Sie ist schon Tradition und ein fester Bestandteil des Terminkalenders in Kloster Banz. Inge Müller-Lamprecht, Tochter des Malers Fritz Lamprecht, hat noch vor ihrem Tod die Gemäldesammlung mit den Werken ihres Vaters der Hanns-Seidel-Stiftung vermacht mit der Vorgabe, diese auszustellen und einmal im Jahr der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dies geschieht immer am Buß- und Bettag mit der sogenannten „Lamprechtiade“, bei der auch eine Führung durch die Sammlung angeboten wird.
Michael Moeslein, Leiter des Bildungszentrums, begrüßte die Gäste, freute sich, dass das Interesse auch in diesem Jahr ungebrochen war, und begann mit einem Bonmot. „Draußen stand bis vor Kurzem eine alte Eiche. Laut Baumgutachten, das wir erst neulich erhielten, war sie kerngesund und sollte quasi bis zum Jüngsten Gericht dort stehen. Doch als wir eines Morgens hier ankamen, hatte sie sich in den kleinen Weiher niedergelegt.“ Sie musste mittels eines 200-Tonnen-Autokrans geborgen werden und soll jetzt auf dem Parkplatz auf einem extra dafür hergerichteten Platz ausgestellt werden. „Sie sehen, auch Gutachter können sich irren.“
Bekannt aus dem alten Ägypten
Damit schlug er den Bogen zum Vortrag des Museumskurators auf Banz, Torsten Renner, der mit seinem spannenden Vortrag zur Entstehung und Geschichte von Gipsabformungen ein bestimmtes Ziel verfolgte, das sich aber erst ganz am Schluss zeigte und in einer riesigen Überraschung mündete.
Die Abformung mit Gips ist eine der ältesten Bildformungsprozesse, die man kennt. Damit erreicht man eine sehr naturgetreue Abbildung, die selbst die kleinsten Details sichtbar werden lässt. Bereits im alten Ägypten wurde diese Technik angewandt. Eine Blütezeit erlebte sie zur Zeit von Pharao Echnaton, der einen Monotheismus einführte. Als einziger Gott sollte nur Aton, der Sonnengott, angebetet werden. Alle anderen Götterskulpturen in den Tempeln wurden zerstört oder unkenntlich gemacht.
Sensationsfund
In diese Zeit fiel auch die Gründung einer neuen Stadt, die er als seinen Regierungssitz auserkor. Achet-Aton, 312 Kilometer südlich von Kairo. Innerhalb kürzester Zeit wurde die Stadt erbaut und das Zentrum von Religion und Kultur. Doch kurz nach dem Tod Echnatons wurde die Stadt unter Tutanchamum wieder aufgegeben, viele der dort entstandenen Gipsabformungen und Werkzeuge blieben zurück und wurden bei verschiedenen Ausgrabungen dort gefunden.
Am 6. Dezember 1912 fand Ludwig Borchardt in der Werkstatt von Thutmosis das Abbild einer Frau, die oft als „die schönste Frau der Welt“ bezeichnet wird: Nofretete, die Hauptgemahlin des Pharaos Echnaton. Die Büste besteht aus Kalkstein und Stuck mit einer Augeneinlage aus Bergkristall, wobei nur das rechte Auge erhalten ist. Das linke fehlt und konnte trotz intensiver Suche und der Aussetzung einer hohen Belohnung nicht gefunden werden.
Erstmals ausgestellt wurde sie 1924 auf der Berliner Museumsinsel, seitdem verlangen ägyptische Behörden immer wieder ihre Rückgabe. Da Ägypten zur Zeit der Grabungen britisches Protektorat war und damit unter den Bedingungen der Besatzer nach Deutschland kam, wird argumentiert, das sei koloniale Raubkunst. Aktuell ist sie im Neuen Museum auf der Berliner Museumsinsel untergebracht.
Eine naturgetreue Kopie
Von der Büste der Nofretete wurden seitdem immer wieder Abbildungen gefertigt, zum Teil im Abdruckverfahren, aber auch durch manuelle Messungen. Inzwischen hat man sie mittels eines digitalen Verfahrens eingescannt und konnte damit eine naturgetreue Kopie erstellen.
Während des Vortrages war bei Torsten Renner immer der Enthusiasmus und die Liebe zur Geschichte zu spüren, die, je weiter sein Vortrag fortschritt, immer deutlicher zutage trat. Und das war nicht weiter verwunderlich, hatte er sich doch die große Überraschung bis zum Ende aufgespart: Seit dem 20. November ist im Museum eine der Kopien als Leihgabe ausgestellt. Zu dieser führte er die Zuhörerinnen und Zuhörer nach seinen Ausführungen. Sprachlosigkeit und Erstaunen herrschte unter den Besucherinnen und Besuchern, andachtsvoll standen sie vor der Büste, die auf einem schwarzen Sockel thront.
Torsten Renner lächelte glücklich. „Was glauben Sie, hat Nofretete wirklich so ausgesehen?“ Er musste sein Publikum enttäuschen. „Sehr wahrscheinlich ist dies nur ein idealisiertes Abbild. Wenn man die Gesichtszüge der beiden Hälften vergleicht, sind diese absolut symmetrisch. Und diese Symmetrie kommt in der Natur halt nicht vor.“