Mit einer künstlerisch vielfältigen Hommage unter dem etwas sperrigen Titel „Zieht ein in meine Seele, oh ihr Maiengefühle“ widmete sich das Brückentheater des Fränkischen Theatersommers am vergangenen Donnerstag dem oberfränkischen Schriftsteller Jean Paul alias Johann Paul Friedrich Richter. „Zu lieben war ihm ein Grundbedürfnis, der Antrieb seines künstlerischen Schaffens und allen Seins“, erläutert Schauspieler Stephan Bach zu den Intentionen des Autors.
Gemeinsam mit der Sängerin und Schauspielerin Carolin Trübenbach beschäftigt sich Bach mit dem Leben und insbesondere dem bemerkenswerten Verhältnis Jean Pauls zu Frauen und der Liebe. Inmitten des Frühlingserwachens und aufkeimender Gefühle am 21. März 1763 in Wunsiedel geboren, fand der Schriftsteller wohl seine Bestimmung zu lieben. Bereits im zarten Alter von zehn Jahren erfuhr Jean Paul die Freuden und Sorgen der ersten großen Liebe, die in seinem Fall leider unerwidert bleiben sollte.
„Perle eines Moments“
Im Gegensatz zu seiner Bewunderung für eine Mitschülerin, mit der er in einer „Perle eines Moments“ die Einzigartigkeit des ersten Kusses erlebte. All dies hielt er nachträglich fest, denn der Wunsch nach einer erfolgreichen Künstlerexistenz überwog bei Jean Paul jeden Liebeskummer. „Er war nicht immer ein einfacher Schriftsteller und verschwand deshalb lange Zeit aus dem Bewusstsein eines größeren Publikums“, berichtet Stephan Bach weiter. Die Geschichte von Abelard und Heloise ist eines seiner kritisierten, überempfindlichen Werke: Eine junge Liebe, die durch den plötzlichen Tod Heloises jäh endet und erst im Jenseits ihre Erfüllung findet.
Jahre später distanzierte sich Jean Paul von seiner Erzählung, der Johann Wolfgang von Goethes „Die Leiden des jungen Werthers“ als Vorbild diente: Zu alltäglich sei die Handlung und zu schwach die Figurenzeichnung.
Die Liebe aus der Entfernung sollte aber von nun an ein bestimmendes Motiv in Pauls Arbeit sein. Ferne schade Liebe weniger als Nähe, denn so müsse Mann beispielsweise die Schattenseiten seiner Angebeteten nicht zu Gesicht bekommen. Neben der Rezitation von Gedichten, Liedern und Briefwechseln versuchen sich Carolin Trübenbach und Stephan Bach in einem Wettstreit, mit dem Vortragen Jean Pauls zahlreicher Aphorismen zu überbieten. „Liebe ist für Frauen das ganze Leben, für Männer nur eine Episode“, heißt es da unter anderem.
Pathos und Leidenschaft
Mit viel Pathos und Leidenschaft bringen Bach und Trübenbach Werk und Leben Jean Pauls auf die Bühne. Vor allem Carolin Trübenbachs Gesangseinlagen sind stark, können aber nicht über die Langatmigkeit einiger Textpassagen hinwegtrösten. Sein Talent zur Schriftstellerei wurde dem Oberfranken Jean Paul nicht in die Wiege gelegt, er musste durchaus viel lernen und gründete deshalb seine „Erotische Akademie“ – in der es laut Stephan Bach weitaus weniger handgreiflich zuging, als der Titel vermuten lässt. In einem Kreis junger Damen genoss er die Bewunderung für seine literarische Arbeit und schuf sich bald seinen eigenen Musenzirkel, wie auch den Begriff der „Tutti-Liebe“. Darunter verstand er Empfindungen, die zu warm für Freundschaft und zugleich zu schwach für Liebe seien.
Seine Arbeiten aus dieser Zeit verhalfen ihm schließlich zum lang ersehnten literarischen Durchbruch, besonders bei Frauen. Seine Sympathie für die weibliche Leserschaft zeigte er beispielsweise mit der Geschichte des Mädchens Cordula, in der er männliches Autoritätsstreben und familiären Despotismus anprangerte.
„Die Einfahrt eines Fasses wurde von Jean Paul freudiger erwartet als die Geburt eines Kindes.“
Schauspieler Stephan Bach über den oberfränkischen Schriftsteller
„Mit der Zeit setzte er die Leserinnen seiner Werke mit Liebhaberinnen gleich, wodurch seine ehemals rein gedankliche ,Erotische Akademie‘ an Substanz gewann“, so Stephan Bach über Jean Pauls fortschreitende Popularität. Als Beleg dafür dient der Briefwechsel mit der verheirateten Charlotte von Kalb, mit der der Schriftsteller zunächst in Weimar ein Verhältnis begann, bevor künstlerische Differenzen zwischen den beiden zum abrupten Erkalten der Beziehung führten.
Lange Zeit tat er sich schwer, die Frau fürs Leben zu finden: Mit der Heirat Caroline Meiers im Jahr 1801 schien seine Suche aber beendet. 16 Jahre später, am Zenit seines beruflichen Erfolges angekommen, begann Jean Paul eine Affäre mit der 26-jährigen Sophie, Tochter seiner Heidelbergischen Gastfamilie. Caroline verzieh ihrem Ehemann, doch Misstrauen und Eifersucht sollten von nun an die Beziehung überschatten. Doch damit nicht genug: Jean Paul verschrieb sein Leben einer zweiten Geliebten, die ihn stark in Anspruch nahm – dem Alkohol.
Schauspieler Stephan Bach weiß besonders über sein Verhältnis zum Bier zu berichten: „Die Einfahrt eines Fasses wurde von Jean Paul freudiger erwartet als die Geburt eines Kindes.“
Zu seiner Verteidigung brachte der trinkfeste Schriftsteller vor, Trunkenheit sei ihm unbekannt, da diese den Geist lähme und nicht beflügele. Er pflegte wohl wirklich ein zwiespältiges Verhältnis zu den Frauen, bewunderte lieber aus der Ferne und sehnte sich doch immer nach wahrer Liebe. Im November 1825 starb Jean Paul, seine Botschaft bleibt: „Reine Liebe vermag nicht nur alles, sondern sie ist alles.“