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BAD STAFFELSTEIN: „Bechterews brauchen Bewegung“

BAD STAFFELSTEIN

„Bechterews brauchen Bewegung“

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    Mit spezieller Gymnastik gegen einen vornübergebeugten Rücken: Physiotherapeutin Madelaine Ziegmann zeigt die Übungen, die „Bechterewler“ turnen sie nach. Achim Spörl (2. v. li.) ist der neue Gruppensprecher. Er hat das Amt von Horst Schwendner (3. v. li.) übernommen.
    Mit spezieller Gymnastik gegen einen vornübergebeugten Rücken: Physiotherapeutin Madelaine Ziegmann zeigt die Übungen, die „Bechterewler“ turnen sie nach. Achim Spörl (2. v. li.) ist der neue Gruppensprecher. Er hat das Amt von Horst Schwendner (3. v. li.) übernommen. Foto: Birgid Röder

    Horst Schwendner ist begeisterter Sportler. 1987 läuft er beim Berlinmarathon mit. Dann erhält er die Diagnose: Er leidet an „Morbus Bechterew“, einer chronischen entzündlichen Krankheit, die oft mit der Versteifung der Wirbelsäule endet. Marathon ist für den damals 40-Jährigen vorbei, aber Gymnastik, Nordic Walking und Wandern stehen seitdem umso mehr in seinem Wochenplan. Für ihn zählen die drei Bs: Bechterews brauchen Bewegung.

    Seit 25 Jahren trifft sich die Bechterew-Ortsgruppe, die Schwendner ins Leben gerufen hat, und trainiert donnerstags gemeinsam in der Obermain Therme, Trocken- und Wassergymnastik im Wechsel, angeleitet von einer Physiotherapeutin. „Wir zahlen 50 Euro Gymnastikgeld im Jahr in die Gruppenkasse, um die Fachkraft zu finanzieren“, sagt Schwendner. Vier qualifizierte Therapeutinnen im Wechsel kümmern sich um die Bechterews. Eine davon ist Madeleine Ziegmann, ihre Mutter war die „Gründungstherapeutin“. Die 27-jährige Madeleine kennt die „Bechtis“ schon von klein auf. Sie drückt auf den Knopf des Radios, rhythmische Musik erklingt, die Gruppe beginnt mit dem Aufwärmen, dann folgen die krankheitsspezifischen Übungen. „Ohne Muskelkater kommt hier keiner raus“, sagt Schwendner und lacht.

    Ein lustiger Haufen sind sie, treffen sich nicht, um über die Krankheit zu reden, zumindest nicht in erster Linie. Sie sitzen nach der Gymnastik noch zusammen und tauschen sich aus. Horst Schwendner hat kürzlich seine Funktion als Gruppensprecher nach 25 Jahren an Achim Spörl übergeben. Spörl weiß seit 15 Jahren, dass die Ursache seiner Rückenschmerzen Bechterew ist. „Mit 20 reibt man sich den Rücken ein mit Mobilat und denkt nicht mehr daran, wenn die Schmerzen nach einigen Tagen weg sind. Rückblickend erkennt man die Zeichen“, erinnert sich der 42-Jährige. Schwendner berichtet Ähnliches. Ein steifer Hals im Urlaub wurde auf die Matratze oder einen kalten Luftzug geschoben. Doch die Ursache war diese besondere Art einer Rheumaerkrankung.

    Oft dauert es sechs bis neun Jahre, bis die richtige Diagnose gestellt wird, eine verlorene Zeit. Die Betroffenen erkranken meist, wenn sie zwischen 20 und 30 Jahre alt sind. Je eher sie die Erklärung für ihre Beschwerden haben, umso besser. Die Entzündungen, die die Schmerzen auslösen, können medikamentös behandelt werden. Soviel wie nötig und so wenig wie möglich, empfiehlt Schwendner. Und der Betroffene kann für sich selbst etwas tun, er kann sich so oft wie möglich bewegen. „In den Schmerz hinein, damit die Wirbelsäule aufrecht bleibt“, erläutert Schwendner das Ziel. Eine kräftige Rückenmuskulatur ist das A und O.

