„Leblose Person im Bad Staffelsteiner Ostsee“ – Kai und Felix sind gerade dabei, Streife zu fahren, als sie per Funk die Notfallmeldung bekommen. Sie verlieren keine Sekunde, wenden ihr Fahrzeug und fahren so schnell es geht an die Unglücksstelle. Das letzte Stück sprinten sie zu Fuß. Eine Spaziergängerin, die selbst keine Hilfe leisten kann, hat den Notruf abgesetzt. Sie steht am Ufer und winkt die beiden aufgeregt herbei. In wenigen Sekunden schätzen die jungen Männer die Lage ein: Sie springen beide ins Wasser, um die Person vor dem Ertrinken zu retten. Zum Glück ist es noch nicht zu spät.
Was sich am Montagnachmittag am Bad Staffelsteiner Ostsee abspielt, ist zum Glück kein Ernstfall, sondern eine Rettungsübung des Bundespolizeiaus- und -fortbildungszentrums Bamberg. 25 Studentinnen und Studenten des gehobenen Dienstes aus dem ganzen Bundesgebiet trainieren dort mit ihren Ausbildern im Freigewässer.
„Allein mit der Bergung einer leblosen Person aus dem Gewässer ist es aber bei einem Rettungseinsatz noch nicht getan. Die meisten verkennen, dass es danach erst richtig losgeht.“
Iris Coors, Sportbeauftragte des Ausbildungszentrums
Begonnen haben sie ihr Studium bei der Bundespolizei im September vergangenen Jahres. Zwei Jahre Ausbildung haben sie noch vor sich, erläutert der Pressesprecher des Bamberger Ausbildungszentrums, Marcus Büchner.
Erstmals haben Auszubildende der Polizei im vergangenen Jahr am Ostsee trainiert. Aufgrund der passenden Gegebenheiten fiel Ortswahl auch 2020 auf Bad Staffelstein. Ziel der Rettungsübungen ist es, dass die Polizeimeisteranwärterinnen und -anwärter möglichst realitätsnah lernen, wie Menschen in Freigewässern aus lebensbedrohlichen Lagen geborgen werden können.
Je zwei Studenten erhalten einen fiktiven Auftrag

Die Ausbilder simulieren dabei einen Unfall oder eine Notsituation. Auf diese müssen die Auszubildenden entsprechend reagieren, indem sie die betroffene Person retten, an Land erste Hilfe leisten und Verstärkung anfordern. Dabei werden jeweils zwei Studenten als „Streife“ mit einem fiktiven Auftrag losgeschickt, die spontan auf die jeweilige Situation reagieren müssen, erklärt der Polizeisprecher.
Wegen der Covid-19-Pandemie und der damit verbundenen Bestimmungen, mussten die Studenten statt ihre Ausbilder eine 80 Kilogramm schwere Plastikpuppe mit dem Rautegriff aus dem Wasser bergen. „Allein mit der Bergung einer leblosen Person aus dem Gewässer ist es aber bei einem Rettungseinsatz noch nicht getan“, erklärt die Sportbeauftragte des Ausbildungszentrums, Iris Coors. „Die meisten verkennen, dass es danach erst richtig losgeht.“ Die Auszubildenen müssen die Atmung des Opfers überprüfen, Erste Hilfe leisten, gegebenenfalls Herzrhythmusmassage und Beatmungen vornehmen sowie situationsbezogen Verstärkung anfordern.“

