An diesem Wochenende wird der Opfer von Krieg und Gewalt gedacht. Der Volkstrauertag bietet alljährlich Anlass zur Auseinandersetzung mit den Ursachen und den brutalen Folgen gewaltsamer Konflikte. Als im November vor 100 Jahren der Erste Weltkrieg zu Ende ging, war der Schmerz über gefallene Soldaten oder getötete Zivilisten besonders groß. Es gab viele Familien, die in den Wochen oder Monaten davor Söhne oder Angehörige verloren hatten. So auch im damaligen Landstädtchen Staffelstein. Manche Familien traf es besonders hart. Andererseits gab es Freude, wenn Soldaten aus dem Felde wieder an den Obermain zurückkehrten.
Am 26. November 1918 berichtete die heimische Zeitung „Staffelsteiner Tagblatt, Rodach&Itz-Bote“ über den Tod von Oskar Lindner aus Staffelstein. Den Text übernahm das Blatt von der „Wörishofener Zeitung“. Oskar Lindner war am 20. November 1918, „abends um 8 Uhr“, im Alter von 26 Jahren in Wörishofen an den Folgen einer Grippe gestorben. In der Stadt im Allgäu hatte der gebürtige Staffelsteiner damals gewohnt. Er arbeitete als „Gefangenen-Kontrolloffizier“ im Bezirk Mindelheim. Oskar Lindner war mit der ersten Mobilmachung eingezogen worden und verlor bei seiner schweren Verwundung 1914 ein Auge. Im August 1918 habe er laut Tagblatt zum zweiten Male operiert werden müssen. „Dies ist wohl der Grund, dass sein geschwächter Organismus der schweren Krankheit nicht mehr genügend Widerstand leisten konnte,“ vermutet der Verfasser des Artikels. „Mit seiner schmerzgebeugten Gattin Josefine und seinen Angehörigen trauern um den lieben Toten Freunde und Bekannte,“ so die Zeitung weiter.
Der Bruder stirbt im Lazarett
Das Staffelsteiner Tagblatt zeichnete damals ziemlich genau das Schicksal, das der Erste Weltkrieg der Familie Lindner zugefügt hatte. Für Vater Peter und die ganze Familie Lindner in Staffelstein war der Tod dieses Sohnes der dritte schwere Schicksalsschlag seit Ausbruch des Ersten Weltkrieges 2014.
Oskars älterer Bruder Emil war gleich zu Beginn des Krieges, am 11. September 1914, bei Kämpfen gegen russische Einheiten schwer verwundet worden. Gut einen Monat später starb er in einem Lazarett im damals ostpreußischen Insterburg. Ein weiterer Bruder von Oskar Lindner, Adalbert, war im Frühjahr 1918 bei Kämpfen in Frankreich schwer verwundet worde. Der vierte Sohn schließlich, Heinrich, diente ebenfalls als Soldat im Krieg.
Einige Tage vor der Nachricht über den Tod von Oskar Lindner war Andreas Pezold jun. aus Nedensdorf auf dem Friedhof von Schloss Banz zu Grabe getragen worden. Die Beerdigung begann um 10 Uhr, wie das Staffelsteiner Tagblatt berichtete. Pezold war – wie Oskar Lindner – nur 26 Jahre alt, als er starb. Und wie der Staffelsteiner überlebte er eine Grippe nicht. Der junge Mann war zuletzt bei einer Garnison in Scheinfurt stationiert. Er sei, so die Zeitung, das 18. Todesopfer der Pfarrgemeinde.
