Wenn Konditormeister Franz Besold in die Bütt auf dem Weismainer Marktplatz steigt, wird die fröhliche Menge still und lauscht. Seine Büttenrede ist alljährlich der krönende Abschluss des Gaudiwurms durch Kaulhaazia. Den Narrenspiegel hielt er als Weismainer Till am Sonntag nicht nur den Weismainern, sondern dem ganzen Landkreis, kleinen und großen Politikern vor. Mit spitzer Zunge, klangvollen Reimen und zündenden Pointen glossierte er so manche Narretei. Dabei vergaß mancher sogar den Regen.
Sei es die Freigabe von Cannabis, das es wohl bald als Pflänzchen beim Gärtner Kunstmann zu kaufen gäbe und mit dem man sich sogar den mickrigen Christbaum auf dem Marktplatz schön rauchen könne oder die „Gummistiefel-Spottallee“ in der Giechkröttendorfer Straße.
„Fehlt uns doch überall der Zaster, die Straßen sind zum Haare raufen, muss man dann, Herr Borchermaster, sich noch solche Schlösser kaufen?“
Der Till über den Kauf des Obendorfer-Geländes
Wegen der Holperpiste rät er auswärtigen Wanderern, den Kordigast über Altenkunstadt anzusteuern. Ob die Fotobox für Passbilder im Rathaus wohl deshalb aufgestellt wurde, weil die Verantwortlichen sich verhört hätten und Photovoltaik meinten, wundert er sich. Und stellt mit Blick auf Bürgermeister Michael Zapf fest: „Wer's verzapft hat, das weiß keiner.“ „Wer zahlt denn die Gewerbesteuer, die Fotobox wohl sicher nicht“, fragt der Till nach den Folgen für den Optiker Schneider, der seit Jahren Passbilder fertigt. Bei dem könnten die Verantwortlichen sich jetzt wenigstens ein Hörgerät kaufen, damit nicht noch mehr danebengehe.
Weismain drohe der Pleitegeier, spätestens wenn die Kosten der Insolvenz des Klinik-Verbunds Regiomed über die Kreisumlage auf die Kommunen umgelegt werden, befürchtet der Narr. Und in Weismain seien die Hausärzte so rar, dass man hoffen dürfe, von seiner Katze zum Tierarzt mitgenommen zu werden. Einen Trost gebe es dennoch: „Nimmt dich der Doktor leider nimmer, der Bestatter nimmt dich immer.“
„Fehlt uns doch überall der Zaster, die Straßen sind zum Haare raufen, muss man dann, Herr Borchermaster, sich noch solche Schlösser kaufen?“, fragt der Till angesichts des Kaufs des Obendorfer-Geländes. Und vermutet: „wahrscheinlich nur, denk ich mir schlicht, damit's der Mäura halt net kriecht.“ Ein Investor werde sich wohl bis zum Sankt Nimmerleinstag nicht finden. Wie beim Biese-Haus, das seit Ewigkeiten abgerissen werden solle, um Parkplätze zu schaffen.
Ein Denkmal für die Städteplaner sei der Hutzelbrunnen: „doch nun entstand mit sehr viel Zaster eine schmale Straß', dafür viel Pflaster und Pflanzecken sowieso – das perfekte Hundeklo.“ Die Von-Rudhardts-Gasse sei nach der Sanierung Weismains Schlossallee, jetzt brauche die Stadt nur noch einen Käufer für das ebenfalls von ihr erworbene Badehaus. Der könnte dort einen Wellnesstempel einrichten.
Der neue „Pfarrer Montag, der am Samstag die Kirch fürn Sonntag hält“ bekommt ebenso sein Fett ab wie die Naturschützer, die dafür sorgten, dass im Kleinziegenfelder Tal kaum noch ein Baum stehe („sag mir, wo die Bäume sind, Biber fällen sie geschwind“) und hartnäckig den Bau eines Radwegs verhinderten.
Eine Lanze für die Demokratie
Auch mit großer Politik rechnet der Till ab: „Im Kanzleramt wünscht man sich nur: Hoffentlich kommt bald die Müllabfuhr, dann kämen sie raus, gleich um die Ecke, die grüne Tonne und die gelben Säcke. Dafür seh ich schwarz.“ Doch trotz aller Probleme und Unzufriedenheit gelte: „wir wollen ganz entschieden niemals mehr dorthin zurück, zurück zu all dem braunen Mist, mit Heilsbringer und Rattenfänger.“ Er appelliert, „für Einigkeit und Recht und Freiheit, für Frieden und für Toleranz“ einzutreten und „gegen rechts stets aufzustehen.“ Denn er sei stolz, in einem Land zu leben, wo nicht nur der Narr seine kritische Stimme erheben darf.