Volkssagen führen auf eine Reise in die Vergangenheit der Kulturlandschaft am Obermain. Mit ihnen entdecken wir spannende Geschichten zu Felsen, Burgruinen, Mühlen und anderen geheimnisvollen Orten. So birgt die unscheinbare Burgruine Niesten bei Weismain oberhalb des Juradorfes die Reste einer einst bedeutenden Burg. 1248 starb der letzte Herzog von Andechs-Meranien hier. In unzähligen Geschichten wurde bis ins 20. Jahrhundert über seinen frühen Tod spekuliert.
Wir können sie im Buch „Sagen und Legenden des Lichtenfelser Landes“ lesen. In einer dieser Geschichten erfahren wir, warum es Sternenblumen bei Niesten gibt.
Der Sternenmantel der Herzogin
Von der mildtätigen Herzogin Kunilinde auf der Niestener Burg wird erzählt, dass sie in Weismain und den umliegenden Orten die Armen und Kranken besuchte und ihnen milde Gaben spendete. Einmal kehrte sie in der Abenddämmerung zur Burg zurück. Noch hatte sie den Berg nicht erreicht, als ein heftiges Gewitter heraufzog. Schnell eilte die Herzogin den Fußweg hinauf. Mit ihrem mit Sternen verzierten Mantel blieb sie immer wieder an den Büschen hängen. Als sie die Burg erreichte, fehlten an ihrem Mantel all die goldenen und silbernen Sterne. Am nächsten Morgen ging der Diener hinab und suchte die Sterne. Nirgends war ein einziges Sternlein zu finden. Stattdessen blühte eine Menge gelber und weißer Sternblumen unter den Büschen. Die abgerissenen Sternlein blühen seitdem am Niestner Burgberg.
Die Geschichte vom Sternenmantel wird jetzt noch von der Gruppe „Zeitreise“ bei ihren historischen Stadtführungen in Weismain lebendig erzählt. Andere Geschichten, die sich um die Burg Niesten ranken, erzählen vom Zauberbuch des Herzogs oder vom Weg der drei Jungfrauen von der Burg Niesten zum Schloss nach Maineck.
Geschichtsträchtige Burg
Das abseits gelegene 40-Seelen-Dorf Niesten liegt nahe eines geschichtsträchtigen Ortes. Von unten ist mit einigen Felsen der Burgberg zu erkennen, auf dem im Mittelalter die Niestener Burg stand. Die Burg Niesten – einst „Nienstein“ genannt – wird erstmals 1128 erwähnt. Aufgrund ihrer geografisch bedeutenden Lage an der damals wichtigen Landstraße Bamberg–Scheßlitz–Weismain dürfte die Burg eine bedeutende Schutzfunktion beim Landesausbau in dieser Region durch die Markgrafen von Schweinfurt gehabt haben. Sie befand sich danach im Besitz des Bamberger Bischofs, der sie 1142 zu Lehen ausgab. Sie wurde 1189 vom Herzog Berthold von Andechs-Meranien belehnt. Der letzte Herzog von Meranien aus dem Andechser Haus war Graf Otto VIII. Als Otto II. von Andechs-Meranien starb am 19. Juni 1248 kinderlos auf der Niestener Burg. Gerüchte sagten, der erst 30-Jährige sei von seinem Hofmeister ermordet worden. Herzog Otto wurde in der Langheimer Klosterkirche beigesetzt.
Abbruch wegen Baufälligkeit
Seit dem späten 14. Jahrhundert verwalteten Bamberger Beamte von der Burganlage aus das Amt Niesten. Wegen der zunehmenden Baufälligkeit der Burg zog der Amtmann 1710 in das Jüngere Neydeckerhaus am Weismainer Marktplatz um. Mitte des 18. Jahrhunderts kam es zu ersten Abbrüchen, teils durch die Obrigkeit, teils durch Bewohner der umliegenden Dörfer. Steine der Burg wurden weiter verbaut, etwa beim Bau im Weismainer Kastenhof, der Mühlen in Niesten und Krassach sowie der Kreuzkapelle in Weismain. 1872 riss die Gemeinde Niesten als Eigentümerin der Ruine auch den Stumpf des Bergfrieds nieder, der noch auf einem Stich aus dem 19. Jahrhundert zu sehen ist. Nur noch bescheidene Mauerreste sind erhalten. Auf dem Plateau des Burgbergs informiert eine Bronzetafel über die ehemalige Burganlage.
Schaurige Geschichten
Burgensagen gibt es viele im deutschsprachigen Raum. Oft war der Bevölkerung die nahe gelegene verlassene Burg oder Burgruine unheimlich. Keiner wollte sie betreten; Kinder hielt man von dem Besuch mit schreckhaften Geschichten ab. Geschichten von Geistern und Rittern ohne Kopf wurden gern am Abend bei Kerzenlicht erzählt. Die schöne Geschichte von den Sternenblumen erzählte man gern bei Sonnenschein. Wir erzählen sie noch heute.