„Sein wandern Volk will leiten…“: Unter diesem Zitat stand die letzte Fastenpredigt in der Wallfahrtsbasilika, die vor 250 Jahren geweiht wurde und vor 125 Jahren zur Basilika ernannt wurde. Zahlreiche Interessenten kamen ins „fränkische Bethlehem“, als die Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen, Schwester Dr. Katharina Ganz OSF, über „Kirche als Pilger*in: unterwegs auf dem synodalen Weg“sprach.
Katholisch sein und pilgern oder wallfahren gehöre laut Fastenpredigerin untrennbar zusammen. Die Mönche und Religionslehrer beeindruckten sie durch ihre spirituelle Tiefe und intellektuelle Schärfe. Die Gespräche auf den Wegen halfen ihr, eigene Überzeugungen herauszubilden und entscheidende Weichen fürs Leben zu stellen.
„Eine pilgernde Kirche ist nicht starr in ihren Strukturen, sondern lebendig in ihrer Mission.“
Dr. Katharina Ganz OSF, Fastenpredigerin
Mit der Zeit wurde das Pilgern für Schwester Katharina zu einer Lebenshaltung, wie sie darlegte. „Der Weg und das Pilgern sind Sinnbilder für unser Leben schlechthin. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil beschreibt sich die Kirche als pilgerndes Volk Gottes unterwegs“, erklärte die Generaloberin. „Vor über zwei Jahren hat die katholische Kirche in Deutschland sich auf den sogenannten Synodalen Weg gemacht und greift das Weg-Symbol auf. Eine pilgernde Kirche ist nicht starr in ihren Strukturen, sondern lebendig in ihrer Mission. Sie ist unterwegs um Gott und seine Spuren auch an fremden, unerwarteten Orten zu suchen und zu finden.“
Auf Gottes Wort zu hören und einander zuzuhören
Mit dieser Selbstbeschreibung knüpfe die Kirche an das Zweite Vatikanum sowie an das Verständnis des jüdischen Volkes an. Auch Israel wusste sich von Gott erwählt und auf den Weg gerufen. Auf Gottes Wort zu hören und einander zuzuhören, sei ein Grundvollzug jeder Synodalität.
„Die tausendfachen Fälle sexuellen Missbrauchs durch Kleriker an Kindern, Jugendlichen, Schutzbefohlenen sowie Frauen haben unsere Kirche an eine tiefen Abgrund geführt. Durch diese Skandale hat die Kirche mit ihrer Glaubwürdigkeit auch den letzten Rest ihres moralischen Kredits verspielt“, meinte Dr. Ganz. „Immer mehr Menschen wenden sich enttäuscht und resigniert von der Kirche ab.“ Sie trauten ihr nicht mehr zu, dass sie für eine Gute, befreiende, menschenwürdige Botschaft stehe und etwas beitragen könne, das den Menschen Zuversicht, Mut und Hoffnung vermittele. Dabei könnte die römisch-katholische Kirche als älteste globale Institution der Welt viel zum Frieden, zu Gerechtigkeit und Versöhnung beitragen.
Die katholische Kirche muss die Fehler im eigenen System ausmerzen
Stattdessen aber werde die katholische Kirche immer weniger ernst genommen, wenn sie die Forderungen, die sie an andere stellt, nicht auch in den eigenen Strukturen umsetzt. „Nur wenn sie die Fehler im eigenen System ausmerzt, wird die Glaubensvermittlung und Evangelisierung nach Außen gelingen“, betonte die Generaloberin. „Deshalb ist der Synodale Weg, den die Bischöfe gemeinsam mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken unternommen haben, viel mehr als eine Beschäftigung mit sich selbst. Was ich als Beraterin im Forum ,Frauen und Diensten und Ämter‘ oder bei den Synodalversammlungen erlebte, macht mir Mut.“ Bischöfe, die sich missverständlich ausgedrückt hätten, fingen an sich öffentlich zu entschuldigen. Umgekehrt verzichteten Jugendverbände darauf, mit Karten Redebeiträge nonverbal zu loben oder zu kritisieren.
Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche herbeiführen
„Durch unsere Unabhängigkeit von diözesanen Strukturen können auch wir am Prozess beteiligten Ordensleute unsere Stimme freimütig erheben. In der Aktion #OutInChurch haben sich am 24. Januar 125 queere Menschen zu Wort gemeldet und fordern eine Kirche ohne Angst“, so die Generaloberin. Bei der jüngsten Synodalversammlungen Anfang Februar seien erste Texte angenommen worden. Es zeichne sich ab, dass es in Zukunft mehr Mitsprache, Beteiligung und Entscheidung des gesamten Volkes Gottes gebe.
„Im Frauenforum haben wir uns zum Ziel gesetzt, Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche herbeizuführen. Das Frauen Jesus nicht in der Feier der Sakramente vergegenwärtigen können, empfinden immer mehr Menschen als skandalös. Immerhin waren Frauen die Erstzeuginnen der Auferstehung Jesus“, fügte die Schwester an. Nicht die Teilhabe von Frauen an allen kirchlichen Diensten und Ämtern ist heute begründungspflichtig, sondern der Ausschluss von Frauen vom sakramentalen Amt. Im Brief an die Galater habe Paulus angeführt, dass auch die Verschiedenheit der Geschlechte keine Rolle mehr in den christlichen Gemeinschaften spielen solle. „Von dieser Wirklichkeit sind wir noch weit entfernt. Jahrhundertelang galt der Mann als das wahre Abbild Gottes, die Frau nur eine Ableitung des Mannes.“ Die einseitige Auslegung der Schöpfungserzählung im Buch Genesis und der Abwertung Eva als Sünderin hätten das ihre dazugetan.
Ein Blick in den kirchlichen Himmel, so Dr. Ganz, könnte helfen auch auf Erden mehr Gerechtigkeit und Gleichstellung zwischen Menschen aller Geschlechter zu erreichen. „Da stehen die drei heiligen Madel – Katharina, Margareta und Barbara – gleichberechtigt um die elf heiligen Mannsbilder. Das ist immerhin eine Frauenquote von 21 Prozent.“ Man verehre die Nothelfer als Vorbilder im Glauben.
„Die Kirche ist das pilgernde Gottesvolk unterwegs. Sie ist irdische Gemeinschaft und himmlische Versammlung.“ Die irdische Kirche habe, wie es Papst Franziskus betone, die Aufgabe, Lazarett zu sein und Wunden zu verbinden, die sich Menschen gegenseitig zufügen. „So hat bei der letzten Online-Konferenz das Frauenforums ein Bischof gesagt, es verletze ihn, wenn er immer wieder mit denselben Äußerungen in Verbindung gebracht wird, obwohl er sich schon mehrmals entschuldigt habe. Und eine Betroffene von sexualisierter Gewalt sagte: Bei den letzten Synodalversammlung sei sie seit langem wieder stolz gewesen auf ihre Kirche. Die Art und Weise wie dort gesprochen und miteinander um die Wahrheit gerungen worden sei, hätten sie in all ihrer tiefen Verletzlichkeit und Verwundung tief berührt“, sagte die Generaloberin abschließend.
Am Sonntag, 3. April findet um 14 Uhr das fränkische Passionssingen mit Musik, Gesang und Texten über die Leidensgeschichte von Jesus Christus. Der Eintritt in die Basilika ist frei.