Kürzlich lag in vielen Briefkästen im Landkreis Lichtenfels und in ganz Deutschland eine für viele unerwartete Post: „Liebe Kundinnen und Kunden, wir müssen Ihnen schweren Herzens mitteilen, dass wir unser Geschäft schließen werden. Wir bedanken uns ganz herzlich für Ihre jahrelange Treue. Schauen Sie doch noch einmal vorbei und sparen Sie 30 Prozent auf Ihren Einkauf. – Ihr Mode Dinkel Team.“
7. Juni: Der Räumungsverkauf beginnt, Kunden lösen ihre Gutscheine und Gutschriften ein. Geschäftsführerin Astrid Lieb, ihr Ehegatte Michael und die Seniorchefin Johanna Dinkel machen diesen Schritt nicht leichtfertig. „In den letzten Jahren gab es immer wieder mal eine Aktion mit reduzierten Preisen bei uns“, erläutert Michael Lieb. Die Gründe waren verschieden: Saisonschluss, Betriebsjubiläum, Renovierungsarbeiten und einmal auch ein Wasserschaden.
Von Lebensmittel und Kolonialwaren zum reinen Bekleidungsgeschäft
Doch dieses Mal ist alles anders. Das renommierte Haus am Marktplatz in Bad Staffelstein wird für immer seine Türen schließen. 35 Jahre lang stand der Name „Mode Dinkel“ für Qualität, Chic und kompetente Beratung. Die Familien Dinkel und Lieb führten Mode für Herren und Damen in vielen Größen und in großer Auswahl. Passend dazu fand der Kunde ein umfangreiches Angebot an Accessoires, wie Schals, Tücher, Krawatten, aber auch Strümpfe, Handschuhe und Mützen.
Das war zu den Anfangszeiten von Mode Dinkel noch nicht so. In den 159 Jahren, in denen die Familie schon Einzelhandelsgeschäfte betreibt, hat sich der Standort in der Stadtmitte von Bad Staffelstein erst in den vergangenen 31 Jahren entwickelt. Das Stammhaus der Familie, das „Kaufhaus Dinkel“, befand sich nämlich in Ebensfeld, gleich in der Nähe der Kirche. Hier gab es Lebensmittel, Textilien, Kolonial- und Haushaltswaren. Nach und nach entwickelte sich daraus ein reines Bekleidungsgeschäft.
Erst nur eine Filiale, dann der Umzug in die Badstadt
1988 erkannte Johanna Dinkel das Potential in der Nachbarstadt Staffelstein und eröffnete dort eine Filiale: den Modeladen. Einheimische Kundinnen und die ersten Gäste der Obermain Therme fanden hier schicke Mode und vor allem eine fachkundige Beratung. Gemeinsam mit „Schuh-Eberl“ wurde 1991 das „M10 – Mode am Rathaus“ gegründet. Jetzt konnte man hier auch Mode für den Herrn, Schuhe, Freizeit- und Sportartikel kaufen. Gleich gegenüber präsentierte „Der Kaktus“ mit einem großen Angebot an namhaften Jeansmarken attraktive und erschwingliche Mode für junge Leute.
Nach der Schließung des „Kaktus“ und des Haupthauses in Ebensfeld expandierte das Staffelsteiner Ladengeschäft weiter. Mit einem Wanddurchbruch zum Nachbargebäude (Familie Pohl) konnte die Ladenfläche vergrößert werden: 250 Quadratmeter standen nun für den Verkauf zur Verfügung, dazu kamen Lagerräume und das Büro.
„Langjährig wiederkehrende Urlaubsgäste kamen in den Laden und riefen ,Hallo, wir sind wieder da‘ – und das, noch bevor sie ihr Quartier bezogen.“
Michael Lieb, Geschäftsführer
Als Seniorchef Georg Dinkel im Jahr 2007 verstarb, trat seine Tochter Astrid Lieb mit ins Geschäft ein. Es hieß nun „Mode Dinkel GmbH“. Neun Mitarbeiter sorgten für das Wohl und den Chic ihrer Kunden, die dank des guten Rufes der Therme mittlerweile aus ganz Deutschland kamen. Viele Freundschaften entstanden. „Langjährig wiederkehrende Urlaubsgäste kamen in den Laden und riefen ,Hallo, wir sind wieder da‘ – und das, noch bevor sie ihr Quartier bezogen. Das hat uns sehr gefreut und natürlich stark motiviert“, blickt Michael Lieb freudig zurück.
Dann wird er ernst. Corona kam. Das Geschäft musste schließen. Die Frühjahrs- und Sommerware, dann die Herbst- und Winterware – mehr als ein halbes Jahr zuvor geordert – wurde dennoch geliefert. „Wir mussten die bestellte Ware natürlich annehmen.“ Sie blieb im Lager liegen. Wegen Corona durfte der Einzelhandel nicht öffnen.
Wie das Geschäft durch die Corona-Jahre gekommen ist

Die Familie hielt zusammen und versuchte alles Mögliche: Kunden konnten telefonisch bestellen. Die Bekleidungstüten wurden dann gepackt und konnten zu einem bestimmten Termin abgeholt werden. Dann lieferte und verschickte die Familie Dinkel/Lieb die gewünschten Artikel sogar.
Das Personal musste in Kurzarbeit geschickt werden. „Einige unserer Mitarbeiterinnen sind schon ihr ganzes Berufsleben hier“, so Michael Lieb. Die Chefs mussten ran. Seniorchefin Johanna Dinkel wurde mit über 70 Jahren wieder zur Vollzeitkraft. Mit dem Vermieter (Familie Sünkel) wurden viele Gespräche geführt. „Gott sei Dank hatten wir all die Jahre ein gutes Verhältnis“, so Michael Lieb. Auch die „Corona-Hilfen“ halfen weiter.
Lieferkettenproblem, Inflation, unsichere politische Lage, Corona
Nach den ersten Lockdowns und der Wiedereröffnung der Therme lief das Geschäft wieder an. Die Lager waren noch voll, da waren schon die nächsten Kollektionen bestellt und geliefert worden. „Farben, Schnitte, Formen – das ändert sich ja stets in der Mode!“, erklärt Lieb. „Wir haben ja ein Jahr Vorlauf!“
Im Frühjahr 2022 fassten die Familie Dinkel und Lieb schließlich den Entschluss und sprachen mit ihren Mitarbeiterinnen wegen der Geschäftsschließung. „Der Abverkauf ist für alle Beteiligten ein steiniger Weg“, bedauert Geschäftsführerin Astrid Lieb. Ihre Mutter Johanna Dinkel stimmt zu. Die unsichere politische Lage, das Lieferkettenproblem, die zunehmende Inflation und nicht zuletzt die Unsicherheit, ob es wieder zu umfassenden Coronabeschränkungen kommt, veranlassten sie zu diesem Schritt.
Ärger über alle möglichen Spekulationen

Doch da ist noch etwas, was besonders Michael Lieb ärgert: nämlich das Gerede und alle möglichen und unmöglichen Spekulationen. „Sagte mir doch jemand ins Gesicht: ,Das war doch sicher, dass ihr aufhört!‘ Mit so was wirst du dann auch noch konfrontiert!“ Das sei nicht schön.
Das seit 159 Jahren familiengeführte Unternehmen verabschiedet sich nicht ohne ein Dankeschön an die Kunden. 30 Prozent Rabatt gibt es auf die Restbestände. Der Verkauf findet statt, solange noch Ware da ist.
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 9 bis 12.30 Uhr und von 14 bis 18 Uhr, Samstag von 9 bis 13 Uhr.