Die Sorgen in der Führungsriege der Rehabilitationsklinik sind groß: Die Firma Steinwerke Kaider möchte den Steinbruch Deisenstein in nordöstlicher Richtung um 8,36 Hektar erweitern. Uneins sind sich Experten, ob damit auch das Einzugsgebiet der Tiefenthalquelle betroffen sein könnte, die die Klinik im Lautergrund zu 100 Prozent mit Wasser versorgt. Für Chefarzt Dr. Dieter Deuerling und den stellvertretenden kaufmännischen Leiter Patrick Schopf steht fest: Das Risiko ist viel zu groß.

„Unser eigenes Wasser hat einen hohen Mineralstoffgehalt, es steht von den Inhaltsstoffen her manch käuflich erwerblichen Mineralwassern in nichts nach“, sagen die beiden im Gespräch mit dieser Redaktion. „Das Wasser zeichnet sich durch einen hohen Calciumgehalt aus.“ Das Calcium werde aus dem Stein beim Durchsickern gelöst. „Was auf der einen Seite als ,hartes‘ Wasser etwas problematisch für die Waschmaschine oder den Wasserkocher ist, ist auf der anderen Seite gesund für den Menschen“, fügt Dr. Deuerling an. Und genau darum geht es in der Rehaklinik: Um die Gesundheit der Menschen.
Immer ausreichend

Die Tiefenthalquelle versorgt den Gesundheitsbetrieb seit dessen Inbetriebnahme. „Die Quellschüttung ist in den vergangenen Jahren durch die allgemein nachlassenden Niederschläge leicht zurückgegangen, war aber immer für die Wasserversorgung der Ortsteile Schwabthal und End sowie der Klinik mehr als ausreichend“, bekräftigt Schopf. „Wir fördern jährlich etwa 60.000 Kubikmeter Wasser, wobei etwa die Hälfte des Wasserverbrauchs auf die Ortsteile Schwabthal und End und die andere Hälfte auf die Klinik entfällt.“
Das Grundstück, auf dem die Quelle entspringt, sowie die Nutzungsrechte des Wassers gehören heute der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg als Rechtsnachfolgerin der LVA Berlin. Diese kommt auch für den Unterhalt auf.

Für Schwabthal und End sowie das Klinikum gibt es ausschließlich diese Wasserversorgung. „Die aktuell beantragte Erweiterung des Steinbruchs liegt noch immer im vom Institut Dr. Nuss durch Markierungsversuche abgegrenzten Einzugsgebiet der Tiefenthalquelle“, warnen Schopf und Dr. Deuerling. Dass die Erweiterung kleiner ausfallen soll als noch im Jahr 2013 geplant, spiele da keine Rolle.
Am Einzugsgebiet hat der stellvertretende kaufmännische Leiter keine Zweifel: „Die Größe und Lage des Einzugsgebietes wurden im Rahmen des damaligen Gerichtsverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom gerichtlich bestellten Gutachter, Professor Dr. Schuler, bestätigt.“ Damit sei klar: „Die geplanten Erweiterungsflächen des Steinbruchs liegen im planreifen Wasserschutzgebiet der Schwabthaler Quellen, der Döritzenquelle und der Tiefenthalquelle.“ Dr. Dieter Deuerling betont: „Nach wie vor bedeutet aus unserer Sicht die Erweiterung des Steinbruchs eine akute Gefährdung unserer Trinkwasserversorgung.“
„Die Größe und Lage des Einzugsgebietes wurden vom gerichtlich bestellten Gutachter bestätigt.“
Die Firma Steinwerke Kaider Neupert-Kalk GmbH & Co. KG baut im Steinbruch Deisenstein bereits seit dem Jahr 1954 die massigen Kalke und magnesiumreichen Dolomite des Weißjura durch Sprengung ab. Um auch in Zukunft genügend Material zu haben, wird eine Expansion nötig. Im neuen Abbaubereich sollen nur noch die begehrten magnesiumreichen Dolomite gewonnen werden, bis auf eine Sohltiefe von rund 490 Meter über Normalnull.

22 Meter Tiefe sind das laut Firmen- beziehungsweise Planerangaben, wobei die Stadtwerke Lichtenfels um Dietmar Weiß dagegenhalten: Das Naturdenkmal Mondstein, das inmitten der Erweiterungsfläche wäre, liege auf einer Höhe von 540 bis 550 Meter über Normalnull. Das Loch des Steinbruchs wäre demnach bis zu 60 Meter.
Eintrag von Feinmaterial
So oder so: „Durch den Abtrag der schützenden Bodenauflage im Steinbruch kann vermehrt Feinmaterial durch die Klüfte eingetragen werden, was negative Auswirkungen auf die Wasserqualität zur Folge hat“, befürchten Chefarzt Dr. Dieter Deuerling und Patrick Schopf, der stellvertretende kaufmännische Leiter der Rehaklinik. „Übersteigt die Trübung durch diesen Eintrag die zulässigen Grenzwerte, kann das Quellwasser nicht mehr als Trinkwasser eingesetzt werden.“

