Deutschland und Burma (Myanmar) – räumlich trennen die beiden Länder rund 8000 Kilometer. Vom medizinischen Standard her gesehen sind es Welten. Bernd Voigt steigt in den Flieger. Der Bad Staffelsteiner Physiotherapeut tut es aber nicht, um in den drei Wochen seines Aufenthalts dort Urlaub zu machen. Er hilft. Wie jedes Jahr seit 2002. „Freunde für Asien“ heißt die private Hilfsorganisation, welche sich der Nöte kranker Burmesen im Gebiet der Karen annimmt, die von einem Gesundheitssystem wie dem unseren nicht einmal zu träumen wagen.
Fast ein halbes Jahrhundert, von 1962 bis 2011, schwelte im Gebiet der Karen, einem Landstrich entlang der burmesisch-thailändischen Grenze, ein Bürgerkrieg. Zwar ist dort seit Ende der Militärherrschaft ein allmählicher Demokratisierungsprozess im Gange. Diejenigen, die unter einer Augenerkrankung, Schwerhörigkeit oder sonstigen körperlichen Gebrechen leiden, hilft das aktuell noch nicht. Kostspielige Augenoperationen oder andere hilfreiche medizinische Maßnahmen, das können sich in Burma nur Angehörige der Oberschicht leisten. Solidarische Krankenversicherung wie bei uns? In Burma ein Fremdwort!
Weil er über den deutschen Tellerrand hinausblickte, rief der Allgemeinmediziner Dr. Wolfgang Hasselkus aus Rödental 1987 die Organisation „Freunde für Asien“ ins Leben, eignete sich die tropische Augenheilkunde an und veranstaltet alljährlich „Augen-Camps“ im Hospital im Dorf Kou Kou. Menschen wie Khing Sun Mow, die aufgrund einer schweren Augenentzündung erblindete und dank des operativen Eingriffs von Dr. Hasselkuss wieder Formen und Farben erkennen kann, schöpfen neuen Lebensmut.
Auch andere Leiden der Menschen von Schwerhörigkeit bis zur Rehabilitation nach Verletzungen oder Erkrankungen des Bewegungsapparates werden vom deutschen Team behandelt. Im Laufe der Jahre fand Hasselkuss Mitstreiter, die jährlich mit ihm nach Kou Kou reisen, um die Not zu lindern: Jochen Dickmann, der eine Optikerwerkstatt mit aufbaute und Brillenanpassungen vornimmt, der Rödentaler Zahnarzt Dr. Elmar Palauneck – und eben Bernd Voigt. Dr. Hasselkus war froh, als der in Bad Staffelstein praktizierende Physiotherapeut sich vor zwölf Jahren bereit erklärte, an der guten Sache mitzuwirken. Auch in diesem Jahr opferte Voigt wieder drei Wochen seiner Zeit, um sein Know-How einzubringen.
„Wer mobil bleibt, hat mehr vom Leben“, heißt es nicht umsonst. So kommt der Physiotherapie bei Menschen, deren Gehör oder Sehsinn eingeschränkt oder vollkommen abhanden gekommen ist, eine wichtige Aufgabe zu. „Erlittene Blindheit beispielsweise macht sich in nachlassender Koordinationsfähigkeit und Unsicherheit beim Laufen bemerkbar“, so Voigt, der „mit Techniken und Tricks aus der Reha-Kiste“ betroffene Burmesen wörtlich wieder „zurück ins Leben führt“.
„Erlittene Blindheit macht sich in nachlassender Koordinationsfähigkeit und Unsicherheit beim Laufen bemerkbar.“
Lange Warteschlangen bilden sich im einfach, aber zweckmäßig eingerichteten Hospital in Koukou. Die Not dort macht vor keinem Halt, auch Kinder sind betroffen. Bernd Voigt und seine Mitstreiter sind vollkommen ehrenamtlich tätig, nur deshalb ist die Behandlung für die burmesischen Patienten kostenlos. Weil sie mit ihren Handicaps und Gebrechen von der Gesellschaft oft isoliert sind und diese medizinischen Camps von „Freunde für Asien“ als einzige Hoffnung sehen, Heilung oder zumindest Linderung zu erfahren und dadurch ins soziale Miteinander zurückzukehren, nehmen die Leidenden beschwerliche Anreisen auf sich.
„Wenn wir Patienten fragen, woher sie kommen, heißt die Antwort oft lapidar ,far away’ – weit weg“, berichtet Voigt. Und das ist wirklich nicht übertrieben, wie seine Erfahrungen deutlich machen: „Manche Patienten waren drei, vier Tage unterwegs – auf Ochsenkarren oder, wenn sie Glück hatten, auf der Ladefläche eines Pickups“. Per Mundpropaganda, Walkie-Talkie und auf vielerlei sonstige Art und Weise hatte sich die frohe Kunde vom baldigen Eintreffen des „Freunde-für-Asien“-Teams auch diesmal wieder bis in die abgelegenen Hütten der Dschungelbewohner verbreitet.