Neben dem Schwimmtraining im Schwimmbad ist das Training im Freigewässer von entscheidender Bedeutung. „Es ist besonders realitätsnah“, sagt die Sportbeauftragte. Im Schwimmbad könne man bis auf den sicheren Boden schauen, in Naturgewässern eben nicht. Hinzukomme, dass in Seen oder Flüssen anders als im gefliesten Bad der Boden oftmals rutschig, steinig oder auch uneben ist.
Freiwasser ist besonders realitätsnah
„Es ist nicht selten, dass Bundespolizisten zum Einsatz an Gewässern, Brücken und Kanälen gerufen werden oder hinzukommen. Da muss man von jedem der Studenten der Bundespolizei erwarten können, dass er in jeder Lebenslage einschreiten kann, wenn es darum geht, Leben zu retten“, sagt Pressesprecher Marcus Büchner. Das Training im Freigewässer ist ihm zufolge eine „elementare Erfahrung“.
Der 21-jährige Kai und der 24-jährige Felix machen einen guten Job. „Sehr gute Arbeit!“, lobt die Sportbeauftrage die beiden Studenten und gibt ihnen zugleich noch ein paar kleine Tipps für die Zukunft: „Achtet jedoch darauf, dass ihr gerade in unbekannten Gewässern keinen ,Köpfer' macht und soweit vorhandene Hilfsmaterialen am Ufer nutzt. Die Polizeiweste verleiht euch zwar zunächst ein wenig Auftrieb. Wenn sie sich aber voll Wasser gesaugt hat, zieht sie euch nach unten, so dass ihr sie am besten auszieht.“ Wichtig sei auch, dass die Polizisten zwar Leben retten sollen, allerdings nie ihr eigenes gefährden, betont Iris Coors.
„Es hilft nichts, wenn ich in der Theorie perfekt bin, aber mein Wissen in der Praxis nicht einsetzen kann.“
Polizeistudent Felix zu den angesetzten Übungen
Kai und Felix sind erleichtert, dass sie es geschafft haben und „im Großen und Ganzen mit ihrer Leistung zufrieden“, wenngleich es immer noch Kleinigkeiten gebe, die man optimieren könne. Felix findet solche praxisbezogenen Übungen besonders wichtig: „Es hilft nichts, wenn ich in der Theorie perfekt bin, aber mein Wissen in der Praxis nicht einsetzen kann. Der Job als Polizist besteht vor allem auch in der praktischen Arbeit.“
Nach dem Notruf geht der Puls nach oben

Wenn der Notruf eingeht, „geht der Puls da schon nach oben, weil man ja sein Bestes geben will“, beschreibt Kai, was in ihm vorging. „Die Übung ist eine gute Erfahrung. Man versucht, in einer Extremsituation sein erlerntes Wissen abzurufen und gleichzeitig die richtige Entscheidung zu treffen.“
Dem stimmen Christina und Eva zu: „Die Übungen sind sehr wichtig und sinnvoll in Bezug auf die praktische Erfahren und stellen einen schönen Ausgleich zum theoretischen Teil des Studiums dar.“ Da aber keiner wisse, was ihn vor Ort erwartet, sei damit auch immer ein wenig Nervenkitzel verbunden.
Ausbildungsziel der Übung ist es, dass die Teilnehmer innerhalb von drei Tagen den Rettungsschein erwerben. Dieser ist laut Iris Coors auf dem Niveau des silbernen Rettungsabzeichens. Übrigens: „Die wenigsten Unfälle passieren in der Nord- und Ostsee“, berichtet sie. Hingegen seien Unfälle in Gewässern und Flüssen am häufigsten. Die Ursachen seien dabei in der Regel Unfälle im Gewässer, Strömungen, Krämpfe, plötzliches Herzversagen oder Schlaganfälle im Wasser.
Hintergrund Das Bundespolizeiaus- und Fortbildungszentrum Bamberg (BPOLAFZ) Bamberg ist die bundesweit größte und modernste Einrichtung dieser Art der Bundespolizei. Die fachlich der Bundespolizeiakademie in Lübeck nachgeordnete Lehreinrichtung ist das sechste Aus- und Fortbildungszentrum der Bundespolizei. Seit dem 1. September 2016 werden dort mehr als 2500 Polizeimeisteranwärterinnen und -anwärter ausgebildet. Im September 2020 werden nochmals 600 Auszubildende hinzukommen, so dass sich die Zahl auf mehr als 3000 erhöht. Mehr als 700 Stammkräfte ermöglichen den Ausbildungsbetrieb. Mit dem hohen Anstieg bei den Auszubildenden will man bereits jetzt verstärkt Nachwuchs heranziehen, um der bevorstehenden Pensionierungswelle Rechnung zu tragen und die frei werdenden Stellen entsprechend besetzen zu können.