Im Neubau des Bezirksklinikums Obermain werden ab 1. Mai krankheitsuneinsichtige Patienten mit ansteckender Tuberkulose (TBC) behandelt. Sie ist die einzige Klinik ihrer Art im gesamten Bundesgebiet, nachdem das Lungenklinikum in Parsberg (Oberpfalz) im Juni geschlossen wird. Zur Schlüsselübergabe für das 7,5 Millionen Euro teure Gebäude war auch Gesundheitsminister Klaus Holetschek nach Kutzenberg gekommen.
Die Patienten werden ausschließlich aufgrund eines richterlichen Beschlusses untergebracht. Sie befinden sich also nicht freiwillig in der Klinik. Die Behandlung dauert im Durchschnitt vier Monate, in Einzelfällen zwei bis zwölf Monate. „In Deuschland gibt es jedes Jahre etwa 3000 bis 4000 neue TBC-Fälle“, erklärte Chefarzt Dr. Saleh Al Hamoud.

Die TBC-Kranken, die in Kutzenberg in der „non compliance“ Station untergebracht werden, gehörten zu der Gruppe Patienten, die jegliche Behandlung und Isolierung verweigern. Wegen der Schwere und Ansteckungsgefahr dieser meldepflichtigen Seuchenerkrankung Lungentuberkulose würden sie zum Schutz der Bevölkerung zwangseingewiesen.
Das Haus ist besonders gesichert, da die Patienten nicht freiwillig kommen
Sie kommen aus ganz Deutschland und werden in Einzelzimmern untergebracht. Die ähneln vom Mobiliar eher einer Gefängniszelle als einer Kurklinik: „Sie müssen sich vorstellen, dass keiner hier freiwillig da ist“, da müsse man ehrlich sein. Die 16 bis 18 Quadratmeter großen Zimmer besitzen ein Bett, einen Tisch, zwei Stühle, Nachtkästchen, W-LAN und einen Fernseher mit SAT-Anschluss. Die Fenster sind außen vergittert, lassen sich aber von innen komplett öffnen. Bis zu 24 Patienten können hier behandelt werden.

Ähnlich wie im Parsberger Modell dürften die Patienten mit der Außenwelt kommunizieren, erklärten Pflegedienstleiter Steffen Weber und Standortleiterin Eva Gill beim Rundgang durch das neue Gebäude. Bevor Seniorchef Alois Dechant vom Weismainer Bauunternehmens Dechant den Schlüssel symbolisch überreichte, traf ein hoher Gast in Kutzenberg ein. Der Minister für Gesundheit und Pflege, Klaus Holetschek, freute sich, dass die neue Klinik in nur elf Monaten Bauzeit errichtet wurde.
„Das ist ein klares Bekenntnis zum Standort Kutzenberg!“
Henry Schramm, Bezirkstagspräsident
In Kutzenberg hat die Behandlung von TBC-Kranken eine lange Tradition: Seit mehr als 70 Jahren wird hier Lungenheilkunde betrieben, seit mehr als 100 Jahren gibt es hier eine psychiatrische Klinik. Beide Fachrichtungen werden im Bereich der neuen TBC-Einheit Hand in Hand arbeiten. Die Zusammenarbeit und die Kombination aus Lungenklinik und Psychiatrie biete die besten Erfolgsaussichtungen zur Behandlung dieser Infektionskrankheit, so die GeBO.

Mit diesem Bau werde der Standort Kutzenberg weiter gesichert. Die TBC-Einheit ist ein Bestandteil von großen Investitionen am Bezirksklinikum Obermain – insgesamt sollen in den nächsten Jahren rund 200 Millionen Euro in Kutzenberg investiert werden. 35 neue Arbeitsplätze sind durch die TBC-Einheit entstanden. Außerdem habe der Bezirkstag insgesamt ein Paket mit mehr als einer halben Milliarde Euro beschlossen, sagte Bezirkstagspräsident Henry Schramm. „Das ist ein klares Bekenntnis zum Standort Kutzenberg!“ Er appellierte: „Wir werden ab dem 1. Mai hier Patienten aufnehmen müssen, und wir müssen alle zusammen halten, dass es so auch klappt!“
Bürgermeister Bernhard Storath wünschte dem Projekt gutes Gelingen und viel Erfolg bei der Behandlung, betonte aber auch, dass die Standortfindung nicht ganz harmonisch erfolgt sei. Selbstverständlich werde er die Entscheidung des Gemeinderats akzeptieren, frage sich allerdings: „Was passiert, wenn die Leute nach der Krankheit entlassen werden? Für einen Ort mit 6000 Einwohner wird das nicht einfach. Wir werden das beobachten.“
Der finanzielle Aspekt wurde erst auf Nachfrage der Presse genannt: Die GeBO habe einen Vertrag mit dem Bundesland Bayern geschlossen, dieses wiederum mit den anderen Bundesländern, mit Ausnahme von Schleswig- Holstein.

Kommt ein Patient aus Hamburg nach Kutzenberg in die TBC-Einheit, trägt das Land Hamburg die Kosten für den Aufenthalt. Sie würden einheitlich mit Kleidung ausgestattet. Sind sie körperlich und seelisch dazu in der Lage, dürften sie sich im Mehrzweckraum oder im gesicherten Patientengarten aufhalten, auch Sport sei dort erlaubt.
Den Schwächeren in der Gesellschaft helfen, auch wenn sie es nicht wollen
Letztendlich begrüßten die Ehrengäste und die Klinikleitung die Eröffnung der neuen Klinik: „Wir müssen den Schwächeren unserer Gesellschaft eine Lobby geben, auch wenn sie es momentan nicht verstehen“, so der einhellige Tenor.

Das betonten Landrates Christian Meißner ebenso wie Professor Thomas Kallert sowie die GeBO-Geschäftsführerinnen Katja Bittner und Eva Gill. Den kirchlichen Segen für die Einrichtung, ihre Bewohner und das Personal sprachen Pfarrerin Sabine Schmid-Hagen und Diakon Stefan Alkhofer.
Hintergrund Die GeBO Gesundheitseinrichtung des Bezirks Oberfranken beschäftigt am Standort Kutzenberg mehr als 600 Mitarbeiter. Für das Projekt Non-Compliance-Einheit (TBC-Einheit) sind 1600 Quadratmeter Fläche überbaut worden. Die Kosten beliefen sich auf rund 7,5 Millionen Euro und liegen damit in der Kostenplanung. Weltweit sterben an TBC jährlich 1,5 Millionen Menschen (Quelle: Professor Kallert)