Es war die erste virtuelle Betriebsversammlung in der über 80-jährigen Geschichte der Maschinenfabrik Karl Eugen Fischer in Burgkunstadt. Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen: Angesichts der Corona-Pandemie informierte Geschäftsführer Dr. Wolfgang Krause die Mitarbeiter per Videobotschaft darüber, wie das Unternehmen die Folgen der Krise bewältigen will. Die gute Nachricht: Nach der Phase der Kurzarbeit, in der nur Notgruppen anstehende Aufträge abarbeiteten, produziert die K.E. Fischer GmbH seit vergangener Woche wieder mit 50 Prozent der Belegschaft. Obwohl die Auftragsrückgänge in Folge der Corona-Pandemie das Unternehmen hart getroffen haben, sieht der Geschäftsführer mit vorsichtigem Optimismus in die Zukunft.
„Ich gehe davon aus, dass die Reifenindustrie 2022 wieder das gleiche Niveau wie 2019 erreichen wird.“
Dr. Wolfgang Krause, Geschäftsführer
Als Weltmarktführer für Cordschneideanlagen der Reifenindustrie zählt die K.E. Fischer GmbH zwar im weitesten Sinne zu den Zulieferern der Autoindustrie, doch auf dem Reifenmarkt mache die Neuausstattung von Fahrzeugen nur rund 30 Prozent aus, erklärt Krause. 70 Prozent der Reifen decken den stabileren Ersatzbedarf für Autos, Nutzfahrzeuge und Zweiräder ab.
Optimistisch stimmt ihn auch, dass die Wirtschaft in China, Südkorea und anderen Ländern in Asien wieder angesprungen ist. „Seit in China wieder produziert wird, sehen wir Licht am Tunnel, auch wenn Indien noch im Shutdown ist“, betont er. Und im Gegensatz zur Autoindustrie habe es in der Reifenbranche keine Überproduktion gegeben, so dass die Lager jetzt leer seien. „Ich gehe davon aus, dass die Reifenindustrie 2022 wieder das gleiche Niveau wie 2019 erreichen wird“, erklärt der Geschäftsführer. Und das bedeute für die Burgkunstadter Maschinenbauer neue Aufträge, so dass die Produktion wieder hochgefahren werden könne.
Bei vielen Kunden gab's keinen Ansprechpartner
„Wie reagieren wir angemessen?“, lautete die Frage nach der Strategie zu Beginn der Pandemie, denn die Fertigung der großen Maschinen erfordert einen beträchtlichen zeitlichen Vorlauf. Daher hatte das Burgkunstadter Unternehmen zwar noch Aufträge abzuarbeiten, aber der Geschäftsführer war sich bewusst, dass er bei vielen Kunden vorübergehend keinen Ansprechpartner haben würde – weder für die Abnahme bereits bestellter Maschinen, noch für neue Aufträge. Daher nutzte die Maschinenfabrik bereits im März das Instrument der Kurzarbeit und verhängte eine „Betriebspause.“

Während der Kurzarbeit waren nur noch Notgruppen im Einsatz
Alle Aufträge, die noch fertiggestellt werden konnten, wurden in nach Bedarf zusammengestellten Notgruppen abgearbeitet. Ende April, als die Wirtschaft in vielen Ländern wieder ansprang, wurde die Zahl der aus der Kurzarbeit wieder zurückgerufenen Mitarbeiter schrittweise wieder erhöht und seit vergangener Woche ist die Hälfte der Belegschaft wieder in der Produktion. Dabei kommt dem Unternehmen das Hygienekonzept zugute, das um im Fall von Infektionen einen Stillstand zu vermeiden, neben Hygieneregeln eine Trennung der Belegschaft in zwei Gruppen, die unabhängig voneinander eingesetzt werden, vorsieht. Daher arbeiten jetzt jeweils 50 Prozent der Mitarbeiter im zwei Wochen-Rhythmus, bevor sie von den Kollegen abgelöst werden.
Freude über Akzeptanz der Mitarbeiter
Dank der schnellen Entscheidung der Bundesregierung, der Wirtschaft mit Kurzarbeit unter die Arme zu greifen, sei es bisher gelungen, alle Arbeitsplätze zu erhalten. Erfreulich sei die gute Akzeptanz der Kurzarbeit durch die Mitarbeiter, die sehr flexibel bei der Aufrechterhaltung der Produktion mitarbeiteten. Außerdem profitiere das Unternehmen von den schlankeren Strukturen, nachdem im vergangenen Jahr aufgrund der sinkenden Nachfrage 85 Stellen abgebaut worden waren (wir haben berichtet).