Seinen Aufenthalt im Burma im Rahmen seines Engagements für „Freunde für Asien“, vom 18. November bis 10. Dezember zusammen mit dem übrigen Einsatzteam verknüpft Voigt mit vielen tief emotionalen menschlichen Begegnungen und Schicksalen. In der Erinnerung haften blieb ihm etwa ein hundertjähriger Patient. Es mag kurios klingen, aber auch ein solcher kann sich wie neugeboren fühlen. Dies war eindrucksvoll zu beobachten, als der Greis, nachdem er viele Jahre teilnahmslos im Rollstuhl saß, durch altersgerechtes und behutsames Bewegungstraining zusammen mit Physiotherapeut Voigt wieder auf eigenen Beinen stand. Die Umstehenden trauten ihren Augen kaum, als sich der Hundertjährige, freilich mit absicherndem Einhaken, stolz aus dem Rollstuhl erhob. Mit der entsprechenden Reha-Nachbehandlung vor Ort wird er in Begleitung wohl sogar wieder kurze Strecken gehen können. Das alles wirkt sich positiv auf seinen Gesundheitszustand aus.
Bernd Voigt wird es jetzt noch warm ums Herz, wenn er daran denkt, wie der Senior ihm dankbar die Hand drückte. „Wir erleben hier in Kou Kou immer wieder solche bewegenden Momente, die sich nicht mit Worten beschreiben lassen und die wir als Bestätigung für unsere Anstrengungen empfinden“, so Voigt, der schmunzelnd ergänzt: „Der Hundertjährige hat mich übrigens immer Buddha genannt.“ Den nun auch wieder ein Stück lebensfroheren Greis schloss der sportliche Physiotherapeut, der Vorsitzender der Ju-Jutsu-Abteilung des TSV Staffelstein ist, sofort ins Herz – genauso wie viele anderen Patienten, ja die Burmesen generell. „Viele sind zwar arm, aber sie begegnen uns mit ausgesprochener Freundlichkeit. Der Abschied, wenn wir wieder nach Deutschland zurückreisen müssen, fällt deshalb schon immer ein wenig schwer.“
„Manche Patienten waren drei, vier Tage unterwegs – auf Ochsenkarren oder, wenn sie Glück hatten, auf der Ladefläche eines Pickups.“
Bernd Voigt
Denn das „Freunde-für-Asien“-Team kann immer nur ein paar Wochen bleiben. Deshalb kommt neben der akuten medizinischen und therapeutischen Behandlung auch der Schulung des einheimischen burmesischen Personals eine wichtige Rolle zu. Bernd Voigt lehrt Physiotherapie, Jochen Dickmann Augenheilkunde, Dr. Hasselkus klinische Medizin und Dr. Palauneck Zahnmedizin. So werden allmählich einfache, aber wirksame Strukturen aufgebaut. Hilfe zur Selbsthilfe par excellence. So zeigt Bernd Voigt den Angehörigen der Patienten Übungen und Maßnahmen, wie sie die in ihrer Mobilität Eingeschränkten bei der Rehabilitation im Alltag unterstützen und begleiten können.
Tagsüber Behandlungen, abends theoretische Schulungen, da verwundert es nicht, dass Bernd Voigt und all die anderen in ihren Quartieren in Burma nachts wie Murmeltiere schlafen, auch wenn das Thermometer hier selbst im Winter kaum unter die 20-Grad-Marke sinkt. Doch die Strapazen sind es wert angesichts der tiefen Dankbarkeit der Männer und Frauen, denen geholfen werden konnte. Erschöpfung, aber gleichermaßen ein tiefes Glücksgefühl spiegelt sich in den Augen von Bernd Voigt, als dieser nach drei Wochen in den Flieger gen Heimat steigt.
Es geht weiter. Auch im kommenden Jahr reist das deutsche Team wieder nach Kou Kou. Die Warteschlangen werden auch dann nicht kürzer sein. Zugleich sind die „Freunde für Asien“ bestrebt, notwendige und hilfreiche weitere Projekte zu realisieren. „Im November 2014 ist vor unserem Aufenthalt in Kou Kou ein einwöchiges Augen-Camp in der Region am Irrawaddy-Flussdelta geplant“, lässt Bernd Voigt wissen. Hintergrund hierfür ist die schreckliche Not, die der verheerende Tropensturm „Nargis“ im Jahr 2008 dort hinterließ. Die Auswirkungen des Zyklons, der über 80 000 Todesopfer forderte und weite Landstriche regelrecht verwüstete, sind heute noch allgegenwärtig. „Es gibt noch keine konkreten Details, aber ich freue mich schon drauf“, lächelt Bernd Voigt. Freude schenken macht auch selbst glücklich und lässt in diesem Falle die deutsche Realität in einem neuen Licht erscheinen. In Burma kann man über die deutschen Probleme nur lachen. Vielen Burmesen ist aber längst nicht mehr zum Lachen zumute, weil sie sich mit ihrem Leiden in einem tiefen schwarzen Tunnel befinden. Nun fallen aber Lichtstrahlen hinein, dank „Freunde für Asien“, und viele Menschen aus dem Volke der Karen haben bereits wieder aus dem schwarzen Tunnel herausgefunden.
Ihre Flugtickets nach Birma zahlen die ehrenamtlich wirkenden deutschen Helfer übrigens aus eigener Tasche, nur so kann gewährleistet werden, dass die Behandlung für die burmesische Bevölkerung kostenlos ist. Material, Geräte und die Fortführung beziehungsweise Intensivierung bestehender Projekte gibt es aber nicht zum Nulltarif.
Der „Verein Freunde für Asien“ e.V. freut sich daher über jede finanzielle Unterstützung auf das Konto 781 088 bei der Sparkasse Coburg-Lichtenfels (BLZ 783 500 00) oder aufs Konto 4 534 034 bei der VR Bank Coburg (BLZ 783 600 00). Eine Übersicht über Projekte, Kontaktmöglichkeit und Fotos finden sich auf der Homepage www.freunde-fuer-asien.jimdo.com.