Die Tuba ist eine Lebenseinstellung. Das sagt Rupert Motschenbacher, der das schwergewichtige Instrument seit vielen Jahren spielt. „Der Klang der Tuba weckt ein Gefühl, wie wenn die Sonne aufgeht“, schwärmt er. Und erzählt von der Krux, die jeder Tubist kennt: Auf dem Bassinstrument haben oft „ausrangierte“ Trompeter in der hinteren Reihe den Nachschlag gespielt, im Repertoire der Dorfkapellen war für die Tuba nicht viel zu holen. „Es klingt, als ob ein Schrank verrutscht“, dieses Vorurteil hat er schon oft zu hören bekommen.
Wenn er in seine Schatzkammer geht, steht neben dem Sousaphon das Euphonium, neben der wertvollen Tuba aus dem Hause Rudolf Meindl die etwas lädierte für die Wallfahrten und Umzüge, die auch einen Regenschauer aushält. Er greift zu der F-Tuba und beginnt zu spielen, elegant, gefühlvoll und melodisch. Damit belehrt er jeden Kritiker eines Besseren.
„Die Möglichkeiten auf der Tuba sind absolut grenzenlos, sie kann viel, viel mehr, als das, was ihr zugetraut wird.“
Rupert Motschenbacher
Rupert Motschenbacher begann seine musikalische Laufbahn mit zehn Jahren auf dem Klavier, mit elf wechselte er zur Posaune. Das Schlüsselerlebnis war, als er mit 20 Jahren in der Notenkammer der Ebensfelder Blasmusiker eine verbeulte Tuba entdeckte. Er nahm sie mit nach Hause und seitdem hat das Schwergewicht ihn nicht mehr losgelassen. Bei namhaften Lehrern, etwa Jens Björn Larsen (Professor für Tuba in Hannover), Josef Steinböck (Professor für Tuba in München und Salzburg), Heiko Triebener, Ruthard Göpfert, Oskar Schwab, Rainer Streit und Bernhard Hering hat der Maschinenbauingenieur gelernt, die Tuba aus ihrem Schattendasein zu holen und ihr die elegantesten Töne zu entlocken.
Und immer trägt er die Tuba behutsam im Arm, verzichtet auf einen Tragegurt, für den optimalen Klang, trotz der rund zehn Kilogramm Gewicht: „Die Tuba ist nicht für Festzüge gebaut“, gesteht er und lächelt. Bei Umzügen greift er daher zum Sousaphon, das sich leichter schultern lässt.
Der 34-Jährige ist verheiratet und lebt mit seiner Frau und zwei Katern mit den Namen Bronstein und Otto in einer ausgebauten Scheune in Prächting. Nach einem stressigen Arbeitstag greift er zur Tuba, der tiefe Klang gleicht aus, tut ihm einfach gut. Wenn er beruflich mehrere Tage unterwegs ist, so doch nie ohne sein Instrument. „Im Hotel benutze ich den Übungsdämpfer“, erklärt er. So kann er immer wieder schwierige Taktfolgen wiederholen, ohne die Zimmernachbarn zu nerven.
„Welttag“ am ersten Freitag im Mai
Die Tuba ist das tiefste Blechblasinstrument. Ähnlich gebaut wie eine Trompete ist sie nur viel größer. Alleine das Mundstück der Tuba ist so groß wie ein Eierbecher. Der amerikanische Musiker Joel Day rief den „Welttag der Tuba“ aus, der seit dem Jahr 1982 immer am ersten Freitag im Mai stattfindet. Laut Joel Day findet der Tubist nicht das Maß an Respekt und Anerkennung, das ihm zustehen würde. Die Tuba würde oftmals als unwichtig abgetan und als „imposantes“ Anhängsel angesehen.
„Tubisten sind ein eigenes Volk!“
Rupert Motschenbacher
Dabei ist die Tuba doch in jedem symphonischen Orchester vertreten, erklärt Motschenbacher. Außerdem seien Tubisten sehr gefragt. Auch wenn die Anschaffung eine ganz schöne Investition ist, eine gute Tuba kostet neu immerhin soviel wie ein Kleinwagen, sie mache sich aber bald bezahlt. Tubisten werden überhäuft mit Bitten um Aushilfe bei Blasorchestern und könnten jedes Wochenende musikalisch unterwegs sein.
„Tubisten sind ein eigenes Volk“, sagt Motschenbacher. Schon aus finanziellen Gründen sind sie keine „Instrumentenrotarier“, sie entscheiden sich für ihre Tuba und bleiben ihr treu. Er erzählt von der Brass-Band-Szene in England, die ihren Ursprung in den Kohleminen hat. „Vor 200 Jahren machten die Minenarbeiter die Erfahrung, dass das Spielen auf Blechblasinstrumenten gut für die Lunge ist.“ Jede Zeche hatte ihre Band, die Namen zeugen noch davon. Inzwischen sind die Brass-Bands organisiert wie die Bundesliga, die besten Spieler werden entsprechend hoch gehandelt.
Unglaublicher Effekt
Das Tubasola im „Böhmischen Traum“ kennt fast jeder. Rupert Motschenbachers Lieblingsstück ist jedoch ein ganz außergewöhnliches: „Fnugg“ von Oystein Baadsvik, es ist norwegisch und eigentlich nicht zu übersetzen. Das Stück zeichnet sich durch so genannte Multiphonics aus, das heißt, man bläst einen Ton und singt dazu noch einen anderen, ähnlich wie beim Didgeridoo. Es gibt einen unglaubliche Effekt. „Ich hatte das Glück, bei Oystein Baadsvik persönlich diese Technik zu erlernen. Die Möglichkeiten auf der Tuba sind absolut grenzenlos, sie kann viel, viel mehr, als das, was ihr zugetraut wird“, so Motschenbacher.
Er spielt Blasmusik in allen Variationen, traditionell, klassisch, böhmisch, kein Tag vergeht, ohne dass er die Tuba an die Lippen setzt. Er empfiehlt seinen Schülern, die Tuba daheim nie wegzupacken, so werde im Vorbeigehen schon die Lust geweckt, zum Instrument zu greifen und einige Takte zu üben.
Die jungen Tubisten seien sehr motivierte Schüler und wollen nicht nur für den Rhythmus verantwortlich sein. Für alle bietet das Deutsche Tubaforum Workshops an. Hier kann jeder, egal von welcher Blaskapelle er kommt, teilnehmen. In Hammelburg treffen sich bis zu 100 Tubisten, ein unglaublicher Anblick. Und weil die Tuba ein so genanntes Mangelinstrument ist, wird die Anschaffung vom Nordbayerischen Musikbund finanziell gefördert. „Wir bilden mit guten Lehrern Tubisten aus, die mehr können, als ihnen je abverlangt wird.“
Übrigens: Rupert Motschenbacher sitzt nicht nur als Tubist in unterschiedlichen Ensembles, etwa bei „Blech g'habt“, in der hinteren Reihe. Bei der Uetzinger Blasmusik steht er ganz vorne, denn er gibt als Dirigent den Takt an.