Im Verlauf seiner Forschung zur Ortsgeschichte von Unterzettlitz stieß der Heimatforscher Hubert Kolling immer wieder auf Rechnungsbelege eines Wasenmeisters Schönsteiner aus Eichelsee. Diese Gemeinderechnungen umfassten einen Zeitraum von gut 50 Jahren und weckten das Interesse des Heimatforschers.
Kürzlich referierte Kolling vor der Bad Staffelsteiner Ortsgruppe des Geschichtsvereins CHW im Stadtmuseum über seine Forschungsergebnisse zur Geschichte der „Einöde Eichelsee“, die von einer Wasenmeisterei über eine Schäferei bis zur heutigen Landmetzgerei reicht. Seine intensive Suche in verschiedenen Archiven, wie dem Staatsarchiv Bamberg, dem Stadtarchiv Bad Staffelstein, dem Gemeindearchiv Unterzettlitz und dem Bestand der Familie Strauß in Eichelsee, förderte mehr Material zu Tage, als der Referent erwartet hatte.
Im Schnittpunkt
Eichelsee liegt als sogenannter Einödhof im Schnittpunkt der Linien Pferdsfeld-Bad Staffelstein und Unterzettlitz-Horsdorf. Eine erste urkundlich belegte Erwähnung der Einöde Eichelsee fand Kolling in einem undatierten Nachtrag des Haus- und Grundsteuer-Kataster aus dem Jahr 1853. Demnach bestand Horsdorf aus 32 Anwesen, darunter auch die Hausnummer 32 „Eichelsee des Ehepaares Simon und Margarethe Schönsteiner“, die das Anwesen im Januar 1875 für 2100 Gulden von einem Dietrich Bachsteffel erwarb.
Der am 24. März 1879 in Eichelsee geborene Simon Schönsteiner war der Sohn des aus der Oberpfalz übergesiedelten Wasenmeisters Bartholomäus (Johann Bartl) Schönsteiner. „Die weit abseits von Horsdorf und anderen Gemeinden gelegene Einöde Eichelsee hatte sich scheinbar als idealer Standort zum Betrieb einer Wasenmeisterei angeboten“, erläuterte Kolling. Schönsteiner übte als Einziger im Bezirk Staffelstein den Beruf des Wasenmeisters aus, schaffte also gefallene und getötete Tiere weg.
Dafür zahlten ihm die Gemeinden einen festen Preis, der von der Einwohnerzahl des jeweiligen Orts abhängig war. Beispielsweise lag der Jahresbeitrag für Unterzettlitz zwischen 1876 und 1895 bei 8,57 Mark, ab 1896 dann bei zehn Mark.
Für die Hygiene zuständig
Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Hygiene war seit vielen Jahrhunderten eine hoheitliche Aufgabe. Wurden anfangs noch die verendeten Tiere auf dem Misthaufen oder in den nahen Bach geworfen, legten die Städte und Gemeinden ab dem 13. Jahrhundert sogenannte Wasenplätze an. Das Verscharren der Tierkadaver übernahm ein von den Städten und Gemeinden beauftragter Wasenmeister. Sein Arbeitsplatz und meist auch der Wohnort war die Wasenmeisterei oder Abdeckerei. Aufgabe des Wasenmeisters war, die Kadaver zu begraben und mit einem Rasenstück, dem sogenannten Wasen, abzudecken. Und die Bauern waren dazu verpflichtet, sämtliche Tierkadaver dem Wasenmeister zu übergeben, der zunächst die verwertbaren Teile aussortierte. Wie Kolling erläuterte, gingen die Tierhäute an die Gerbereien, die Knochen und das Fett kauften die Seifensieder, die Klauen und das Horn die Leimsieder, die verfaulte Fleischmasse fand ihre Verwertung bei den Salpetersiedern. Nur ein kleiner Rest, der nicht verwertet werden konnte, wurde vergraben oder verbrannt.
Eine Geruchsbelästigung
Aufgrund der Geruchsbelästigung und der Seuchengefahr wurden die Wasenmeistereien immer außerhalb der Dörfer und Städte angelegt. Schon damals regelten strenge polizeiliche Vorschriften den Betrieb der Wasenmeistereien und den Umgang der Bauern mit Kadavern.
Der bereits erwähnte Simon Schönsteiner übernahm 1903 das elterliche Anwesen. Aus seiner Ehe mit Margarete Schönsteiner, einer geborenen Stärk aus Sträublingshof, gingen fünf Kinder hervor. Darunter drei Söhne, die in relativ jungen Jahren starben. Von den beiden Töchtern heiratete Margaretha Franziska Schönsteiner (geb. 1910) im Oktober 1932 den aus Raitenbuch bei Weißenburg stammenden Schäfer Josef Strauß, mit dem in Eichelsee die bis heute bestehende Linie Strauß beginnt.
Aus ihrer Ehe gingen drei Kinder hervor, von denen Sohn Otto Strauß 1970 das elterliche Anwesen übernahm. Heute führt Metzgermeister Bernd Strauß die Metzgerei weiter.
Im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte wurde das Anwesen in Eichelsee immer wieder durch An- und Umbauten den jeweiligen Bedürfnissen und Erfordernissen angepasst. Allerdings war nicht jedem Bauvorhaben ein von Anfang an reibungsloser Ablauf beschieden, wie Kolling erläuterte.
Kriegswichtiger Schafstall
Dem von Simon Schönsteiner während des Ersten Weltkriegs beabsichtigten Bau einer Kadaver-Verwertungsanlage mangelte es kriegsbedingt an Zement. Erst als die Kriegsamtsstelle in Würzburg im Juli 1917 die Anfuhr von 15 Tonnen Zement genehmigt hatte, konnte das Bauvorhaben realisiert werden. Ähnlich erging es auch dem Neubau eines Schafstalls während des Zweiten Weltkriegs, der schließlich als kriegswichtig und unaufschiebbar eingestuft wurde.