Bereits zu Lebzeiten eine Legende, wegweisendes Vorbild vieler Künstler, schrulliger Einsiedler, Genussmensch und lebenslanger Junggeselle – all das war Wilhelm Busch. Seit mehr als 100 Jahren ist der deutsche Schriftsteller bereits verstorben, die Popularität seiner Werke wie „Max und Moritz“ oder „Die fromme Helene“ lebt dagegen fort.
Zum insgesamt dritten Mal präsentiert Schauspieler Markus Veith seine Hommage an Wilhelm Busch nun im Brückentheater des Fränkischen Theatersommers. Wie auch bei den letzten Aufführungen ist das Stück „Ein jeder Narr tut, was er will“ bis auf den letzten Sitz ausverkauft. Ein hölzerner Klappstuhl, Reisekoffer, Garderobenständer, allerlei Malutensilien und ein einzelner verlorener Pantoffel in der Bühnenmitte bilden die chaotisch durcheinandergewürfelten Requisiten und spiegeln damit das Innenleben Wilhelm Buschs wider.
Ein Kauz und Lebemann
Als mürrischen Kauz und genussvollen Lebemann mit einer allzu großen Schwäche für Tabak und Alkohol inszeniert sich Markus Veith in der Rolle des Schriftstellers. Dieser gewährt dem Zuschauer zunächst nur widerwillig einen Blick in sein Leben und literarisches Schaffen. „Ich bin sozusagen Chronist des Jedermann“, definiert er sein Arbeitsverhältnis zum Publikum. „Die Leser kaufen meine Werke und ich schaue ihnen aufs Maul.“ Wie Wilhelm Busch eigentlich als Mensch gewesen ist, fragt sich Markus Veith zu Beginn des Stückes. Viele Leute wüssten beispielsweise nicht, dass Busch auch intensiv als Maler tätig war. „Er hat über 1000 Ölgemälde hinterlassen, die er nie jemandem gezeigt, geschweige denn ausgestellt hat“, so Veith. Der Grund: Busch habe sein malerisches Talent nicht als gut genug befunden, obwohl ihm seine „Max und Moritz“-Illustrationen zum Großvater des Comics machten.
Zu Größerem berufen
Oft genug ironisierte er auch sein finanziell bescheidenes Dichterdasein, in dem er nur von der Grandiosität seiner eigenen Werke leben konnte. „Ach, wie beglückt ist doch ein Mann, wenn er Gedichte schreiben kann“, lautet eine seiner literarischen Devisen, die auch für seine Figur Balduin Bählamm gilt. Trotz seiner glücklichen Familie und sicheren Einkommensverhältnissen fühlt sich Bählamm aus seinem tristen Büroalltag heraus und zu Größerem berufen – dem Schreiben. Fernab von quengelnden Kindern und nörgelnder Ehefrau versucht er darum in ländlicher Idylle in den „Lyrikhimmel“ entschweben zu können.
Doch geplagt von angriffslustigen Insektenschwärmen, der Schikane eines Nachbarsjungen sowie den vergeblichen Annäherungsversuchen an die hübsche Ziegenhirtin Rike kehrt Balduin Bählamm schließlich desillusioniert und unverrichteter Dinge in sein heimisches Büro zurück. Wilhelm Busch selbst tritt in Markus Veiths Interpretation weitaus resistenter auf als seine literarische Figur und bekräftigt mit pseudomoralischen Lebensweisheiten immer wieder seine Erhabenheit über jedwede externe Autorität: „Keine Tugend ist so recht nach meinem Sinn. Stets befinde ich mich am wohlsten, wenn ich damit fertig bin.“ Somit glich Wilhelm Busch charakterlich wohl eher seiner Figur des Maler Klecksel, der abwechselnd seinen Lehrer Herrn Bötel, den Malermeister Quast oder auch den Kunstkritiker Hinterstrich mit perfiden Streichen in den Wahnsinn treibt.
Auf der Suche nach dem Glück
Maler Klecksel ist sowohl selbstverliebter Künstler mit anhaltenden Geldsorgen als auch charmanter Frauenheld, der als erfolgreicher Schimmelwirt und verheirateter Familienvater am Ende doch noch sein Glück findet. „Das Brückentheater ist auf jeden Fall die liebste Spielstätte des Theatersommer-Ensembles“, erzählt Schauspieler Markus Veith in der Pause zwischen zwei Zigarettenzügen. „Das Publikum ist einfach immer gut drauf und macht bei unseren Späßen mit.“
Im April dieses Jahres gastierte er mit seinem Stück „Ein jeder Narr tut, was er will“ in Wilhelm Buschs Geburtshaus in Wiedensahl, wo auch Nachfahren des bekannten Schriftstellers im Publikum saßen. Eine riesige Angst habe er davor gehabt, dass gerade bei ihnen das Stück nicht gut ankomme, gesteht Markus Veith. Vollkommen unbegründet: Als er als Wilhelm Busch verkleidet aus dessen ehemaliger Werkstatt heraus vor das Publikum trat, sei dies ein magischer Moment für ihn selbst sowie für die Zuschauer gewesen. Ob ihm Wilhelm Buschs Verse „Max und Moritz, gar nicht träge, sägen heimlich mit der Säge, Ritzeratze, voller Tücke in die Brücke eine Lücke“ gerade in Bad Staffelstein zum Verhängnis werden könnten, ist aber eher Ironie als echte Sorge.
Selbstherrlicher Raufbold
Der gebürtige Dortmunder schlüpft schon seit 2011 in die Rolle des Schriftstellers und kostet dabei jegliche Facette seiner Schauspielkunst aus. Ob knurriger Einsiedler, selbstherrlicher Raufbold oder melancholischer Lyriker – Markus Veith pointiert die Charakterisierung Wilhelm Buschs und seiner Wegbegleiter schon fast ins Absurde und erntet damit etliche Lacher. An vielen Stellen temporeich und laut, aber teilweise auch zu langatmig fallen die einzelnen Episoden von „Ein jeder Narr tut, was er will“ aus. Die Begeisterung des 41-jährigen Markus Veith greift dennoch auf seine Zuschauer über, wenn er schwärmt: „Ich liebe dieses Stück einfach.“