Es war kalt. Es regnete. Dennoch waren nur wenige Stühle im Rosengarten des Bad Staffelsteiner Kurparks nicht besetzt. Tapfer harrten die Besucherinnen und Besucher aus, eingehüllt in Regenponchos und dicke Jacken, um einen der größten Liedermacher Deutschlands auf der Bühne zu erleben. Bereits mehrmals verschoben, war es endlich so weit, und unter tosendem Beifall betrat er die Bühne.
Und er begann so, wie ihn sein Publikum liebt. Mit offenen Worten, mit eindeutigen Botschaften. „Während Tausende im Fußballstadion sitzen, hat man unsere Kultur getötet“, machte er seinem Unmut über die Regulierungswut gerade im kulturellen Bereich Luft und führte ein Zitat von Georg Kreisler an: „Wer Kunst versäumt, verschenkt nicht nur einen wichtigen Teil seines Lebens, sondern leistet auch Vorschub für eine Veränderung der Gesellschaft, die meist mit Blutvergießen verbunden ist.“ Trotz oder gerade wegen seiner sanften Stimme kamen die Worte beim Publikum an. Doch damit war Konstantin Wecker noch nicht am Ende, denn „Kunst muss gelebt werden, damit sie nicht ersetzt wird durch Gewalt“, fügte er an. Damit setzte er sich an sein Piano und spielte das Lied über einen fiktiven Freund mit Namen Willy, der von Faschisten erschlagen wird, weil er sich gegen sie gestellt hat.
„Wer Kunst versäumt, verschenkt nicht nur einen wichtigen Teil seines Lebens, sondern leistet auch Vorschub für eine Veränderung der Gesellschaft, die meist mit Blutvergießen verbunden ist.“
Konstantin Wecker, Liedermacher
Nach diesem starken und bewegenden Auftakt wurde es zunächst ruhiger. Er bat die Cellistin Fany Kammerlander und den Pianisten Joe Barnickel, mit dem ihm eine über 20-jährige Arbeit verbindet, auf die Bühne. Immer wieder unterbrochen von seinen Gedichten, die er vorlas, sang Wecker eine stattliche Anzahl seiner Liebeslieder, erzählte aus seiner Kindheit und von seinem Schaffen. Doch auch eine gewisse Portion Selbstironie zeigte er, als er erklärte, dass er normalerweise erst ein Gedicht schreibt und es dann vertont, aber „irgendwie kam mir das bekannt vor“, grinste er, als das Publikum „Ode an die Freude“ erkannte. „Vielleicht hab ich da ein wenig ein Plagiat mit drin“, lautete sein der Seitenhieb auf Ereignisse in der Politik.
Ja, er ist immer noch ein Träumer. Aber ein realistischer Träumer, gibt er zu. Dazu passend hatte er ein Gedicht eines Mannes vertont, der für ihn, wie er sagte, einer der Dichter sei, die ihn geprägt haben. Novalis, ein Schriftsteller der Frühromantik und Philosoph aus dem 18. Jahrhundert. „Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren …“ intonierte er. Und wer genau hinhörte, der erkannte im virtuosen Cellospiel von Fany Kammerlander ein Musikstück der „Münchner Freiheit“, das zu dem Gedicht und zum gesamten Abend passte: „So lang‘ man Träume noch leben kann.“
Gegen den Faschismus in den Köpfen und Herzen
Und er setzte seine Träumereien fort. Konstantin Wecker ist immer noch ein Mann, der in der Poesie Botschaften einbindet, der immer noch seine Meinung kundtut, „… auch wenn mich manchmal meine Gedichte selber erschrecken …“ Sei es gegen den Wahnsinn der immerwährenden Aufrüstung, der Menschen in Tod und Elend und in die Flucht treibt, die dann am Ende in „einem vergifteten Meer ertrinken“, oder gegen den Faschismus in den Köpfen und Herzen. Und gerade diese Botschaften kamen beim Publikum an.
„Schäm dich, Europa“, sang er gegen die Kraftlosigkeit der Regierungen an, verurteilte die Wankelmütigkeit und die Jagd nach Geld und Reichtum auf Kosten der Menschen in den Kriegsgebieten. Und er erinnerte an die Geschwister Scholl, die beim Kampf gegen den Nationalsozialismus ihr Leben verloren. „Ihr habt geschrien, wo andre schwiegen …“, ein Text, bei dem mancher eine Gänsehaut bekam, zeigt er doch auf, dass es wohl wieder zu viele gibt, die schweigen.
Wecker zählte eine Reihe seiner Mentoren auf und Menschen, die ihn in seinem Leben und seinem Werk geprägt haben. Neben Hanns Dieter Hüsch und Dieter Hildebrandt fiel dabei der Name Hans-Peter Dürr, Mathematiker und Physiker. Nach vielen erfolglosen Versuchen, ihm Mathematik und Physik nahe zu bringen, verglich Dürr dies mit der Poesie: „Materie ist nur gefrorenes Licht“, was Wecker dann in einem Lied verewigte, das er dem Physiker widmete.
Sein Traum: Utopia. Ein Land, ein Kontinent, eine Welt ohne Grenzen, ohne Willkür, ohne Kriege. Und der Titel eines seiner Alben und einer geplanten und verschobenen Konzertreihe. Er ist immer noch auf der Suche nach diesem Traum. Und sein Publikum träumte mit ihm. Von einer Welt ohne Unterdrückung, einer Welt voller Freiheit. Von dieser Utopie.
Der Traum von einer Welt ohne Unterdrückung

Als er am Ende der Veranstaltung, vielleicht nicht ganz Corona-konform, die Bühne verließ und sich singend in die Menge begab, war die Begeisterung spürbar. Und auch die Dankbarkeit von Konstantin Wecker, der sich sichtbar bewegt verabschiedete. Und über allem schwebte seine Botschaft, manchmal offen, manchmal unterschwellig. „Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg.“
In seinen Texten und seinen Liedern lebt er den Traum von „Utopia“, denn, wie er im gleichnamigen Lied singt: „Nennt mich gerne einen Spinner, der passt nicht in unsre Zeit, doch ihr lebt in einem Albtraum, mein Traum ist die Wirklichkeit.“