Wer die These vertritt, die deutsche Sprache sei etwas bieder, dem sei empfohlen, einem gewissen Willy Astor zwei Stunden zu lauschen – und schon wird er seine Meinung um 180 Grad drehen. Sein Gastspiel auf der Seebühne vor 300 Zuhörern war einmal mehr ein Beleg, dass es der Künstler wie kaum ein zweiter versteht, die Phonetik als kooperierenden unsichtbaren Co-Partner zu nutzen, um mit vielseitigem Sprachwitz sein Publikum zu faszinieren.
„Er kommt gleich“, beruhigte der Techniker lächelnd die Besucher. Auf der Autobahn sind alle gleich – Willy Astor geriet, wie sich herausstellen sollte, während der Fahrt nach Bad Staffelstein in einen Stau. Die knapp einstündige Verspätung nahmen die Fans aber gelassen, vertrieben sich die Wartezeit mit Steak und Bier.

Kurz nach acht Uhr betrat der „Jäger des verlorenen Satzes“, so der Titel seines Programms, schließlich die Bühne, begrüßte sein Publikum erst einmal mit einem überdimensional großen „Wellkamm“. Na, klingelt's?
Drei alkoholische Getränke in einem Satz
Gut zuhören ist bei Willy Astor von Vorteil, um den Witz seiner Darbietungen in allen Facetten genießen zu können, etwa bei der von ihm präsentierten Geschichte von der Insel der Spirituosen. Im einen Moment erzählt er vom Gärtner, der faul im hohen Gras liegt – warum mäht er nicht? –, kurz darauf flattert ein federweißer Papagei aus Jamaika rum. Gleich drei alkoholische Getränke sind hier versteckt.
Musik mit Gesang und Gitarre, die bunte deutsche Sprache sowie natürlich akustische „Sprachzwillinge“ etwa aus Deutschland und dem englischsprachigen Raum sind die Werkzeuge Astors. Rhythmisches Mitklatschen oder Mitsingen bei den Refrains war Indiz für die Begeisterung des Publikums, als der im Münchner Stadtteil Hasenbergl aufgewachsene 57-Jährige bekannte Hits in umgedichteter Version zum besten gab mit seinem Raggae-Medley „In Afrika, in Afrika“.
„Wir fliegen zum Mars, als ob sich das lohnt – und leben ein Leben hinter dem Mond. Wir sägen mit Eifer am eigenen Mast und eigentlich sind wir nur zu Gast.“
Willy AstorT
So sang Astor vom Weißen Hai, der beim Zahnarzt gleich „sechs Plomb'“ braucht (von Tom Jones' „Sexbomb“) und vom bedauernswerten Löwenmann, der klagte: „Mir tut die Wimper weh“ (Wimoweh – aus „The Lion Sleeps Tonight“). Auch Harry Belafontes bekanntester Titel wurde eingebaut, als Astor trällerte – und die Zuschauer schließlich einstimmten: „Ich mach' mir Passbilder“.

Eine Geschichte, deren Worte alle mit demselben Buchstaben beginnen – ein Ding der Unmöglichkeit? Nicht für Astor, der mit der Erzählung von „Adalberts außerirdischem Aha-Erlebnis“ beeindruckte, „als 88 Außerirdische anlandeten, angenervt ausstiegen, anschließend absolut aggressiv an Adalberts Abborttür anklopften. Im weiteren Verlauf „angelten affenartige Androhten alle achtlos abgelegten Asterixhefte Adalberts – außer Ausgabe acht“. Besonders viel Spaß haben Astors Fans, wenn dieser in seine Geschichten Worte einbaut, die aus der Reihe tanzen und doch wie die Faust aufs Auge passen, etwas als „aufkommende Angstattacken Adalberts angewärmte Angora-Underwear (gesprochen „Anderwär“ – eben mit „A“) anfärbten“.
Man sollte immer etwas Dill im Hause haben
Auch Dialekte haben hier und da gewisses Fettnäpfchen-Potenzial, wie sich zum Leidwesen des immer wieder stark beanspruchten Zwerchfells herausstellte, etwa als ein Mann bei der hübschen Nachbarin klingelt und – weil ihm zum Salat noch das passende Gewürz fehlt, höflich anfragt: „Hamm Sie an Dill do?“ Die Antwort der Nachbarin war schmerzhaft, im Wortsinne.
Astor gab sich ausgesprochen volksnah, verließ einige Male die Seebühne, um zu den Zuschauern zu kommen, und ließ sich in keinster Weise aus der Ruhe bringen vom einem nicht mehr ganz nüchternen Gast, der mehrere Male zwischen Kiosk und Seebühne hin- und herpendelte, um sich ein weiteres Bier zu holen.

Astor sprach David – so hieß er – direkt an. Als David wieder mal für Nachschub unterwegs war, fragte Astor ins Publikum, ob jemand wisse, wie Davids Freund heiße, für den dieser ein Bier mitbrachte? „Goliath“ , rief einer der Besucher spontan. Astor lachte: „Der war gut.“
Was die Uhrzeit mit King of Rock'n'Roll zu tun hat
Ebenso auf großen Anklang stieß auch das Vornamen-Spiel, bei dem es galt, die zum Satzanfang phonetisch passenden Vornamen hereinzurufen: „Als ich auf die Uhr sah, erschrak ich – ich hatte ja keine Ahnung, dass es schon Elvis.“
Astor fühlte sich in Bad Staffelstein pudelwohl, freute sich mit den Zuschauern über den wunderschönen Sonnenuntergang – insofern hatte die einstündige Verspätung auch ihr Gutes – und appellierte daran, gerade in Zeiten wie diesen auch einmal das in uns wohnende Kind herauszulassen und „auch mal einen Schabernack zu machen“.
Auch tiefsinnige Lieder im Repertoire
Überhaupt handelt es sich bei Astor um einen Künstler mit Herz und Verstand, wie die jenseits allen Wortklamauks ebenfalls aus seiner Feder stammenden tiefsinnigen Lieder deutlich machen. Der Text seines dargebotenen Songs „Einfach sein“ ließ nachdenklich werden: „Wir fliegen zum Mars, als ob sich das lohnt – und leben ein Leben hinter dem Mond. Wir sägen mit Eifer am eigenen Mast und eigentlich sind wir nur zu Gast.“
300 Fans zollten ihm lang anhaltenden Applaus nach einem unvergesslichen Abend mit einer wichtigen Botschaft: Der Dill sollte besser nicht ausgehen.