Weil die Kunden trotz der Seuche gezahlt haben, ist die Liquidität gut
Dennoch trafen die Folgen der Corona-Pandemie das Unternehmen hart. Der Umsatz ist in den Monaten von März bis Mai um ein Drittel zurückgegangen, wie Wolfgang Krause berichtet.
Finanzhilfen werde die K.E. Fischer GmbH vorerst nicht benötigen. „Dank unseres sehr guten Kundenkreises, der auch in der Krise zuverlässig seine Rechnungen bezahlt hat, gehen wir davon aus, dass unsere Liquidität ausreicht, um die Produktion wieder hochzufahren“, betont der Geschäftsführer. Außerdem setze K.E. Fischer auf einen eher konservativen Firmenstil, zu dem es gehöre, ausreichend Eigenkapital vorzuhalten. Das sei im Maschinenbau, wo die Produktion vorfinanziert wird, wichtig.
Ein Ausweichen auf andere Produkte wäre wegen der hohen Investitionen nur langfristig möglich, erklärt der Geschäftsführer. Und um die Spitzenstellung als Weltmarktführer bei Cordschneideanlagen zu halten, sei eine Spezialisierung unerlässlich. Daher habe die K.E. Fischer GmbH die etwa die Fertigung von Blechscheren-Großanlagen nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 reduziert. Zudem sorgten die unterschiedlichen Sparten der Reifenindustrie für eine breite Streuung des Risikos, falls es in einer Branche kriselt.
Hoffnung auf 21 Monate Kurzarbeit und stabile Zinsen
Eine große Hilfe gerade für die Maschinenbaubetriebe wäre es, wenn die ursprünglich auf 21 Monate befristete Möglichkeit der Kurzarbeit nicht zum Jahresende gekappt würde, sagt Wolfgang Krause. Außerdem würde er sich von der Politik eine Fortsetzung der Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge durch die Agentur für Arbeit wünschen. Und die Banken könnten helfen: „Hilfreich für die Wirtschaft ist, wenn sie die Corona-Folgen nicht nutzen, um die Kosten für Kredite durch Anpassung von Zinsen und Gebühren zu erhöhen.“ Gerade bei bestehenden Verträgen baue er darauf, dass sich die Kreditinstitute an die ursprünglichen Vereinbarungen halten und nicht Änderungsklauseln nutzten.

Dass er nach der Finanz- und Wirtschaftskrise, die er als Geschäftsführer eines Automobilzulieferers durchgestanden hat, noch einmal einen solchen Einbruch der Wirtschaft erleben würde, hätte Wolfgang Krause, der die K.E. Fischer GmbH seit Dezember leitet, nicht erwartet. „Es ist ein Kraftakt, aber beim zweiten Mal geht man gelassener damit um“, meint er. Dazu trage auch das gut bestellte Haus bei, das ihm seine Vorgängerin nach über zwölf Jahren als Geschäftsführerin hinterlassen habe. Und die motivierte Belegschaft.
Die Karl Eugen Fischer GmbH Die Firma Karl Eugen Fischer in Burgkunstadt produziert und vertreibt Maschinen für die Reifenindustrie und die Blechbearbeitung. Zurzeit beschäftigt das Unternehmen 450 Mitarbeiter, davon 44 Auszubildende. Der Umsatz lag 2017 bei 83 Millionen Euro. Das Sortiment ist in drei Hauptgeschäftsfelder gegliedert: Stahlcordschneidanlagen, Textilcordschneidanlagen und Blechbearbeitungsmaschinen. Eine Vertriebs- und Servicetochter steht in den USA in Lawton im Bundesstaat Oklahoma. Sowohl in Deutschland als auch in den Vereinigten Staaten wird ein rund um die Uhr erreichbarer Notfallservice unterhalten. Zudem gibt es ein Service- und Schleifzentrum in Qingdao in China. Karl Eugen Fischer begann 1940 mit einer Firma, deren Portfolio von der Fertigung von Kochtöpfe bis zur Beteiligung am Brückenbau reichte. Ab 1949 rückten Tafelblechscheren in den Mittelpunkt der Fertigung. Mit einer Stahlcordschneidanlage für die Reifenindustrie wurde 1970 das Sortiment erweitert. Mit diesen Maschinen ist K.E. Fischer Weltmarktführer.