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WIESEN: Je eine Brauerei für 150 Einwohner

WIESEN

Je eine Brauerei für 150 Einwohner

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    Der Braumeister Thomann gönnt seinem Bier noch eine großzügige Lagerzeit, bis es im Glas schäumt.
    Der Braumeister Thomann gönnt seinem Bier noch eine großzügige Lagerzeit, bis es im Glas schäumt.

    Wo in der Welt ist man als Biertrinker am glücklichsten? Die meisten Touristen würden spontan die „Welthauptstadt des Biers“ München nennen. Hofbräuhaus und Oktoberfest sind die Aushängeschilder bayerischer Bierkultur im Ausland. Dabei sind München oder Oberbayern allerhöchstens in Sachen Ausstoß Champions League. In Sachen Sorten- und Brauereienvielfalt sind die Südbayern dagegen bestenfalls zweite Liga.

    Acht Brauereien gibt es in der Landeshauptstadt – das mag imposant klingen. Rechnet man es aber auf die 1,5 Millionen Einwohner um, müssen sich knapp 190 000 Münchner eine Brauerei teilen. Da hat man es in Oberfranken schon besser. Die 70 000 Bamberger zum Beispiel können derzeit aus zehn Brauereien auswählen, was ein ungleich besseres Verhältnis von 7000 Einwohnern pro Braustätte bedeutet. Aber es geht natürlich noch besser. Aufseß in der fränkischen Schweiz feiert sich als Weltrekordgemeinde. 1300 Einwohner verteilen sich auf die einzelnen Orte der Verwaltungsgemeinschaft und auf vier Brauereien. Das heißt, dass eine Brauerei auf 325 Biertrinker kommt.

    Es geht aber natürlich auch noch „kuschliger“. Wer in Wiesen bei Staffelstein wohnt, hat die Auswahl zwischen zwei Brauereien. Nun gibt es von Hof über Kulmbach, Wattendorf, Stublang, Memmelsdorf und Buttenheim bis nach Bad Windsheim viele Orte mit zwei Brauereien. Aber die sind alle größer. Denn das ehemalige Fischerdorf, das als „Vuison“ an einer Mainschleife gegründet wurde, kommt auf gerade mal 280 Einwohner. Soll heißen: Bei einem Schnitt von 140 Einwohnern pro Sudkessel könnte wohl jeder Wiesener seinen Platz in einer der beiden Brauereien finden, wenn er nur wollte. Paradiesische Zustände, von denen man im fernen München nur träumen kann. Nicht ganz frei von Stolz berichtet deshalb die Homepage des Ortes: „Unser Dorf hat die weltweit höchste Brauereidichte.“

    „Göttliche Hilfe und durstige Flößer“

    So selbstverständlich oder gottgegeben ist die Brauereivielfalt im Staffelsteiner Land aber nicht, auch wenn hier und da ein wenig „göttliche Hilfe“ mit im Spiel ist. Wiesen profitierte früher wie heute von seiner Nähe zur Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen. Galt es früher die zahlreichen Pilger zu verköstigen, sind es heute Wallfahrer wie Touristen, die von der nahen Basilika angezogen werden. Und dann gab es noch die gestandenen Flößer, die auf ihrem Weg mainabwärts in Wiesen ihren Durst stillen wollten.

    Dass in Wiesen im 18. Jahrhundert also relativ kurz nacheinander zwei Wirtschaften eigenes Bier zu brauen begannen, verwundert vor diesem Hintergrund nicht mehr. 1756 bekam die spätere Brauerei Hellmuth vom Bamberger Domprobst das Braurecht übertragen. Heute hat man dort die Auswahl zwischen drei Bieren: Der Klassiker ist der „Eierberge Urstoff“, ein unfiltriertes „Landbier“.

    Mag diese Bezeichnung bei anderen Brauereien wenig mehr als Marketingsprache sein, trifft sie hier den Nagel auf den Kopf. Das Bier ist bernsteinhell, trüb und schmeckt angenehm hefig und urig. Wer es ein wenig dunkler mag, kann zum Märzen namens „Hanna“ greifen. Dessen süffiger Malzcharakter überzeugt für meinen Geschmack sogar noch ein wenig mehr. Daneben gibt es noch ein klassisches helles Weizen.

    Wo das Bier auf dem Kühlschiff liegt

    Bernsteinbraun ist auch das Lagerbier von der Brauerei Thomann ein paar Häuser weiter, das es neben dem fast schon obligatorischen hellen Weizen gibt. Die Brauerei Thomann erhielt ihr Braurecht ein paar Jahre nach der Brauerei Hellmuth, genauer im Jahr 1770. Und auch beim Thomann wird seither wie eh und je gebraut. Alle vier Wochen entstehen 25 Hektoliter vom braunen, klaren Lager, das liebevoll auch „Stoff“ genannt wird. Und der darf sogar direkt nach dem Hopfenkochen auf einem Kühlschiff – so nennt man das flache, offene Gefäß zum Abkühlen der heißen Bierwürze – langsam „herunterfahren“. Eine Tradition, die man fast nur noch in Museumsbrauereien sieht.

    Authentische Biere

    Ob es daran liegt, dass das Thomann Lagerbier so samtig weich den Gaumen entlangschnurrt und mit seinem Spiel aus Malz- und Karamellnoten gefällt? Oder liegt es an der Lagerdauer von vier bis sechs Wochen? Keine der großen Fernsehbrauereien gönnt ihrem Bier noch so viel Zeit. Wenn es sein muss, liegen bei denen zwischen Brautag und Abfüllung gerade mal zehn Tage!

    Müsste ich mich für eine der beiden Brauereien entscheiden, würde ich mir schwer tun. Denn die Biere vom Thomann und vom Hellmuth haben beide etwas, was viele moderne Großbrauereien schmerzlich vermissen lassen: Sie sind „authentisch“. Und das schmecken und spüren nicht nur die Einheimischen. Wie gut, dass Wiesen neben zwei Brauereien auch gut 130 Gästebetten zu bieten hat. Es könnte sein, dass es auf dem Weg von der einen zur anderen Brauerei und wieder zurück mal länger wird.

    In der nächsten Folge geht es darum, wie frisches Bier trockene Statistik und staubige Geschichte zum Leben erwecken kann …

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