Holz ist seine Welt, er ist schon als Bub damit aufgewachsen. Und das vielseitige Naturmaterial hat ihn bis heute nicht losgelassen. Der Michelauer Robert Gagel, vielen noch als Lehrer der Adam-Riese-Schule bekannt, zeigt beim Altstadtfest das Holzschindelmachen – eine Kunst, die er sich autodidaktisch selbst beigebracht hat. Wenn er dieses uralte Handwerk vorführt, dass entgegen so mancher laienhafter Vermutung auch sehr viel Köpfchen erfordert, schwingt auch immer Respekt vor den Leistungen früherer Generationen mit.
Robert Gagel nutzt im Wald die Motorsäge, surft im Internet. Der 62-jährige ist alles andere als ein Hinterwäldler, sondern einfach fasziniert von alten Handwerkskünsten – und weiß in seiner menschlichen und fröhlichen Art Jung und Alt mit seiner Begeisterung anzustecken. Der Umgang mit Holz ist Robert Gagel vertraut. Wenn wundert's, bewirtschafteten die Gagels doch schon seit etlichen Generationen Forstgüter. „Bereits mein Urgroßvater hatte 99 Hektar Waldbesitz“, so Gagel, dessen eigener heutiger Waldbesitz vor allem am „Mönchsberg“ bei Schney angesiedelt ist.
Trotz des vererbten „Holz-Gens“, es brauchte schon eine gute Portion Eigeninitiative, bis der Michelauer sich die Fertigkeit des Holzschindelmachens soweit angeeignet hatte, dass er sie beim Bad Staffelsteiner Altstadtfest den Besuchern vorführen kann. „Vor vier Jahren hab ich damit begonnen. Ich hab mir Infos im Internet angelesen, das Bajuwarenmuseum in Hindelang mit seinem schönen Schindeldach besucht und mich mit Dachdeckern unterhalten, die von diesem alten Handwerk noch etwas verstehen. Tja, und dann hab ich?s halt selbst ausprobiert – und es hat funktioniert“, erinnert er sich.
„Das Holz muss astfrei sein, sonst wird die Schindel zur Plage“, nennt Gagel eine wichtige Regel. Bis ein Dach mit Holzschindeln eingedeckt ist, folgen noch etliche weitere Schritte. Zunächst wird der Holzstamm im Wald auf die vorgesehene Schindellänge abgesägt und dann in Vierteln gespalten. Anschließend entfernt Gagel das Splintholz, also das noch junge Holz im Außenbereich des Stammes, da dieses keine Dauerhaftigkeit aufweist und für den Außeneinsatz daher ungeeignet ist.
Spaltschindeln sind haltbarer
Dann kommt der urige Holzschlegel zum Einsatz, es beginnt das eigentliche Handwerk des Schindelmachens. Mit gezielten Schlägen spaltet Gagel auf dem Holzklotz die einzelnen Schindeln mit dem Schindelmesser ab. „Spaltschindeln sind haltbarer als gesägte Brettschindeln“, betont Gagel und erläutert warum: „Während bei der Brettschindel der Holzfaserverlauf zerstört wird, bleibt dieser bei der Spaltschindel erhalten.“ Dadurch kann bei Spaltschindeln das Wasser durch die Riefen abrinnen. Zwar sind Brettschindeln schneller und billiger herzustellen, aber da fehlen dann die Riefen, das Holz saugt sich in diesem Fall mit Wasser voll und fault schneller.
Anschließend als nächstem Arbeitsschritt geht es an den Schindelbock. Den hat Gagel von einem Landwirt bekommen und für seine Zwecke baulich angepasst. Er spannt das Werkstück ein und bearbeitet es mit einem scharfen Ziehmesser noch einmal nach. Zum Schluss wird noch die „Regennase“ geschnitzt, damit das Wasser am Schindeldach noch besser abläuft.
Und Gagel sprüht weiterhin vor Energie, bleibt auf dem Erreichten nicht stehen. „Ich möchte gern einmal in einem Museumsdorf ein Dach mit eindecken.“ Er zeigt eine Abbildung in einer Fachzeitschrift, die ein geschwungenes Dach mit Schindeln zeigt. „Das ist zwar noch schwieriger als bei geraden Dächern, aber das reizt mich auch noch als Aufgabe“, lächelt er.
Gagel zeigt an einem Demonstrationsobjekt das Annageln der Schindeln. Jede Schindelreihe bedeckt das Dach – hier sind drei Schindellagen notwendig – um weitere 12,5 Zentimeter. Von wegen einfach nur festklopfen – auch hier bedarf es Köpfchen. „Um die Wasserdichtheit des Daches zu gewährleisten, müssen sich die Schindeln nicht nur horizontal überdecken, sondern auch vertikal immer um zwei bis drei Zentimeter“, erklärt Gagel.
Fähigkeiten sind gefragt
Gerne nehme er sich Zeit für das Altstadtfest in Bad Staffelstein, betont er. Die handwerklichen Fähigkeiten des Michelauers sind gefragt. So schnitzt er derzeit auch einige urige Wanderstöcke für das Mitte August in Leipzig stattfindende Wikinger-Spektakel.
„Eine kleine Spielerei“, lacht Gagel, angesprochen, auf das selbst gefertigte Insektenhotel in seinem Garten, das er aus Jux mit Schindeln verziert hat. „Die ersten Zimmer sind auch schon bezogen“, lacht Gagel, ein Naturbursche wie aus dem Bilderbuch.
„Ich erweitere ständig mein Bewusstsein für das Alte“, meint Gagel und liefert einen weiteren Beleg dafür, dass dies nicht nur Lippenbekenntnisse sind, sondern dass er dies auch lebt. Über seinen Sohn, der den Beruf des Werkzeugmachers gelernt hat, fand der Michelauer auch Zugang zur Metallverarbeitung. Gagel hat zuhause auch eine „Primitivschmiede“, wie er es nennt. „Momentan behelfe ich mir mit einem Fön und kann nur Haken und ähnliches herstellen. Nun brauche ich noch eine alte Esse, dann könnte ich mit Blasebalg wie die Menschen früher arbeiten.“
Sehr beschäftigt
Durch seine Reisen zu Mittelaltermärkten in Deutschland, die Schindelmacherei, Waldarbeit und so manchen Termin ist Gagel sehr beschäftigte. Langeweile ist ein Fremdwort für ihn – und das läge dem agilen Michelauer auch gar nicht. Gleichzeitig ist er realistisch genug, um zu erkennen, dass sich Ziele wie das mit der Schmiede allein schon aus zeitlichen Gründen nicht alle von heute auf morgen umsetzen lassen. Doch da steht er drüber. Das was er tut, tut er mit Freude, und all die weiteren Pläne setzt er um, wenn es die Zeit hergibt. Gagel präsentiert sich als sehr ausgeglichener Mensch.
Auch Freundschaften sind entstanden durch die Beschäftigung mit dem alten Handwerk des Schindelmachens. Als ein Thüringer einmal spezielle selbst gefertigte Nägel benötigte, half der Michelauer gerne – und genauso unkompliziert funktioniert es auch andersherum. „Wie eine Art Tauschhandel“, lacht Gagel.
Einen besseren „Werbebotschafter“ für das Altstadtfest im Allgemeinen und das Schindelmacherhandwerk im speziellen kann man sich gar nicht vorstellen.