Prall sind die grün-gelben Knospen an dem Forsythienstrauch im Garten von Edgar Schmidt in Fesselsdorf an diesem Tag Ende März. „Morgen werden sie sich wohl öffnen“, sagt er. Nicht nur die Freude über das Erwachen der Natur nach der Winterpause spiegelt sich in den Worten des 74-Jährigen. Die Forsythienblüte ist in der Wetterbeobachtung ein wichtiges Merkmal für den Beginn des sogenannten Erstfrühlings. Als phänologischer Beobachter für den Deutschen Wetterdienst notiert Edgar Schmidt die Entwicklungsstadien von 47 unterschiedlichen Pflanzen rund um Fesselsdorf.
Seit 40 Jahren macht Edgar Schmidt ehrenamtlich seine Beobachtungen für den Wetterdienst. Dafür wurde ihm jüngst von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland verliehen, wie berichtet.
Im Frühling hat er viel zu tun
Im Frühling, wenn die Natur erwacht, hat Schmidt viel zu tun. Fast täglich ist er unterwegs, um die Entwicklung von Wild- und Kulturpflanzen zu beobachten. Für Allergiker, die unter dem vermehrten Pollenflug leiden, sind seine Sofortmeldungen wichtig. Das beginnt mit der Haselblüte, die in Fesselsdorf Mitte Februar einsetzt, berichtet Schmidt. Dann beginnt für die Meteorologen der sogenannte Vorfrühling, denn Wetterkundler zählen nicht vier, sondern zehn Jahreszeiten. Die Forsythienblüte läutet den Erstfrühling ein und die Apfelblüte den Vollfrühling. Auch Sommer und Herbst sind in drei Phasen unterteilt, bis mit dem Blattfall der Stiel-Eiche im November der Winter beginnt.

Wichtig sind Edgar Schmidts Sofortmeldungen auch für Landwirte, die aufgrund seiner Daten über die Entwicklung der Kulturpflanzen gezielt düngen, Schädlingsbekämpfungsmittel einsetzen oder die Ernte planen können. Das spart nicht nur Kosten, sondern dient auch dem Naturschutz, weiß Edgar Schmidt.
Bei jedem Wetter unterwegs
Aufgewachsen auf dem landwirtschaftlichen Betrieb der Familie und später beruflich beim Landwirtschaftsamt in Kulmbach tätig, weiß Edgar Schmidt um diese Zusammenhänge. Daher hat er sich 1984 auch auf einen Aufruf der Stadt hin als phänologischer Beobachter gemeldet. Seitdem unternimmt er regelmäßig seine Beobachtungsgänge.
Je nach Jahreszeit ist er zwischen 30 und 45 Minuten unterwegs – und das bei jedem Wetter. „Die Nachbarn denken wahrscheinlich, der hat viel Zeit, spazierenzugehen“, scherzt er. Denn bis zu seiner Auszeichnung beim Ehrenamtsabend der Stadt wussten viele nichts von seinem Engagement. Gerne begleitet ihn seine Frau Anita bei seinen Rundgängen. Nur, wenn er mal vergisst, das Smartphone mitzunehmen, übt sie auch mal Kritik.
Für den Naturliebhaber sind seine Beobachtungsgänge keine Belastung, sondern eine Bereicherung. Schließlich kann er unterwegs seine Gedanken schweifen lassen und entdeckt immer wieder Neues – seien es Pflanzen oder Tiere.
„Außerdem halte ich mich durchs Spazieren fit“, betont er. Und es gibt ihm ein gutes Gefühl, mit seinen Beobachtungen anderen Menschen helfen zu können.
Hatte er anfangs noch ein Bestimmungsbuch dabei, kennt er inzwischen alle Pflanzenarten, die er erfassen muss. Und wieder zuhause gibt er die gesammelten Daten in Erfassungsbögen oder Computer-Dateien ein, die er entweder als Sofortmeldung gleich an den Wetterdienst sendet oder als Jahresmeldung bis 15. Dezember abschickt.
Neben Wildpflanzen beobachtet Schmidt die Entwicklung von landwirtschaftlichen Kulturpflanzen und von Obstbäumen und Sträuchern. „Nur für Weinreben ist das Klima auf dem Jura zu rau“, erklärt er. Gerade im Frühling ist die Vegetation manchmal sehr schnell, so blühte der Huflattich heuer innerhalb eines Tages, die Erlen standen innerhalb von zwei Tagen in voller Blüte.

Viele Obstsorten kann er in seinem Garten beobachten und von seinem Anwesen am Rand von Fesselsdorf ist er gleich beim ersten Acker, wo ein Landwirt vor kurzem Sommergerste ausgesät hat. In den nächsten Wochen wird er hier öfter vorbeigehen, um zu schauen, wann sie keimt. Bei manchen Sorten fragt er die Landwirte, wo sie gesät haben. Wintergerste etwa werde kaum noch angebaut, da keiner der Landwirte in Fesselsdorf mehr Tiere hält und das Futtergetreide somit kaum noch benötigt wird. Dafür nehme die Zahl der Maisfelder zu.
Klimawandel wirkt sich aus
Deutlich wird anhand der Daten, die Edgar Schmidt in den vergangenen vier Jahrzehnten gesammelt hat, dass der Klimawandel sich auch auf der nördlichen Frankenalb bemerkbar macht und die Winter immer kürzer werden. Blühte die Hasel in den Jahren von 1961 bis 1990 in der Regel Mitte März, so war es in jüngster Zeit meist bereits um den 23. Februar. Die Apfelblüte hat sich vom 10. Mai auf den 29. April verschoben und die Lindenblüte (Hochsommer) vom 1. Juli auf den 20. Juni. Auch Abweichungen wie die schlechte Apfelernte aufgrund der Spätfröste im April vergangenen Jahres oder die Auswirkungen der Trockenheit notiert Schmidt.
Wie viele Kilometer er in den vergangen vier Jahrzehnten bei seinen Beobachtungen zurückgelegt hat, wisse er nicht, sagt er bescheiden. Der Wetterdienst hat festgestellt, dass er insgesamt 5156 Beobachtungsdaten notiert und als phänologischer Sofortmelder weitere 1050 Daten gemeldet hat. Und das sollen nicht die letzten sein. Denn so lange es die Gesundheit zulasse, wolle er weitermachen, betont Schmidt. Landwirte und Allergiker werden es ihm danken.