Auf dem Fußboden im Flur des Gasthofs „Zum Preußla“ ist die Jahreszahl 1914 im Terrazzoboden eingelassen. Hat sie etwas mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges zu tun? Nein, sie erinnert an den Wiederaufbau des beliebten Gasthauses. Im Dezember des Vorjahres war das Anwesen ein Raub der Flammen geworden.
Am Abend des 1. Dezembers 1913 kurz nach 19 Uhr stiegen über der Gastwirtschaft Münch (heute: Gasthof „Zum Preußla“) Rauchwolken in den Nachthimmel. Die beiden Scheunen und die Wohnhäuser der Familien Münch und Hofmann (später: Langenbach und Wachter) standen im Nu in Flammen. Alle elektrischen Lichter im Ort waren schlagartig erloschen; man musste wieder die alten Öllampen hervorholen. Beide Anwesen in der Bahnhofsstraße (heute: Theodor-Heuß-Straße) brannten bis auf die Grundmauern nieder.
Kurzschluss der Auslöser
Ein Kurzschluss an der Futterschneidmaschine in der Scheune des Anwesens Münch war die Ursache gewesen. Im Namen der „betroffenen Abbrändler“ haben sich die beiden Witwen Kunigunda Münch und Cornelia Hofmann im Lichtenfelser Tagblatt am 5. Dezember bei den „tüchtigen Feuerwehren“ bedankt. In einer eigenen Anzeige sprachen die Nachbarn Johann Grießinger, Hans Kerling, Andreas Schmitt, Karl Langenbach und Anton Ultsch ihren „innigsten und tiefgefühltesten Dank“ allen Dorfbewohnern aus, durch deren mutigen Einsatz das Feuer am Übergreifen auf andere Anwesen gehindert wurde. Eine noch größere Brandkatastrophe war somit verhindert worden.
Der heutige Gasthof „Zum Preußla“ hat somit eine bewegte Geschichte. Als Gastwirtschaft im Haus Nummer 37 von Konrad Münch bekam er 1879 die Konzession. So steht es in einem Eintrag der Gemeinde Altenkunstadt. Ein Blick in die Geschichte der Altenkunstadter Wirtshäuser zeigt 1879 acht Gast- und Schankwirtshäuser. 1877 bekam Andreas Schnupp im Haus Nummer 34a (heutige Adresse: Langheimer Straße 10) die Erlaubnis für eine Gastwirtschaft. Unter dem Namen „Zur Sternschnuppe“ besteht sie heute noch.
In wenigen Jahren zwei weitere größere Brandkatastrophen: 1907 hatte in Altenkunstadt der „Feuerteufel“ zugeschlagen. Verheerender die große Brandkatastrophe am 6. Juni 1896: 30 Gebäude wurden ein Raub der Flammen. Johann Friedlein hatte in der Nacht heimlich in der Klosterstraße und dem Marktplatz zu vielen Gebäuden Zündschnüre gelegt.
Brandstifter legt Zündschnüre
Dass Windstille herrschte, war für den Ort Glück im großen Unglück. Bei nur etwas Ostwind wäre ganz Altenkunstadt ein rauchender Trümmerhaufen geworden. Der Brandstifter entkam zu Fuß, mit der Bahn fuhr er nach Norddeutschland, per Schiff gelangte er nach Amerika. Für seine Tat hat er nie gebüßt.
Die Freiwillige Feuerwehr existierte damals schon 25 Jahre; mit dem schrecklichen Ausmaß des Feuers des Feuerteufels war sie allerdings überfordert. Die Feuerwehrleute hatten nur wenige technische Geräte zur Bekämpfung der Feuersbrunst. Erst Jahrzehnte später bekamen sie in den 1920-er Jahren die erste Motorspritze.
Was Altenkunstadt noch bewegte
Nicht nur der Großbrand am 1. Dezember 1913 bewegte die Einwohner des Ortes. Nationale Größenphantasien, Jubelgeschrei auf den neuen König in Bayern und zaghafte Rufe nach Demokratie bestimmten die Atmosphäre in diesen Wochen im oberen Maintal.

Mit einer „Jubelproklamation“ auf dem Altenkunstadter Marktplatz hatte man Ludwig III., den neuen König von Bayern, begrüßt. Nach feierlichen Gottesdiensten in der Pfarrkirche und in der Synagoge bewegten sich am 12. November 1913 „zwei Festzüge zur Luitpoldlinde vor dem Schulhaus (das heutige Rathaus). Dort wurde die Thronbesteigung von Ludwig III. in Wort- und Musikbeiträgen öffentlich gewürdigt.
„Nationales Geschrei“
Der Heimatdichter Franz Joseph Ahles aus Burkheim, der seine „Lieder des Sängers vom Cordigast“ dem neuen bayerischen König zur Thronbesteigung nach München geschickt hatte, mit der Bitte, „sie allerhuldvollst entgegenzunehmen“, erhielt am Jahresanfang 1914 vom „Königlichen Hofmeister-Stab“ 50 Mark als Dank und Anerkennung überreicht.
In den Weihnachtsfeiern der Vereine war manch „nationales Geschrei“ nicht zu überhören, wie es seitens der Sozialdemokraten und Gewerkschaften angeprangert wurde. Es war das letzte Weihnachtsfest im Frieden; die Gefahr eines möglichen Krieges wurde nicht ernst genommen.
Am zweiten Weihnachtsfeiertag hatte der Gesangverein „Lyra“ im „überfüllten Saal“ der Brauerei Leikeim eine Posse in drei Akten aufgeführt. „Die drei Fechtbrüder“ – so der Titel – „mit intimen Zwiegesprächen und Gesangseinlagen der Freundinnen“ hatte eine so große Resonanz erfahren, dass weitere Aufführungen im Januar und Februar „zur lustvollen Faschingszeit“ folgen sollten.