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KUTZENBERG: In Kutzenberg wird mit Dämonen aufgeräumt

KUTZENBERG

In Kutzenberg wird mit Dämonen aufgeräumt

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    Dr. Nedal Al-Khatib, seit August Chefarzt der Kutzenberger Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, zeigt ein Bild, das ein an Schizophrenie Erkrankter im Rahmen der Kunsttherapie fertigte.
    Dr. Nedal Al-Khatib, seit August Chefarzt der Kutzenberger Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, zeigt ein Bild, das ein an Schizophrenie Erkrankter im Rahmen der Kunsttherapie fertigte. Foto: Mario Deller

    ADHS, 1845 vom Frankfurter Kinderarzt Hoffmann erstmals beschrieben, wurde jahrhundertelang als „Charakterfehler“ verkannt. Schizophrene Psychosen wurden mit Dämonen-Besessenheit begründet; Betroffene erfuhren unmenschliche Ausgrenzung. Diese Zeiten sind passé. In seiner 20. Auflage zeichnet das Psychiatrie-Symposium in Kutzenberg die Erkennung und Behandlung psychischer Erkrankungen im Wandel der Zeit nach. Die Veranstaltung erfolgt in Kooperation mit der Bezirksklinik Rehau sowie der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Bezirkskrankenhaus Bayreuth.

    Siegmund Freuds „Redekur“ und die moderne Verhaltensforschung

    Namhafte Referenten, die beispielsweise aus Kassel oder Pfaffenhofen anreisen, beleuchten mit Vorträgen im Festsaal die historische Entwicklung. Die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen in früherer Zeit liegt unter anderem begründet in Konzepten, die auf falschen Vorstellungen und Deutungen beruhten. Die Referate bilden dies ab, aber genauso den erheblichen medizinisch-therapeutischen Fortschritt, von der analytisch-tiefenpsychologischen „Redekur“ Siegmund Freuds bis zur modernen Verhaltensforschung und -therapie.

    Im Vorgespräch mit Dr. Nedal Al-Khatib, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Bezirksklinikum Obermain, spiegelt sich die Komplexität der modernen Herangehensweise in Diagnose und Therapie wider. „Die gesellschaftliche Akzeptanz psychischer Erkrankungen hat in den vergangenen 20 Jahren schon stark zugenommen, das Thema ist zum Glück in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, so seine Einschätzung. Immer öfter stünden Betroffene zu ihrer Erkrankung.

    Vom „Kriegszitterer“ zur Posttraumatischen Störung

    Von „Burnout“ war früher noch keine Rede. Aber psychische Erkrankungen gab es auch da. „Nur konnte man es nicht richtig einordnen“, so Al-Khatib. Älteren Mitbürgern sind vielleicht noch die „Kriegszitterer“ aus den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg in Erinnerung. Als Erkrankung anerkannt wurde die Posttraumatische Störung aber erst nach dem Vietnam-Krieg, nennt er ein Beispiel für die steigende Sensibilität gegenüber Betroffenen, die eben Hilfe bedürfen.

    Freilich ist der ungünstige Einfluss gesellschaftlicher Fehlentwicklungen in jüngerer Zeit nicht von der Hand zu weisen, und das nicht nur am Arbeitsplatz: Die Halt und Orientierung verleihenden familiären Strukturen sind oft auseinandergebrochen, im Fachjargon ist von „Broken home“ die Rede. „Deshalb mangelt es Heranwachsenden vielfach an Vorbildern“, erklärt der Mediziner.

    Früher meinte man, dass bei Senioren psychotherapeutische Therapien zwecklos seien. „Diese Ansicht wurde inzwischen revidiert“, betont Al-Khatib. Hinzu komme, dass infolge einer innerlichen Verdrängung von schlimmen Erlebnissen die lange Zeit „schlummernden“ psychischen Erkrankungen mitunter auch noch Jahrzehnte später zum Vorschein kommen können, ergänzt er.

    „Die gesellschaftliche Akzeptanz psychischer Erkrankungen hat in den vergangenen 20 Jahren schon stark zugenommen.“

    Dr. Nedal Al-Khatib, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie

    „Psychische Erkrankungen korrelieren oft mit Depressionen oder Süchten“, so Al-Khatib. Entsprechend breit gefächert und individuell muss sich die Therapie gestalten. „Es gilt dabei Vertrauen zu den Patienten aufzubauen, auch deren Biografien sind zu berücksichtigen.“

    Wenn einem etwas „auf der Seele“ brennt

    Wie mittlerweile bekannt ist, spielen teilweise auch genetische Faktoren eine Rolle. Ob nun im familiären Umfeld bereits psychische Erkrankungen aufgetreten sind oder nicht – jeder kann etwas für sich tun, um erst gar nicht in einen seelischen Abwärtsstrudel zu geraten: auf sich Acht geben und sich jemandem anvertrauen, wenn einem etwas „auf der Seele“ brennt, Beziehungen pflegen. Und wer sich ohne Rücksicht auf die eigene körperliche und seelische Gesundheit restlos aufopfert, tut sich und anderen keinen Gefallen. Nur wer selbst stark und gesund ist, kann es auch für andere sein.

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