„Die Vertriebenen-Wallfahrten sind entstanden aus der Not nach den schrecklichen Ereignissen die unsere Heimat, Deutschland und die Welt verändert haben. Ich meine damit Krieg, Enteignung und Vertreibung, die mehrere Millionen Menschen aus den deutschen Ostgebieten, aus der Tschechoslowakei und dem Balkan getroffen haben und ihnen die Heimat raubten. In diesen frühen Jahren 1946 bis 1948 setzten zahlreiche Menschen ihr ganzes Vertrauen in die Kirche“, erzählte Franz Kubin, seit 45 Jahren Vorsitzender der Ackermann-Gemeinde Bamberg.
Die rege Teilnahme an der 74. Vertriebenen-Wallfahrt in Vierzehnheiligen zeigte, dass die Betroffenen ihre alte Heimat nicht vergessen haben. Man konnte den Menschen durch die Vertreibung die Äußerlichkeiten nehmen, den Glauben an Gott jedoch nicht.
„Unser Großvater ging durch das ganze Haus und durch den Stall, um alles mit Weihwasser zu segnen. Er wollte einen Abschied ohne Hass und ohne Gedanken der Vergeltung.“
Franz Kubin, Vorsitzender der Ackermann-Gemeinde Bamberg
„Im August 1946 rückte unsere Vertreibung aus dem Sprachinseldorf Deutsch-Brodek, einem mährischen Dorf, immer näher. Wir konnten uns nicht vorstellen, dass das auf Dauer sein sollte. Wir hatten schon unsere Aussiedlungspapiere erhalten. Ehe wir am frühen Morgen des Aussiedlungstages mit dem Pferdewagen das Gepäck zum Dorfplatz brachten, ging unser Großvater nochmals durch das ganze Haus und durch den Stall, um alles mit Weihwasser zu segnen. Er wollte einen Abschied ohne Hass und ohne Gedanken der Vergeltung“, erinnerte sich Kubin.
„Durch das Beten hat unsere Familie den Tod unseres Vaters unterwegs auf dem Transport und die ersten armseligen Jahre in der neuen Heimat überhaupt ausgehalten, ohne zu verzweifeln“, füge er an.
Jedes Jahr ein Höhepunkt in der Basilika Vierzehnheiligen
Die traditionelle Wallfahrt der Heimatvertriebenen und Aussiedler zur „Nothelfer-Basilika“ von Vierzehnheiligen bildet jedes Jahr einen Höhepunkt. Sie hat nichts von ihrer Attraktivität verloren. Der Bamberger Diözesanvertriebenenseelsorger Monsignore Pfarrer Herbert Hautmann hatte dazu eingeladen. „Seit mehr als 70 Jahren wallfahren Heimatvertriebene, Flüchtlinge und Aussiedler nach Vierzehnheiligen und zu anderen Heiligtümern. Ich selbst erinnere mich noch gut an meine erste Teilnahme an einer Flüchtlingswallfahrt, wie man damals sagte, mit dem Vertriebenenbischof Maximilian Kaller nach Dieburg bei Frankfurt im Jahr 1947“, fuhr Franz Kubin fort.
Auch heuer waren zahlreiche Heimatvertriebene, Flüchtlinge und Aussiedler aus allen Regionen der Erzdiözese gekommen. Den Zaungästen bot sich beim Ein- und Auszug der Wallfahrt ein farbenprächtiges Bild. Viele Landsmannschaften trugen ihre Originaltrachten, Bannerträger machten auf die Herkunftsorte neugierig.

Begleitet von der mächtigen Orgel, die Udo Dauer spielte, bot sich ein imposantes Bild, als die Fahnenabordnungen der Vertriebenenverbände links und rechts des Hochaltars Aufstellung nahmen. Der Begrüßung durch Pater Alexander schlossen sich ein Grußwort des Diözesan-Vertriebenenseelsorgers Monsignore Hautmann an.
Mit der Majestätsmesse als Reminiszenz an die alte Heimat

Hauptzelebrant des Pontifikalamts war Bischof Monsignore Vlastimil Krocil aus Budweis in Tschechien. Besonders geprägt wurde der Festgottesdienst durch die Majestätsmesse, die in den meisten Vertreibungsgebieten zum Bestandteil einer feierlichen Messfeier gehörte. Man sah und hörte es den Wallfahrern an, dass sie diese Messe gerne singen. Die Musik des jüngeren Johann Michael Haydn geriet im 19. Jahrhundert in Vergessenheit und wartet noch auf ihre Wiederentdeckung. Zu seinen bekannteren Werken zählt das Deutsche Hochamt „Hier liegt vor deiner Majestät“, das zur Eröffnung gesungen wurde.
Ihren Ausklang fand die Vertriebenenwallfahrt mit einer feierlichen Marienandacht am Nachmittag am Gnadenaltar. Die Ansprache hielt Franz Kubin. Gesanglich wurden der Gottesdienst sowie die Andacht von Evi Kral (Sopran) bereichert.