Eine junge Frau in zartgrünem Brautkleid, apart frisiert, betritt - nein - stürzt förmlich auf die Bühne, schluchzend, weinend, sich die Hände vors Gesicht haltend. „Ich hab es nicht anders verdient“ , bemitleidet sie sich lautstark . Nur wenige Augenblicke später wird sie wütend: „Ich bring ihn um! Ich erschlag ihn mit dem Spaten!“ Sie hält einen Zettel hoch.
Das Publikum im Brückentheater hält kurz den Atem an, als sie die Bühne verlässt, zu einem der wenigen Herren unter den Zuschauern eilt. „Da! Lesen Sie es! Ich hab es heute auch schon lesen müssen!“, fordert sie einen Mittfünfziger in der zweiten Reihe auf. „Ich kann nicht“, liest dieser laut vor. Oje. Nun ahnen die knapp 70 Anwesenden im ausverkauften Brückentheater Schlimmes. Mit diesem Zettel, mit diesen drei Worten, die Braut Dagmar auf ihrem Nachttischchen fand, endet für sie völlig überraschend die große Liebe mit ihrem Johnny.
So eine Demütigung
Johnny, den sie an diesem Tag eigentlich heiraten wollte, für den sie wochenlang Yoga und Bauch-weg Gymnastik gemacht hatte, für den sich schön frisiert hat, elegant gekleidet hatte, den sie liebt. Nein, den sie hasst: „So eine Demütigung - das verlangt die Todesstrafe!“ zetert sie.

Mit hervorragender schauspielerischen Leistung verkörpert Silvia Ferstl die Dagmar. Sie tobt, sie flucht, sie leidet - und das Publikum leidet mit ihr. Doch nur für einen Moment: nun ersinnt sie Rachepläne. Fürchterliche Rachepläne. Um wenige Minuten später ganz verträumt ein Plädoyer für die Liebe zu halten. Silvia Ferstl schafft diesen Spagat, ist dabei absolut glaubwürdig und fesselt ihr Publikum. Man fühlt aufrichtig mit. Oder gerät selbst in Kindheitserinnerungen. Braut Dagmar hat überstürzt die gemeinsame Wohnung verlassen und sich in ihr altes Baumhaus geflüchtet, ihren Lieblingsplatz in den Kindertagen. Wie anders es hier oben im Baum seitdem geworden ist.
Kein Puppentheater
Alles ist so klein, kleiner, als sie es in Erinnerung hatte. Und doch sind das ihre alten Sachen: ihr rosa Prinzessinnenkleid. Es ist zu eng - Dagmar muss sich hineinzwängen. Und ihr alter Kassettenrekorder ist noch da. Auch ihr Bilderbuch zum Aufklappen, Teddy Rudi - und die Handpuppen. Dagmar schlüpft hinein. Doch sie spielt kein Puppentheater, sie spielt - wie Kinder es machen - ihre eigene Situation nach. Immer wieder gibt es Applaus, vor allem, als sie die frühere Schwiegermutter mit der Krokodil-Puppe nachspielt. Dagmar war nämlich schon zweimal verheiratet.
Mann Nummer drei sollte Johnny werden - doch wegen der drei Worte „ich kann nicht“ wird aus dieser Liebeshochzeit wohl nichts. Dabei war Johnny doch der einzige, den sie wirklich geliebt hat - im Gegensatz zu den vorherigen Männern. Oder vielleicht doch nicht? Das Publikum lauscht entzückt. Es hört sich staunend den Rat der verlassen Braut an.
Heiratet nie aus Liebe
„Heiratet nie aus Liebe. Zum lieb haben braucht man einen Liebhaber. Der Ehegatte ist nur zum begatten da - das steckt ja schon im Namen...“. Wieder weint sie: „Keiner sucht mich!“ Sie wird wieder wütend. Auf Johnny im besonderen, der sie sowieso schon mit seiner Vergesslichkeit genervt hatte und auf das männliche Geschlecht im allgemeinen. „Der liebe Gott muss wohl nach dem Minimalprinzip vorgegangen sein, als er den Mann erschuf!“ Es scheint, als ob der schönste Tag in ihrem Leben zum traurigsten wird. Nun, es gibt eine überraschende Wende: damit hatte weder das Publikum noch die Braut Dagmar gerechnet.
Tolles Drehbuch von Autor Stefan Vögel. Die Regie bei der rund 90 - Minuten Komödie führte Christoph Ackermann. Dieses Stück hat der Fränkische Theatersommer Landesbühne Obefranken heuer neu in sein Programm genommen. Ebenfalls neu ist das Musiktheater „Gärten der Liebe“ am 8. Juni im Brückentheater und „Amphitryon“ im Theaterzentrum Kutzenberg am 17. Juni.