Es war im Jahr 1108, als ein Ort namens „Zaffendorf“ erstmals in den Annalen der Geschichte auftaucht, genauer gesagt in einer Urkunde des Klosters St. Stephan zu Würzburg. Doch was bedeutet dieser Ortsname eigentlich – und wie alt könnte das Dorf am Main sein? Namensforscher und Genealoge Dr. Joachim Andraschke hat dafür die verfügbaren Quellen gesichtet. In einem Aufsatz in der Heimatgeschichtlichen Zeitschrift „Vom Main zum Jura“ widmet er sich diesem Zankapfel der Namenskunde.
Wer im Internet in der freien Enzyklopädie Wikipedia nach Zapfendorf und seiner Geschichte sucht, findet die Aussage, dass „der Name auf Zapfo (Dorf des Zapf)“ zurückgehe und sich „also wohl auf einen zapfenden Wirt“ beziehe. Diese Darstellung allerdings sorgt immer wieder für Stirnrunzeln und Zweifel, zumal etliche Urkunden, in denen Zapfendorf vermeintlich genannt wird, gesichert oder zumindest mutmaßlich gefälscht sind, beispielsweise der Codex Eberhardi. Und so näherte sich Andraschke dem Alter des Ortes über die Schreibweise „Zaffendorf“. „Es handelt sich dabei um eine altalemannische Lautform, die gelegentlich in Unterfranken auftritt und mit der Alemannisierung Unter- und Oberfrankens in der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts zu erklären ist“, sagt er.
Sigiloch verschenkte den Ort
Doch handelt es sich bei dem in der Urkunde genannten Ort wirklich um das Zapfendorf im heutigen Landkreis Bamberg? Höchstwahrscheinlich, meint der Historiker. Es sei kein ähnlich lautender Ort in Unterfranken, dem Einzugsbereich des Klosters St. Stephan, zu finden. Auch die große Entfernung zu St. Stephan sei kein zwingendes Argument gegen diese Theorie: „Der Schenker Sigiloch kann schlicht einen persönlichen Bezug zu dem Stift gehabt und sein Erbe aus dem Obermaingebiet dort eingebracht haben.“
Dass ein zapfender Wirt der Ortsgründer gewesen sein könnte, hält Dr. Joachim Andraschke für sehr unwahrscheinlich, „denn solche Namen sind eher als Beinamen in das Hochmittelalter zu verlegen, als der Ort selbstverständlich schon lange existierte.“ Und: Wenn man als Keimzelle des Ortes eine Schankwirtschaft annehmen würde, so hätte sich der Name wohl eher aus Zapfhus entwickelt – und hieße dann heutzutage vermutlich Zapfhaus(en). Auch den Ansatz, bei „Zapfo“ handele es sich um einen Beinamen, eine Beschreibung einer gedrungenen Person, hält der Namensforscher für unwahrscheinlich. „In der germanisch-frühdeutschen Namensgebung war eine solche spöttische Bezeichnung untypisch“, erklärt er.
Führer des wilden Heeres
Andraschke zieht eher einen Götterbeinamen in Betracht und blickt dazu auch gen England und nach Skandinavien. Götter habe man nicht direkt beim Namen nennen dürfen, wohl aber mit ihren Attributen beschreiben dürfen. „Tapp“ lasse sich auf das altnordische tópi zurückführen, was unter anderem „Raserei“ bedeute – und damit Wotan, den Himmels- und Totengott und Führer des wilden Heeres, meinen könnte.
„Damit läge bei *Zapfo also ein Beiname dieses höchsten germanischen Gottes vor“, denkt Andraschke weiter. „Der Ortsgründer hätte seinen Rufnamen nach dem Götterbeinamen erhalten.“ Und: „Es ist daher anzunehmen, dass in der Region Zapfendorf ein Zentrum des Wotanskults existiert haben dürfte, was einen solchen Namensbezug denkbar erscheinen ließe.“ Dafür sprechen auch die Flurnamen Reutersknock („althochdeutsch „ruitan“ = ausrotten, vernichten; einer der Beinamen des Gottes ist „Vernichter“) und der einstigen Maininsel Hermannswöhrd („Heran/Herian“ = „der die Herrschaft über das wilde Heer ausübt“). Andraschke: „Mit den beiden Flurnamen zeigt sich nun, dass hier ein Wotanskult betrieben worden sein muss. Damit verdichten sich die Indizien, dass dem Ortsnamen Zapfendorf ein germanischer Personenname im Bestimmungswort zugrunde liegt.“
Eine Engstelle im Main
Es gibt für den Namensforscher aber auch noch eine andere plausible Namensdeutung. So hatte Zapfendorf eine Fährstelle am nahe gelegenen Main – im Urgermanischen bedeutet „tapp“ unter anderem zusammenpressen oder stopfen, könnte also eine Bezeichnung für die Engstelle im Fluss sein, die den Main einst zwang, einen neuen Arm auszubilden. „Auf Zapfendorf übertragen kann dies bedeuten, dass der Ort nach einem verlandeten Altarm des Mains mit Überfahrstelle benannt wurde“, so Andraschke.
Aber: „Mit hoher Wahrscheinlichkeit liegt ein ostgermanischer Personenname *Tappa zugrunde. Dabei handelt es sich um einen ausgesprochen seltenen Personennamen, der sich von einem Götterbeinamen des Himmelsgottes Wotan ableitet.“ Der Träger dieses Namens habe dann wohl einem Kriegerbund angehört.
Wohl Gründung der Burgunder
„Sicher ist, dass der Ort bereits im vierten beziehungsweise fünften Jahrhundert existiert haben muss und wahrscheinlich auf einer Gründung durch Burgunder beruht.“ Er gehöre damit zur ältesten Schicht der „-dorf“-Namen des Regnitz- und Obermaingebiets.
„Vom Main zum Jura“ Das aktuelle, 166 Seiten starke Heft 2024 „Vom Main zum Jura. Heimatgeschichtliche Zeitschrift für ,die Lande um den Main‘“ (ISSN 01787-1558) ist erhältlich in den Buchhandlungen Geis in Bad Staffelstein, Burgkunstadt und Michelau, bei A. Dumproff Buch & Kunst in Lichtenfels, in Löpperts Lädchen in Weismain, bei Collibri und Lorang in Bamberg sowie beim Herausgeber Wolfram Degen selbst, E-Mail: wolframdegen@aol.com.