Ein Schreckensszenario für den Gesundheitsbetrieb. Sie warnen: „Es ist nicht vollständig auszuschließen, dass insbesondere durch die Erschütterungen bei den Sprengungen die Klüfte derart verändert werden können, dass die Quellschüttung stark abnimmt oder an der Stelle der jetzigen Quellfassung ganz versiegt.“
Das höchste Gut
Die Prioritäten sind für sie klar: „Aus unserer Sicht ist Trinkwasser das höchste Gut. Es sollte zu Gunsten einer langfristigen, nachhaltigen Versorgung der Bevölkerung und der Klinik mit Trinkwasser alles vermieden werden, was die Versorgungssicherheit gefährdet.“

Die Folgen, wenn die Tiefenthalquelle plötzlich nicht mehr nutzbar wäre, wären fatal. „Ohne Tiefenthalquelle würden zunächst die Ortsteile Schwabtal und End sowie die ganze Rehaklinik auf dem Trockenen sitzen“, umreißt Patrick Schopf das Schreckenszenario. „Die vorhandenen Notfallkonzepte sind nur auf kurzfristige Notstände, nicht aber auf die ständige Versorgung von Klinik und Ortsteilen ausgelegt.“ Dementsprechend müssten die Verantwortlichen zunächst eine oberirdische Leitung zum Versorgungsgebiet der Stadtwerke Lichtenfels schaffen, „um kurzfristig Wasser zu bekommen.“
Schließung steht im Raum
Wobei der Begriff „kurzfristig“ hierbei dehnbar sein dürfte: Das gelingt nicht von heute auf morgen, die Rehaklinik müsste wohl vorerst schließen. „Diese provisorische Leitung müsste dann schnellstmöglich im Zuge einer Baumaßnahme durch eine Erdleitung ersetzt werden.“

Vorausgesetzt natürlich, dass die Stadt Lichtenfels überhaupt in der Lage und willens wäre, die Klinik sowie die Ortsteile Schwabthal und End mit Trinkwasser zu versorgen. Denn: Die Stadt Lichtenfels wird überwiegend aus den Schwabthaler Quellen versorgt, deren Einzugsgebiet laut Einschätzung der Stadtwerke Lichtenfels ebenfalls im Erweiterungsgebiet des Steinbruchs Deisenstein liegt. „Es ist zu befürchten, dass die Stadt Lichtenfels dann dieselben Probleme haben wird wie wir.“ Ein direkter Anschluss ans Fernwassernetz wäre laut Einschätzung von Schopf deutlich aufwendiger zu realisieren, da hier der nächste Anschlusspunkt viel weiter entfernt ist.

In der jüngsten Stadtratssitzung hat eine knappe Mehrheit der Stadträtinnen und Stadträte das gemeindliche Einvernehmen für den Abbau im Erweiterungsbereich gestimmt. Eine etwaige Beeinträchtigung der dort gelegenen Quellen aber könnte zum Bumerang werden – zu einem sehr teuren, für alle Bürgerinnen und Bürger. „Die vertraglichen Vereinbarungen zur Wasserversorgung der Klinik und der Ortsteile mit der Stadt Bad Staffelstein gehen auf das Jahr 1956 zurück“, erklärt Schopf. „Diese sehen die Trinkwasserversorgung der Ortsteile Schwabthal und End aus der Wasserversorgungsanlage der Klinik nur so lange vor, wie die Tiefenthalquelle auch ausreichend Wasser liefert.“
Wird das Votum zum Bumerang?

Für den Fall des Versiegens müsste die Stadt Bad Staffelstein der Klinik eine anderweitige Quelle zur Deckung des eigenen Wasserbedarfs zur Verfügung stellen. Und das eventuell von jetzt auf gleich. „Auch in Anbetracht des Wasserhaushaltsgesetzes und der Bayerischen Gemeindeordnung sehen wir hier die Kommune klar der Pflicht, dann die Bürgerinnen und Bürger sowie die Klinik mit Trinkwasser zu versorgen“, ergänzt der stellvertretende kaufmännische Leiter. „Die Stadt Bad Staffelstein wird diese damit zwangsläufig anfallenden Mehrkosten sicherlich in irgendeiner Form die Bürgerinnen und Bürger sowie die Klinik umlegen müssen.“
Die Rehabilitationsklinik Lautergrund Gründung: 1958 von der damaligen LVA Berlin als damals modernste Lungenheilstätte Europas Medizin: seit Generalsanierung Ende der 1980-er-Jahre orthopädische Rehabilitation Mitarbeitende: rund 130 Patienten: rund 2700 pro Jahr Einzugsgebiet: Patienten aus ganz Deutschland, zu 40 Prozent aber aus Berlin und Brandenburg Wasser: Die eigene Wasserversorgungseinrichtung wurde beim Bau der Klinik mit in Betrieb genommen. Sie wurde laut Klinikangaben im Laufe der Jahre ständig nach den strengen wasserrechtlichen Vorgaben angepasst und modernisiert.