Mit einem Jahr Verspätung hat Mitte Juni die Fußball-Europameisterschaft begonnen, die erstmals in Stadien quer über den Kontinent ausgetragen wird. Viele Fußballfans der Region dürften dem ersten Anstoß sehnsüchtig entgegengefiebert haben, die meisten dürften Deutschland die Daumen drücken. Doch wie ist es um die Mitbürger mit ausländischen Wurzeln bestellt, die in unserer Mitte leben und unverzichtbar zu uns gehören? Das Obermain-Tagblatt widmet ihnen eine kleine Serie. Schließlich ist „König Fußball“ nicht selten ein völkerverbindendes Element.

„Benvenuto“ (Herzlich willkommen), sagt Emanuele Gatani gut gelaunt. Die heiße Phase hat begonnen, und das nicht nur in der großen Küche des gelernten Kochs. Auch in der Fußball-Europameisterschaft tut sich einiges, die Gruppenspiele sind vorbei, die K.o.-Runden haben begonnen. Italien als Erster der Gruppe A trifft im Achtelfinale auf den Nachbarn aus Österreich. „Drei Spiele, drei Siege – das sieht gut aus, ich freu' mich für mein Land“, sagt der 49-Jährige kurz vor dem Spiel. Für die Begegnung am Samstagabend tippt er ein 2: 1 für Italien.
Früher hat er Basketball gespielt, aber bei der WM fiebert er mit
Eigentlich ist Emanuele, zu dem viele nur „Manu“ sagen, nicht der 100-prozentige Fußballfan. In der Schule spielte er Basketball, als Erwachsener setzt er sich gern auf sein Motorrad. „Es ist eine MV Augusta mit 1000 Kubik und viiiiel PS “, grinst er. Ihm fehle nur meist die Zeit zum Fahren. Denn Manu ist Chef der Pizzeria „Bei Manu“ in Bad Staffelstein.

Der gelernte Koch und Geschäftsinhaber hatte wegen der Corona-Pandemie lange schließen müssen. Jetzt kommen die Gäste wieder, aber so wie bei der letzten WM oder EM sei es nicht. Da hatten er und sein Team dekoriert und eine Leinwand im Café-Raum und auf der Terrrasse zum Public Viewing aufgestellt. Heuer gibt es nur ein Fernsehgerät im Restaurant. Fans müssen reservieren, denn um den Sicherheitsabstand einzuhalten dürfe nicht jeder Platz besetzt werden. Das sei ein bissschen schade, findet er, denn Fußball hätte er schon gerne mit Freunden, Bruder und Schwägerin geschaut.
Schon Manus Vater arbeitete in Deutschland: Das faszinierte ihn
Familie ist ihm wichtig. Sein Vater war viele Jahre lang als Gastarbeiter in Deutschland – vor allem in Rheinland-Pfalz und in Köln – und hatte bei den Heimatbesuchen immer viel von Deutschland erzählt. Das gefiel dem kleinen Emanuele. Und sein Vater brachte öfter Freunde aus Deutschland mit: „Das hat uns Kindern sehr gefallen, obwohl wir kein Wort verstanden.“ Mittlerweile spricht Manu sehr gut deutsch, dazu italienisch, spanisch, etwas französich und englisch. Als er jedoch 1992 innerhalb einer Woche den Entschluss fasste, seine sizilianische Heimat zu verlassen, war das anders. „Ich konnte kein Wort deutsch, 20 war ich damals, aber Deutschland hat mich so fasziniert, ich war sooo neugierig“, schwärmt er. Seit 2006 ist er in Bad Staffelstein zuhause.
In der deutschen Bundesliga gefällt ihm der FC Bayern München
In der deutschen Fußball-Bundesliga gefällt ihm der FC Bayern: „Der Müller, der macht für mich die Mannschaft“, freut er sich. „Das ist für mich ein smarter Typ.“ Früher gefielen ihm auch noch Ribery und Luca Toni der Trapattoni mit seiner „Flasche leer!“ Manu lacht, bis er keine Luft mehr bekommt angesichts der Erinnerung an die unfreiwillig-komischen sprachlichen Ausrutscher von Giovanni Trapattoni. Der ehemalige italienische Fußballspieler und Trainer hatte 1998, zwei Tage nach einer 0:1-Niederlage gegen den FC Schalke 04 eine Pressekonferenz gehalten. Als Trainer des FC Bayern München kritisierte er dabei sehr emotional die Leistung einiger seiner Spieler.

Doch auch für den italienischen Fußball schlägt das Herz des in Messina geborenen Manu. Er ist Fan des AC Mailand. Stadionbesuche waren in jüngster Zeit eher selten möglich, bedauert er. Lediglich Spiele in Valencia gegen Manchester United, gegen Schalke und gegen Parma sind ihm in Erinnerung geblieben. Auch die Partien im Nürnberger und Stuttgarter Stadion gegen die Bayern. Stolz ist er auf ein besondere Begegnung: Manu zeigt auf dem Handy ein Foto von 2006: Damals hat er in Nürnberg den früheren italienischen Nationalspieler Andrea Pirlo getroffen. Der spielte bei Juventus Turin, und die Unterhaltung der beiden Männer muss richtig gut gewesen sein.
„Ich freu' mich für mein Land, aber wenn sie verlieren, dann hat der Bessere gewonnen.“
Emanuele Gatani, Gastwirt
Wem er den Titel des Europameisters am ehesten zutraut? „Ich sehe meine Mannschaft Italien“, ist er überzeugt. Das sei eine junge energische Mannschaft. Und dann kommt ein überraschender Satz: „Ich glaube, ganz Deutschland würde sich über ein Endspiel Italien-Deutschland freuen! Ich freu mich für mein Land, aber wenn sie verlieren, dann hat der Bessere gewonnen.“