„Guten Morgen“ sagt Erwin Richter fröhlich, als er die Tür öffnet. Er sieht an diesem Montag morgen wieder besser aus, allerdings einige Kilogramm leichtert. Erwin Richter erholt sich von einer schweren Herz-Operation. Die Herzprobleme kamen überraschend und veränderten sein Leben.
„Ich war mit meinen Kegelfreunden unterwegs – das war heuer im Frühjahr – als ein Kegler ausfiel. Ich sollte für ihn einspringen“, berichtet er. Da habe er gemerkt, dass er schlecht Luft bekam, regelrecht Atemnot hatte. Unverzüglich suchte er einen Lungenspezialisten auf, der ihn aber an die Kardiologie verwies: Das Herz sei die Ursache. Drei Tage später wurde er im Klinikum Bad Neustadt aufgenommen. Sein Kulmbacher Kardiologe hatte einen Hinterwandinfarkt diagnostiziert. Schnelles Handeln war notwendig. Im Klinikum wurden dem 72-Jährigen mehrere Bypässe eingesetzt. Danach folgte eine vierwöchige Reha-Maßnahme in Bad Kissingen.
„Es hat keinen Sinn mehr. Ich darf mich nicht mehr aufregen, sagten die Ärzte.“
Erwin Richter
„Da hab ich beschlossen: Ich hör' auf! Es hat keinen Sinn mehr“, sagt er mit fester Stimme. „Ich darf mich nicht mehr aufregen, sagten die Ärzte.“ Erwin Richter legte sein Amt als Stadtrat nieder, wie berichtet. Doch was regt ihn denn auf? „Es geht nichts vorwärts“, antwortet er. Auf einem Zettel hat er einige Stichpunkte notiert: Beim Bärengelände gehe nichts weiter, bei der Hochwasserfreilegung für die Kernstadt tue sich gar nichts: „Da muss doch das Wasserwirtschaftamt Kronach schneller agieren“, sagt er mit Blick auf das jüngste Hochwasser in Ostdeutschland. „Da ist schon zehn Jahre nix passiert. Da wirst als Stadtrat schon hibbelig.“

Jedes Schlagloch kennt er
Der Staat bürde den Kommunen außerdem ständig neue Aufgaben auf: Zum Beispiel die Hortplätze für die Kinder. „Aber er gibt uns nicht die Mittel dazu“, kritisiert Richter. Auch die Straßen in Bad Staffelstein müssten dringend saniert werden: Die Schlaglöcher kann er auswendig aufzählen. „Aber es ist kein Geld da.“
Das alles ärgert ihn. Und das wiederum ist nicht gut für sein Herz.
Erwin Richter stammt aus Rehau. In Selb hat er das Walter-Gropius-Gymnasium besucht und danach in Regensburg und Würzburg Jura studiert. Mit seinen Kindern Michael und Isabel war er früher oft unterwegs. Auch mit seinem Kegelverein ist Erwin Richter viel herum gekommen, „Der SKC Staffelstein spielte in der ersten Kegelbundesliga – wir sind bis nach Ungarn und Serbien gereist“, erzählt er. Noch immer geht er regelmäßig zu seinen Keglern. Allerdings nur noch als Zuschauer und nicht zum Kegeln. „In einem Vierteljahr könnte ich mir das wieder vorstellen“, sagt er voller Vorfreude. Gekegelt werde schon lange in Lichtenfels, auf der Kegelbahn des ESV.
Freude an kleinen Dingen
Er hat begonnen, sein Herz wieder sanft zu belasten. Zweimal täglich sitzt er auf dem nagelneuen Ergometer, jeweils 15 Minuten lang. Mit 40 Watt habe er angefangen, bald sollen es 70 und dann mehr werden, sagt er.
In der jüngsten Stadtratsitzung ist sein Rücktritt von allen Ämtern verkündet worden. Eine eindrucksvolle Bilanz. Er war seit 2014 Stadtrat und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler. Außerdem war er Mitglied im Energie- und Klimaausschuss, Rechnungsausschuss und im Zweckverband Thermalsolbad Bad Staffelstein.
Richter spricht drei Fremdspreachen: Französisch, Englisch und Spanisch. Bevor er von 1994 bis 2014 im Notariat in Bad Staffelstein tätig war, arbeitete er zehn Jahre lang als Notar in Burgkunstadt. Die Ausbildung hat er in Hof und in München absolviert, dabei auch Abstecher nach Bad Tölz gemacht oder Kollegen in Kempten ausgeholfen. „Die hast manchmal nicht verstanden “, sagt er lachend. Warum er nicht in Oberbayern geblieben ist, fragen wir nach. „Als Notar wirst du hier nicht reich – in München schon eher“, räumt er ein. Aber das sei für ihn keine Argument gewesen, in Oberbayern zu bleiben. Es sei eine schöne Zeit gewesen, aber „die Leute sind hier nicht so anstrengend.“ Und er solle sich ja nicht mehr aufregen.
Er freut sich über die kleinen Dinge: Von seiner Penthousewohnung in Bad Staffelstein hat er einen wunderschönen Blick über die Stadt, genießt den Sonnenuntergang vom Balkon aus. „Die Treppen in den zweiten Stock steigen, schaff ich schon wieder, aber der Staffelberg geht noch nicht.“ Es geht wieder aufwärts. „Ich darf jetzt auch wieder Auto fahren, das war sechs Wochen nicht erlaubt“, sagt er lächelnd.
Das Obermain-Tagblatt wünscht weiterhin gute Besserung.