Fest hält Natascha Wothke eine kleine, gefleckte Hündin im Arm. Ununterbrochen streichelt sie über das wuschelige Fell, während die Frau erzählt, dass sie das kleine Wesen in einer Tötungsstation in Rumänien gefunden hat. Verwahrlost. Ohne Futter und Wasser, gefangen in einem Käfig. Gekämpft habe„Florica“ bis zum Schluss - für sich selbst und ihre drei kleinen Welpen. Natascha Wothke konnte den kleinen Mischling retten - für die wehrlosen Welpen kam jedoch jede Hilfe zu spät. Die Geschichte der heute gesunden „Florica“ ist nur eines der grausamen Schicksale, das Natascha Wothke in ihrer Tätigkeit als Vorsitzende des Vereins „Pro Animale“ erleben musste.
Keimzelle Uetzing
Beginnen sollte alles, als Natascha und ihre Mutter Johanna Wothke vor über 30 Jahren von einem Tierversuchshändler in der Nähe ihrer Heimat Uetzing erfahren haben. Zehn Hunde waren es, die die tierlieben Frauen vor dem sicheren Tod gerettet und in ihrem Wohnhaus in Uetzing aufgenommen haben. Bald schon sollten zehn weitere Hunde folgen. Seitdem haben sie fast 1600 Vierbeinern in Uetzing Zuflucht geboten. Was mit der Tierliebe zweier Frauen in der „Keimzelle Uetzing“ begonnen hat, hat sich zu dem Tierschutzverein „Pro Animale“ entwickelt. International ist der gemeinnützige Verein in acht Ländern aktiv und nimmt in 19 Tierherbergen alle Tiere in Not auf.
Heute gleicht das ehemalige Privathaus der Wothkes in Uetzing einem Hundeparadies – in wohnungsähnlicher Umgebung leben die Tiere in Gruppen und genießen viel Auslauf. Ehrenamtliche Helfer und vier Tierpfleger päppeln die verwahrlosten Fellnasen aus ganz Europa auf. Ein Tierarzt impft und kastriert die Hunde.
„In vielen Ländern fangen Tierfänger streunende Tiere ein, um sie zu töten - warum gibt es da keine Kastrationen zur Beendigung des Wahnsinns?“, schimpft Martina Fechner. Pro Animale versucht, gegen Tötungsstationen vorzugehen und so viele Hunde wie möglich zu retten. Danach werden die Tiere nach Deutschland emigriert. Natürlich ist eine Vermittlung unerlässlich, um Platz für neue Vierbeiner zu schaffen.
„Es ist uns wichtig, dass die Hunde regelmäßigen Kontakt zum Menschen haben. Deswegen gehen wir auf Tuchfühlung, schmusen mit den Tieren und lernen sie so kennen. Unsere Hunde leben so einen natürlichen Tagesrhythmus und sind stubenrein.“ Dadurch sei es einfacher, die Tiere an neue Besitzer abzugeben.
„Früher haben sie rumänisch, polnisch oder spanisch gesprochen, heute sprechen alle Fellnasen deutsch“, lacht Irina, die als Hundepflegerin in der Keimzelle tätig ist. „Wir danken besonders den Uetzinger Dorfbewohnern für die Akzeptanz der Vierbeiner und unserer Dohlenkolonie.“, sagt Natascha Wothke. Es sei nicht leicht, Standorte für Tierstationen zu finden, ohne Anwohner zu belästigen.
„Es ist wirklich bemerkenswert, was Natascha Wothke für die Hunde in Not leistet.“
Martina Fechner, Ehrenamtliche Helferin
Ohne wenn und aber widmet sie ihr Leben Tieren in Not. „Es ist wirklich bemerkenswert, was Natascha Wothke für die Hunde in Not leistet“, erzählt Martina Fechner, ehrenamtliche Helferin. Die beiden Frauen sitzen in einem Hundezimmer in Nataschas ehemaligem Wohnhaus in Uetzing. Sie verteilen Streicheleinheiten an die sieben Hunde, besprechen Fütterung und Auslauf der Tiere. Plötzlich ertönt lautes Bellen und Gekeife aus dem Nebenzimmer. Natascha Wothke, die ruhige, nachdenkliche Frau springt plötzlich auf: Jetzt heißt es schnell handeln.
Knochenjob rund um die Uhr
„Meist sind die Vierbeiner zunächst sehr in sich gekehrt. Sie haben ja furchtbare Schicksale hinter sich. Sobald sie spüren, dass sie sicher sind, Futter bekommen und Zuneigung, werden sie kantiger und manche dominanter.“, erklärt Natascha Wothke später. Daher seien kleinere Machtkämpfe unter den Hunden möglich, die die Pfleger dann unterbinden müssten. Wie Lehrer seien die vier Pfleger, die innerhalb der Gruppen rund um die Uhr für soziale Gerechtigkeit sorgten. Ein Knochenjob, der ohne zusätzliche ehrenamtliche Hilfe nicht zu stemmen wäre.
Betrachtet man die freundlichen und zutraulichen Hunde, ist es kaum vorstellbar, dass diese Tiere aus widrigsten Bedingungen stammen. Ungefähr 45 finden in der Pension in Uetzing Zuflucht. Natascha Wothke kennt die Herkunft, den Namen und Charakter eines jeden Einzelnen. Florica ist einer von ihnen. Trotz vieler Lichtblicke im Kampf gegen Tiere in Not und einer Vielzahl an geretteten Vierbeinern wirkt die tierliebe Frau rastlos. Nachdenklich blickt sie in die Ferne: in Polen, Spanien oder Rumänien warten sie. Treue Fellnasen, denen Pro Animale ein besseres Leben versprochen hat.