Die kapitalen Karpfen haben im Ringkampf mit dem Tod ihre Scheu verloren. Sie schwimmen apathisch im seichten Uferbereich an der Wasseroberfläche, japsen nach Sauerstoff. Zahlreiche Zander, Hechte und Brachsen haben den Kampf schon verloren, treiben mit dem Bauch nach oben unter Wasser. Ein unvermitteltes Algensterben hat den See „umkippen“ lassen. Ein Naturdrama im Naturbad.
„Wir nehmen jeden Tag Wasserproben. Als unser Gewässerwart Dieter Kichner am Sonntag prüfte, waren die Sauerstoffwerte noch relativ in Ordnung“, erläutert Armin Fuß vom Angelsportverein fassungslos. Am Montag dann sanken diese rapide. Die Feuerwehren rückten mit einem Großaufgebot an. Für viele Wasserbewohner jedoch zu spät.
Viele Raubfische sind verendet
„Wir gehen davon aus, dass ein Großteil der Raubfischbestände wie Zander und Hechte, aber auch Barsche verendet sind“, heißt es aus Anglerkreisen. Noch sieht man das nicht: „Zander beispielsweise sind Grundfische, sinken nach ihrem Tod erst einmal auf den Boden. Erst im Laufe der Verwesung gelangen sie an die Oberfläche.
“ Besonders tragisch: Erst vor fünf Jahren war ein großer Teil des Fischbestands am Naturbad verendet, was den ASV finanziell an seine Grenzen brachte. Damals wie heute waren absterbende Algen die Ursache. „Nun haben wir den Fischbestand gehegt – und jetzt ist alles dahin.“
„Man braucht einen gewissen Umsatz an Frischwasser, um einen Erfolg zu erzielen.“
Daniel Schell, Technisches Hilfswerk
Seit Dienstagmorgen laufen die Wasserpumpen des Technischen Hilfswerks (THW) ohne Unterlass. Die Ortsgruppe Bad Staffelstein hat sich Verstärkung von der Fachgruppe Wasserschaden/Pumpen aus Forchheim geholt.
15 000 Liter pro Minute
Selbst aus Pfaffenhofen wurden Belüftungspumpen an den Obermain gebracht. „Wir arbeiten im Schichtbetrieb, sind vermutlich bis einschließlich Donnerstag rund um die Uhr am See“, erklärt Zuggruppenführer Daniel Schell. Derweil kontrolliert Gruppenführer Claas Vortmann aus Forchheim die Funktionswerte der monströsen Großpumpe „Hannibal“, die 5000 Liter pro Minute aus dem Main in den Baggersee pumpt.
Die sechs Tauchpumpen des THW Bad Staffelstein liefern weitere 10 000 Liter pro Minute. „Man braucht einen gewissen Umsatz an Frischwasser, um einen Erfolg zu erzielen“, so Schell.
Straße nach Niederau gesperrt
Quer über die Gemeindeverbindungsstraße Ebensfeld–Niederau verlaufen die Schlauchstrecken, die für den Einsatz gesperrt wurde. „Wir haben mehr als 700 Meter Schlauch verlegen müssen.“ Darüber hinaus ist es sonst üblich, in so einem Fall den See mit Motorbooten zu befahren, um das Wasser umzuwälzen. „Da aber schon so viele Fische an der Oberfläche schwammen, hat man sich dagegen entschieden.“ Der Markt Ebensfeld hat am Dienstag ein Badeverbot bis auf Weiteres erlassen, der Angelsportverein hat mit einem Angelverbot reagiert, auf unbestimmte Zeit. Die Saison dürfte jeweils gelaufen sein.
Nicht vorhersehbar
„Mir blutet das Herz, nicht nur als Angler“, sagt Armin Fuß, während er mit dem Kescher nach Fischen sucht, die noch Lebenszeichen aufweisen. Diese holt er aus dem See und trägt sie sorgsam in ein Frischwasserbassin.
Es riecht modrig und faulig am sonst so idyllischen Naturbad. Jungangler sind mit dem Ruderboot auf dem See unterwegs, um Tierkadaver einzusammeln. Ihre Sommerferien hatten sie sich anders vorgestellt. Erst in den nächsten Tagen wird sich das ganze Ausmaß der Tragödie zeigen. Die Fische, die jetzt an der Oberfläche treiben und langsam ans Ufer gespült werden, dürften nur die Spitze des Eisbergs sein.
„Eigentlich hätte das bei diesem Wetter nicht passieren dürfen“, wundert sich Daniel Schell vom Technischen Hilfswerk ebenso wie Angler Armin Fuß. Normalerweise geht einem Algensterben wie diesem eine lange Hitzeperiode voraus, auf die ein rapider Temperatursturz folgt. „Doch was hilft‘s?“ Claas Vortmann füllt derweil Diesel in die „Hannibal“. Knapp 100 Liter davon hat sie schon in den vergangenen 20 Stunden geschluckt. Auch die anderen Pumpen müssen ständig aufgefüllt werden. Die THW-ler an sich sind ehrenamtlich tätig, wie auch die Feuerwehrkräfte. Ihre Arbeitgeber haben sie für ihren Einsatz freigestellt: „Da sind wir sehr froh und dankbar.“