Es ist kurz vor 20 Uhr am Mittwochabend. Das Stadtcafé in Bad Staffelstein ist gut gefüllt, etwa 90 Besucherinnen und Besucher warten auf den Auftritt von Helga Siebert. Eine Bedienung huscht zwischen den Tischen hin und her, bringt die letzten Getränke. Die Hauptperson macht noch einige Lockerungsübungen, schaut sich um. Dann senkt sich Stille über den Gastraum, als sie zu sprechen beginnt und ihr Publikum begrüßt. „Ich habe gehört, einige müssen früher weg, also muss ich heute etwas schneller sprechen.“
Das Nord-Süd-Gefälle in Sachen Humor
Man hört ihr die Herkunft an, stammt sie doch aus dem hohen Norden. „Lower Saxony“, wie sie betont. Oder auf Deutsch: Niedersachsen. Akzentuiert spricht sie, man versteht jede Nuance ihres hintergründigen Humors, auch wenn der Funke nicht immer unbedingt überspringt. Liegt es vielleicht an der unterschiedlichen Einstellung, was Humor ist?
Es scheint ein Nord-Süd-Gefälle zu geben. Was in Hamburg zu Lachstürmen führt, funktioniert in Oberfranken nicht so gut. Beispielsweise über die „größte Drogenmesse der Welt“. Gemeint ist die Wiesn. „In Hamburg tobt dabei das Publikum“, meint Helga Siebert, „aber hier eher nicht“. Doch das stört sie nicht großartig. „Als Kabarettistin muss man auch damit leben, dass mal ein Gag nicht funktioniert.“
„Wer will denn schon neben einem liegen, der nur Statistiken liest. Wo bleibt denn da der Spaß?“
Helga Siebert über Karl Lauterbachs Partnerinnensuche
Doch immer dann, wenn sie ihre „Nachbarin“ Herta bemüht, wird das Publikum munter. „Herta sagt immer, sie spricht das aus, was ich mich nicht in den Mund zu nehmen traue.“ Und so bekommen Politiker, die FIFA und auch das Olympische Komitee ihr Fett weg. „Winterspiele in China. In einer Gegend, wo es kaum oder nie Schnee gibt. In einem totalitären Staat. Schneekanonen im Naturschutzgebiet“, führt sie aus. „Und dann noch die Fußball-WM in Katar.“ Ihre Nachbarin spricht aus, was viele wohl denken: „Es ging doch nur um Kohle.“
Auch der Gesundheitsminister wird nicht verschont. Er soll, so heißt es, während der Pandemie kaum geschlafen haben. Stattdessen habe er nächtelang Statistiken gelesen. Dabei sei die Suche nach einer neuen Partnerin auf der Strecke geblieben. „Zum Glück“, meint Herta. „Wer will denn schon neben einem liegen, der nur Statistiken liest. Wo bleibt denn da der Spaß?“

Auch vor der katholischen Kirche macht Helga Siebert nicht Halt. „Wenn es nach mir ginge, würden die alle hinter schwedischen Gardinen landen.“ Diese Aussage findet großen Zuspruch im Publikum.
Wohldosierte Spitzen, Gedichte und Gesangseinlagen
Nach der Pause dann hoher Besuch. Die Queen höchstpersönlich steigt vom Himmel, mit Krone und Engelsflügeln. Hoheitsvoll winkend flaniert sie durch das Publikum, in einem glasklaren und gut verständlichen Englisch klagt sie dabei das Leid über ihre Familie, insbesondere über Andrew sowie Harry und Meghan. „Nun muss ich wieder los, mein Gatte wartet schon mit dem Tee auf mich“, verabschiedet sie sich.
Helga Siebert verschont in ihrem Programm nichts und niemanden. Mit wohldosierte Spitzen, sei es durch ihre Ausführungen, dazwischen eingestreute Gedichte oder Gesangseinlagen, rechnet sie sowohl mit Rechtspopulisten als auch mit den anderen Parteien ab. „Für die Unternehmen wurden riesige Rettungsschirme aufgespannt“, meint sie, „doch für uns blieben nur Schirmchen übrig.“
Nie unter der Gürtellinie, aber hemmungslos offen
Diese Spitzen kommen an. Immer, wenn Helga Siebert oder „Herta“ austeilen, den Politikern den Spiegel vorhält, sind die Besucherinnen und Besucher begeistert. Nie unter der Gürtellinie, aber immer mit einer schon fast hemmungslosen Offenheit rechnet sie in ihrem Jahresrückblick mit der Politik ab.
Und eine äußerst interessante Schlussfolgerung, welche die Ehe betrifft, gibt sie zum Besten. 2022 wäre ja ein Jahr gewesen, das sich durch ein besonderes Datum für Eheschließungen ausgezeichnet habe. „Viele Paare gaben sich am 2.2.22 ihr Ja-Wort. Viele denken ja, dass dadurch die Männer das Datum nicht vergessen. Wir haben am Tag der Deutschen Einheit geheiratet, mein Mann kommt aus der Nummer nicht mehr raus“, lacht sie.
Leben verheiratete Männer wirklich länger?
Dabei führt sie aus, dass Ehen, die an solchen Tagen mit Schnapszahlen geschlossen würden, eine um 18 Prozent höhere Scheidungsrate aufweisen als die Eheschließungen an normalen Tagen. „Männer müssen geheiratet werden, damit sie von der Straße kommen“, so ihre Schlussfolgerung. Und außerdem würden verheiratete Männer länger leben. „Zumindest kommt es ihnen so vor“, ergänzt Herta.
Ein unterhaltsamer Abend, bei dem es sich lohnt, genau zuzuhören. Und sie verspricht, möglichst bald wiederzukommen. Langanhaltender Applaus belohnt sie für ihren Rückblick. Und sie lässt es sich nicht nehmen, im Anschluss noch durch das Publikum zu gehen und mit jedem ein paar Worte zu wechseln. Eine Kabarettistin zum Anfassen eben, bodenständig und mit spitzer Zunge.