Ein Schädel-Hirntrauma, ein Schlaganfall, eine schwere OP, bei der die Herz-Lungenmaschine zum Einsatz gekommen ist – das alles ist schon eine enorme Belastung für den Patienten und seinen Körper. Bei vielen Patienten kommt dann auch noch eine schwere Funktionsstörung des Gehirns dazu. „30 bis 80 Prozent der der Betroffenen, die auf einer Intensivstation liegen und beatmet werden, leiden an einem Delir“, nennt Yvonne Reuß eine erschreckend hohe Zahl.
Yvonne Reuß koordiniert in der Schön Klinik am Standort Bad Staffelstein das Qualitätsmanagement, die Fort- und Weiterbildung. Ihr gegenüber sitzen bei diesem Gespräch der Referent für Kommunikation und Marketing, Alexander Schlaak, und Pflegedienstleiter Alexander Müller. Das Thema ist aktueller denn je: Nicht nur an den offiziellen Gedenktagen, wie etwa dem Internationalen Tag der Pflege am 12. Mai, soll darauf aufmerksam gemacht werden.
Akute Verwirrtheit direkt oder einige Tage nach der Narkose
Nach der Akutversorgung in der ersten Klinik wird der Patient hierher nach Bad Staffelstein verlegt. In der Schön Klinik hat man sich auf ein besonderes Problem spezialisiert: das Delir, die akute Verwirrtheit. Damit Angehörige mit dieser Diagnose etwas anfangen können, hat Pflegedienstleiter Alexander Müller einen Flyer für sie: „Auch die Angehörigen brauchen in dieser Zeit Begleitung!“
Das Delir könne direkt nach dem Erwachen aus der Narkose auftreten, innerhalb der ersten Stunden nach der Operation oder erst einige Tage später. Typische Symptome seien Phasen von Desorientierung und Verwirrtheit. Die Patienten seien körperlich unruhig, leiden unter Wahnvorstellungen und Halluzinationen. Manchmal würden sie ihre Angehörigen nicht erkennen, seien verwirrt oder aggressiv.
Auch das Gegenteil sei möglich: Die Betroffenen wirkten dann apathisch und depressiv. Jeder könne andere Symptome zeigen. Angehörige würden oft erschrecken, wenn sie beim Krankenbesuch merkten, dass ihr naher Verwandter versucht, sich die Kanülen herauszuziehen oder aus dem Intensivbett aufzustehen.

„Delir darf man nicht mit Demenz verwechseln. Von Delir kann man sehr wohl genesen.“
Yvonne Reuß, Qualitätsmanagement
„Wenn man nichts tut, ist die Letalitätsrate (Anmerkung: Sterblichkeitsrate) bei Delir 30 Prozent. Das Delir kann überall auftreten, auch in der Reha“, so Yvonne Reuß weiter. „Delir darf man nicht mit Demenz verwechseln,“ betont sie, „von Delir kann man sehr wohl genesen“. Es sei eine vorübergehende Störung, meist ohne Spätfolgen.
Viele kleine Maßnahmen sollen zur Besserung des Befindens beitragen
Gefährdet seien vor allem ältere Menschen oder Patienten, die bereits vor dem Intensivaufenthalt zur Vergesslichkeit geneigt hätten. Die genauen Ursachen zur Entstehung eines Delirs seien bislang noch nicht ausreichend bekannt. Die „Deutsche Gesellschaft für Neurologie“ hat eine aktualisierte Version der Leitlinie zu Delir und Verwirrtheitszuständen herausgegeben, kann man dem Ärzteblatt entnehmen. Leitlinien, die in der Schön Klinik umgesetzt werden.
Große Fenster, Lärmampel, Bildprojektionen an der Zimmerdecke
In der Neurologie der Schön Klinik hat man seit 2019 ein zusätzliches Projekt zur Delirprophylaxe, also zur Vorbeugung, erzählt Alexander Müller. Angehörige, Pfleger und weiteres medizinische Personal gingen sozusagen gemeinsam an die Behandlung. Dabei würden dem Pflegedienstleiter die neuesten pflegewissenschaftlichen Erkenntnisse helfen. Im Klinikalltag sorgten viele kleinen Stationen oder Maßnahmen dafür, dass es dem Patienten rasch wieder besser geht. Dazu gehörten umfassende Mitarbeiterschulungen. Auf der Intensiv- und auf der Früh-Reha-Station werde viel mit den Menschen „geredet“. Auch wenn die Unterhaltung oft einseitig ist, werde immer wieder erinnert, erklärt er. Hier nehme man auch auf den Schlaf-Wach-Rhythmus des Kranken große Rücksicht.
Sogar die Einrichtung der Intensivstation hat sich angepasst: Es gibt große Fenster mit einem weiten Blick nach draußen. Auf die weiße Zimmerdecke, auf die der liegende Patient blickt, können Bilder der Familie oder aus der Natur projiziert werden.
Eine Lärm-Ampel zeigt an, wie laut es in den Gängen ist. Pflegedienstleiter Müller: „Ein Patient auf der Intensivstation nimmt den Lärm anders wahr.“ Farblich zeigt die „Ampel“ an, ob unter 60 Dezibel (grün), 60 bis 75 (gelb) oder über 75 (rot blinkend) erreicht sind. Lautes Reden, Lachen, der Wäschewagen, das Piepsen der Monitore und Überwachungsgeräte – da kommt schon einiges zusammen.

Angepasste Besuchszeiten für Angehörige
Ein wichtige Rolle spiele auch die Frühmobilisierung in Zusammenarbeit mit den Physiotherapeuten. „Mal richtig raus aus dem Bett. Auch wenn sie noch beatmet werden!“, erklärt der Pflegedienstleiter. Das stärke Kreislauf und Muskeln. Auch das gehöre dazu: Brille, Uhr und Hörgerät von den Angehörigen mitbringen lassen. Für die gebe es sogar angepasste Besuchszeiten.
Einträge in einem Tagebuch, das Pflegemitarbeiter und Angehörige führen, verdeutlichten zudem einen besseren Einblick in die Genesung. Yvonne Reuß: „Die Schulung unserer Mitarbeiter steht an erster Stelle: wissen – erkennen – reagieren.“
Weitere Infos, auch zu Jobs und entsprechender Weiterbildung in der Pflege, gibt es auf www.schoen-kliniken.de (red)