Die Nachricht, dass seine Frau Monika ein schweres Herzleiden hat, war für Zweiten Bürgermeister Hans-Josef Stich (CSU) ein Schock. Nun zieht er für sich daraus Konsequenzen: Der CSU-Bewerber, der in den vergangenen sieben Monaten amtierender Bürgermeister war, würde das Amt nicht annehmen, sollte am 10. Oktober bei der Stichwahl gewählt werden.

Gut 14 Tage ist es her, dass bei einer Routineuntersuchung festgestellt wurde, dass Monika Stichs Herz nur 18 Prozent Leistung erbringt. „Das stellte mein Koordinatensystem komplett auf den Kopf“, sagt Hans-Josef Stich mit ruhiger. gefasster Stimme bei einer eilig anberaumten Pressekonferenz im historischen Sitzungssaal des Rathauses, den Blick auf den dunklen Holztisch gerichtet. Es fällt ihm sichtlich schwer, darüber zu reden. „Und ich begann zu überlegen, wie ich mit dieser Nachricht umgehen kann.“ Der Bürgermeisterwahlkampf lief auf Hochtouren, steuerte auf seinen Höhepunkt zu. Der Tag der Wahl brachte eine Achterbahnfahrt der Gefühle mit sich: Erst führte Stich deutlich, dann nur noch mit drei Stimmen, letztlich gar nicht mehr. „Ich habe mich wirklich gefreut, Bürgermeister für eine Nacht gewesen zu sein. Kurzzeitig habe ich da alles ausgeblendet“, so Stich. Die kurze Feier in Loffeld nach Bekanntgabe des vorläufigen Endergebnisses Sonntagnacht endete jäh: Monika Stich wurde mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus eingeliefert.
Der erneute Schock nach der Freude in der Sonntagnacht
Spätestens da war dem 50-Jährigen klar, dass er das Amt nicht antreten würde. „Ich habe mich bei der Rechtsaufsicht informiert, welche Konsequenzen es haben würde, wenn ich nicht antreten würde“, erläutert er. „Mir wurde Sonntagnacht klar, wie schnell es gehen kann, dass Dinge sich komplett ändern. Und dass ich dieses Amt nicht ausüben kann. Zum einen wegen des Gesundheitszustands meiner Frau, zum anderen auch, weil ich nicht den Ansprüchen genügen würde, die ich an mich selbst stelle.“
Seit 25 Jahren Stadtrat, 15 Jahre Zweiter Bürgermeister
Seit 25 Jahren ist Stich Stadtrat in Bad Staffelstein, seit 15 Jahren Zweiter Bürgermeister und seit einem Dreivierteljahr, aufgrund der Erkrankung Jürgen Kohmanns und der daraus resultierenden Dienstunfähigkeit, amtierender Rathaus-Chef. „Manchmal schreibt das Leben eine andere Geschichte.“ Stich blickt in Richtung der Medienvertreter.

„Es war ein schwerer Schlag für mich, und es tut mir wahnsinnig leid für meine Parteifreunde, die wahre Freunde sind, die mich so unterstützt haben. Vor allem für Jürgen Hagel.“ Genannten Fraktionsvorsitzenden hatte Stich schon am Montag über sein Ansinnen informiert. Hagel bat ihn, noch eine Nacht darüber zu schlafen. An der Entscheidung änderte das nichts. „Letztlich haben alle meine Entscheidung verstanden. Wären andere in dieser Situation, ich würde ihnen zur gleichen Entscheidung raten. Ich hätte dieses Amt sehr gerne übernommen, möchte aber den Wählerinnen und Wählern gegenüber mit offenen Karten spielen.“
„Ich hätte dieses Amt sehr gerne übernommen, möchte aber den Wählerinnen und Wählern gegenüber mit offenen Karten spielen.“
Hans Josef Stich, Bürgermeisterkandidat (CSU)
Hans-Josef Stich informierte persönlich Mario Schönwald, den Kandidaten der Freien Wähler, über seine Entscheidung. Dieser würde nun Bürgermeister werden, wenn sich mehr als 50 Prozent der Wähler in der Stichwahl am 10. Oktober für ihn entscheiden. „Davon ist auszugehen“, sagt Stich. „Ich wünsche ihm alles Gute und ein glückliches Händchen.“

