussten, habe die Rückzugspläne verzögert. Besonders freuen sich Ingrid und Klaus Brunn darauf, im Ruhestand einmal länger als fünf Tage verreisen zu können. Und Zeit für die vier Enkel zu haben. Ihr Fazit: „Es hat einfach alles gepasst.“