    „Patient ist ausgebrannt“

    „Der hat einen Buckel vom Arbeiten“, hieß es früher, wenn ein alter Mann nur noch vornübergebeugt laufen konnte. Der krumme Rücken war oft die Folge von nicht diagnostiziertem Morbus Bechterew. Irgendwann ist die Wirbelsäule versteift, dann gibt es keine neuen Entzündungsschübe mehr, der Patient ist „ausgebrannt“. Schwendner beschreibt sein Rückgrat: Es sehe aus wie ein Bambusstab, völlig verknöchert, immerhin aufrecht. Seinem Humor tut das keinen Abbruch.

    „Morbus Bechterew ist bis heute nicht heilbar, aber der Verlauf ist zu beeinflussen“, unterstreicht Gruppensprecher Spörl. Er hat die richtige Diagnose erfreulich schnell erhalten, der Weg ist: erst zum Hausarzt, dann zum Orthopäden, schließlich zum Rheumatologen. Dieser habe ihn auf die Selbsthilfegruppe hingewiesen. „Sie waren alle älter als ich, Vorbilder, weil sie zeigten: trotz Bechterew kann die Lebensqualität bleiben“, so Spörl. Eine gute Medikation und Engagement, was die Bewegung betrifft, vorausgesetzt. Auch wenn kein Krankheitsverlauf wie der andere ist. In seltenen Fällen schlägt Morbus Bechterew sogar auf Gelenke, innere Organe oder die Augen.

    Alltag mit Einschränkungen

    Nach vielen Jahrzehnten Leben mit Bechterew gibt es bei Horst Schwendner im Alltag schon Einschränkungen. „Glühbirnen dreh ich nicht mehr ein.“ Er kann den Kopf nicht mehr nach oben heben. Doch er läuft heute noch an einem Tag von Bad Staffelstein bis Gößweinstein, immerhin fast 60 Kilometer. Auch wenn das Schuhe binden schwer fällt. „Jeder Bechterewler hat einen langen Schuhlöffel“, verrät Achim Spörl und schmunzelt. Auch wenn?s immer wieder zwickt, Mitleid wollen sie nicht.

    Der neue Gruppensprecher wird sich jetzt in Seminaren des Dachverbands „Deutsche Vereinigung Morbus Bechterew“ (DVMB) weiterbilden, wie sein Vorgänger, der sogar jahrelang im Landesverband als Beirat tätig war. Und er möchte gerne neben der regelmäßigen Gymnastikstunde noch zwei, drei zusätzliche Angebote jährlich etablieren. „Das Gesellige ist für uns ganz wichtig.“

    Betroffene sind in der Selbsthilfegruppe, die 30 Mitglieder von Zapfendorf bis Burgkunstadt umfasst, willkommen.

    Kontakt und Information:

    Achim Spörl, Tel: 0951 / 30179276

    E-Mail: bad-staffelstein@dvmb-by.de ;Horst Schwendner, Tel.: 09571/5776. Die Teilnahme an den Gymnastikstunden ist für Bechterew-Patienten jederzeit möglich.

    Morbus Bechterew

    Die Krankheitsbezeichnung „Bechterew“ geht auf den russischen Neurologen Wladimir Bechterew zurück, der sich vor über hundert Jahren eingehend mit der Erkrankung befasste. Sie gehört zur Gruppe der Spondylo-Arthritiden, also Erkrankungen des Achsenskeletts. Die Bechterew-Krankheit befällt besonders Knochen und Gelenke. Durch Umbauprozesse kommt es zur Zerstörung von Knochengewebe, gleichzeitig aber auch zur Neubildung von Knochenanhängseln, die oft die Beweglichkeit stören. Längerfristig führt das zu einer Verknöcherung der vielen kleinen Gelenke und Bänder der Wirbelsäule und des Beckens, was schmerzhaft ist und die Beweglichkeit drastisch einschränkt. Früher dachte man, Männer seien dreimal so häufig betroffen wie Frauen. Heute weiß man, dass beide Geschlechter gleichermaßen betroffen sind. Infolge des meist viel milderen Verlaufs bei Frauen, zumindest was die Verknöcherung der Wirbelsäule betrifft, wird Morbus Bechterew bei Frauen jedoch seltener diagnostiziert. In Deutschland sind 0,5 bis 1 Prozent der Menschen betroffen. Die genauen Ursachen sind unbekannt. Bei Morbus Bechterew kommt es wohl zu einer Art Fehlfunktion des Immunsystems. Körpereigene Abwehrzellen lösen im Gewebe eine entzündliche Reaktion aus. Es gibt eine familiäre Veranlagung für Morbus Bechterew. Damit es zur Krankheit kommt, sind jedoch weitere Faktoren nötig.

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