Er werde dem neuen Bürgermeister mit Rat und Tat zur Seite stehen, „wenn gewünscht, denn ich habe in den vergangenen sieben Monaten etliche Projekte angeschoben und will einen sauberen Übergang machen.“ Zweiter Bürgermeister will Stich noch bis 31. Dezember bleiben, „vielleicht auch einen Monat länger, wenn es gewollt ist.“ Eine Entscheidung, ob er sein Stadtratsmandat abgibt, sei noch nicht gefallen. „Ich werde andere Prioritäten setzen, bin gerade dabei, mich zu strukturieren, aber ich fühle mich verpflichtet, das Amt sinnvoll zu übergeben“, sagt er im Gespräch. „Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie viel Arbeit ein Zweiter Bürgermeister leisten muss, auch im Nicht-Vertretungsfall. Da ist man gerne man wochenlang Tag und Nacht unterwegs.“
Es war übrigens nicht Stichs Frau Monika, die ihm zu diesem Schritt geraten hat. Im Gegenteil: Er solle so kurz vor dem Ziel nicht aufgeben, riet sie ihm. Er entschied sich anders. Werkleiter der Obermain Therme aber bleibt er.
Wahlregularien lassen diesen „menschlichen Aspekt“ nicht zu
Für Wolfgang Hörath, den Geschäftsleitenden Beamten und Wahlleiter, geht die Arbeit weiter wie gehabt. „Seit den 2000-ern ist es nicht mehr möglich, zwischen erstem Wahlgang und Stichwahl zurückzutreten“, sagt er. „Die Wahlregularien lassen diesen menschlichen Aspekt nicht zu.“ Man habe sich genauestens bei der Regierung erkundigt.

So gibt es mehrere mögliche Szenarien: Sollte Mario Schönwald mit mehr als 50 Prozent der Stimmen gewählt werden, wäre der Uetzinger Bürgermeister. Bekäme er weniger Stimmen, gäbe es in drei Monaten reguläre Wahlen, bei der auch alle anderen Parteien wieder Kandidaten aufstellen könnten. Gleiches gilt, würde Schönwald auch einen Rückzieher machen. Aus Freie-Wähler-Kreisen aber heißt es: Schönwald stehe weiterhin zu seiner Kandidatur. Der 39-Jährige selbst war für die Medien am Mittwoch nicht zu erreichen. Man bat, die Ergebnisse einer Freie-Wähler-Sondersitzung am Mittwochabend abzuwarten.
„Die Wahlmaschinerie läuft rund um die Uhr“, sagt Hörath. Eine außerordentliche Belastung für die Mitarbeiter des Rathauses. „Wir sind dabei, 3700 Wahlscheine für die Briefwahl auszustellen. Die bekommt jeder automatisch per Post zugestellt, der schon im ersten Wahlgang per Brief wählte.“
Meinung: Die Entscheidung verdient hohen Respekt
Niemand kann sich in die Gefühlswelt von Hans-Josef Stich hineinversetzen. Seit 1996 engagiert er sich als Stadtrat und seit 2006 als Zweiter Bürgermeister für seine Heimatstadt Bad Staffelstein. Zudem hat er seit Februar 2020 als amtierender Bürgermeister beweisen, dass er es durchaus versteht, die Geschicke der Stadt zu leiten.

Die Wahl zum Ersten Bürgermeister wäre die Krönung seiner lokalpolitischen Laufbahn gewesen. Doch Stich setzt andere Prioritäten: Seine Frau Moni, mit der er seit 16 Jahren verheiratet ist, die immer für ihn da ist und die ihm immer den Rücken stärkt, ist ihm wichtiger. Das zeugt von einem starken Charakter, von außerordentlichem Verantwortungsbewusstsein, von beeindruckender Selbstlosigkeit, von großer Liebe. Einen größeren Liebesbeweis kann er kaum leisten: Hans-Josef Stich lässt seinen großen Wunsch platzen, um für sie da zu sein. Das ist eine Entscheidung, die allergrößten Respekt verdient. Und die von niemandem kritisiert werden sollte. Sie mag seine Parteifreunde im ersten Moment schmerzen, weil sie damit einen durchaus wahrscheinlichen Wahlsieg aus der Hand geben. Weil die CSU dadurch einen Bürgermeister im Landkreis weniger haben wird. Doch es gibt eben wichtigeres im Leben. Oder besser: Nichts ist so wichtig wie das Leben. Und es ist für Monika sicherlich enorm wichtig zu wissen, dass ihr ihr Hans-Josef in guten wie in nicht so guten Tagen bedingungslos zur Seite steht. Die OT-Redaktion wünscht ihr alles Gute und beste Gesundheit.