Ein „ergreifendes Kriegerbegräbnis“
Das Tagblatt berichtet von einem „ergreifenden Kriegerbegräbnis.“ Pfarrer Nißl leitete die Beerdigung. Acht Männer, „den Karabiner geschultert“, seien dem Sarg vorausgegangen, um am Grab Ehrensalven abzugeben. „Weißgekleidete Mädchen mit brennenden Kerzen“ hätten einen „rührenden Ausdruck“ vermittelt. Die Mutter des Verstorbenen, verwitwet, betrauerte am Grab ihren einzigen Sohn. Die Schwester berichtete am Grab, ihr Bruder habe bei Verdun und auf der Combres-Höhe gekämpft. Drei Mal sei er schwer verwundet worden. In der Heimat sei er einer „tückischen Krankheit“ erlegen. Der kommandierende Leutnat der Maschinengewehrabteilung, bei der Pezold gedient hatte, legte im Namen der Kompanie einen Kranz am Grab nieder. Der Bericht des Tagblatts endet mit dem Satz: „Möge nun baldigst der Tag erscheinen, an dem man in jeder Gemeinde sagen kann: Das war das letzte Todesopfer des Weltkriegs.“
Die Trauer machte damals auch vor dem Weihnachtsfest nicht Halt. Am Montag, 23. Dezember 1918, fand in der Stadtpfarrkirche in Staffelstein ein Trauergottesdienst für die „gefallenen Helden der Pfarrgemeinde“ statt. Bürgermeister Finzel, Pfarrer Heckel und das Bezirksamt – Vorläufer des Landratsamtes - luden dazu die Bevölkerung ein. Um 8.30 Uhr begann die Aufstellung zur Kirchenparade auf dem Marktplatz. Die Vereine sollten mit Fahnenabordnungen erscheinen. Dem Bericht im Staffelsteiner Tagblatt ist zu entnehmen, dass viele Einwohner und Vereine dem Aufruf folgten. Auch der Kriegerverein Schönbrunn sei vertreten gewesen. Unter Trommelklang sei der Zug zur Kirche gestartet.
Der Stadtpfarrer hielt die Predigt und berichtete laut Tagblatt, dass „in unserer Pfarrgemeinde von etwa 600 zur Fahne Eingezogenen 83 nicht mehr zurückgekehrt“ seien. Unter Leitung von Kantor Salzmann sang der Kirchenchor.
„Möge nun baldigst der Tag erscheinen, an dem man in jeder Gemeinde sagen kann: Das war das letzte Todesopfer des Weltkriegs.“
Berichterstatter, Staffelsteiner Tagblatt, November 1918
In diesen Tagen unmittelbar nach Ende des Ersten Weltkrieges gab es kaum eine Zeitungsausgabe ohne Todesanzeigen gefallener Soldaten aus der Heimat. Aber es gab auch jene Soldaten, die den Krieg überlebt hatten und nach und nach wieder nach Hause zurückkehrten. In Staffelstein und in vielen Orten wurden die Rückkehrer feierlich willkommen geheißen. Am 16. Dezember habe der Hauptteil Staffelsteins „im üppigsten Flaggenschmuck“ geprangt, berichtet das Tagblatt. An den Gebäuden hätten schwarz-weiß-rote und blau-weiße Fahnen gehangen. In Staffelstein sei die Errichtung eines „größeren Triumphbogens“ geplant, so die Zeitung Mitte Dezember 2018. In einer anderen Ausgabe wurde berichtet, in Horsdorf-Loffeld und in Stublang seien am Eingang „Ehrenpforten“ zur Begrüßung errichtet worden.
Turnverein gedenkt seiner Gefallenen
Für die „heimgekehrten Krieger“ veranstaltete der Turnverein Staffelstein am 30. Dezember 1918 im „Glassalon von Hans Brütting“ eine Begrüßungsfeier, über die das Tagblatt sehr ausführlich berichtete. Es sei eine „wirkliche Volksfeier“ im Sinne des Turnvaters Jahn gewesen. Vier Künstler traten auf: Konzertmeister Karl Rojahn, Rechtsanwalt Fritz Theobald, der das Cello spielte, Kaufmann Otto Wich betätigte sich als Pianist und Herr Scharf trat als Konzertsänger auf.
Amtsgerichtssekretär Leising hielt eine Ansprache. Er sagte laut Zeitung, dass 88 Mitglieder des Turnvereins Kriegsdienst geleistet hätten. 14 davon seien im Krieg getötet worden. Der Redner bat die Anwesenden, sich zu erheben. Dann wurden alle Namen der Gefallenen vorgelesen: Georg Bauernschmitt, Hans Düsel, Georg Franz, Georg Gagel, Hans Gernert, Adam Fleischmann, Franz Finzel, Konrad Kraus, Stefan Kraus, Josef Lorenz, Josef Müller, Hans Schmitt, Gallus Vetter und Heinrich Walter. Vermisst wurde damals noch Anton Murrmann. Der Redner hielt eine ausführliche Lobeshymne zu den Gefallenen, wünschte sich aber auch ausdrücklich, dass aus den Trümmern des Ersten Weltkrieges im eigenen Land eine Demokratie erwachse. Die vier Künstler hätten am Ende auch der Jugend zum Tanz aufgespielt. Die „Einstellung der elektrischen Beleuchtung“ habe dem aber „ein frühes Ende“ gemacht.