„Streichquartett Plus“ stand auf einem anspruchsvollem und abwechslungsreichen Programm für das sechste Kammerkonzert der Saison. Das „Plus“ sollte Christian Hellwich mit seinem Kontrabass übernehmen. Hellwich, seit 1990 bei den Bambergern mit einer großen Leidenschaft für den Jazz, führte zudem charmant, gekonnt und informativ durch eine Matinee, die nach seinen Worten einen Vorlauf von einem Jahr bedurfte – schließlich mussten für die musikalischen Schätze auch die richtigen Musiker gefunden werden.
Mit Julia Hoover und Magdalena Kraus an den Geigen, Wakana Ono an der Bratsche und dem Cellisten Guilherme Nardelli Monegatto fand sich ein geniales Ensemble, das sich mit Hingabe und großer Spielfreude der Werke dann auch während des ganzen Konzerts mit viel Esprit annahm.
In jungen Jahren komponiert
Schon nach den ersten vier Takten wurde hörbar, warum die Gondoliere in Venedig die Melodien von Gioacchino Rossini bei der Ausführung ihrer Tätigkeit singen konnten. Bereits im Alter von zwölf Jahren hatte der Komponist offensichtlich ein untrügliches Gefühl für ins Ohr gehende Melodien. Sicher waren die im Jahre 1804 entstandenen sechs Sonaten nicht in Gänze perfekt auskomponiert, aber mit erkennbarem Potenzial. Das Ensemble spielte die Sonata a Quattro Nummer 5 mit virtuosen Melodien, die vor allem die beiden Violinistinnen forderten.
Perfekt aufeinander bezogen spielten die Musiker das wiegenlied-hafte Andante mit dynamischen sforzato-Stellen und wiederum großem melodischen Ideenreichtum. Das federleichte und beschwingte Allegretto war wie gemacht für den Frühlingsanfang.
Mit dem Quintett Nummer 2 von Darius Milhaud wagte das Ensemble einen Zeitsprung von über 100 Jahren. Milhaud, Kind einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie aus Aix-en-Provence, trat in Paris der 1920er Jahre an, die französische Musik zu erneuern. Bedeutend war dabei sicherlich die Freundschaft mit dem Dichter Paul Claudel. Milhaud begleitete Claudel nach Rio als Attaché, als dieser dort Botschafter wurde, studierte aber hauptsächlich die brasilianische Folklore. Kompositorisch verdichtete Milhaud südamerikanische Elemente, provenzialisches Liedgut und Jazz zu etwas organisch gewachsenen Neuem.
Viola im Vordergrund
Die Zuhörer wurden schon im ersten Satz „Modérément animé“ durch komplexe Stimmführung, Rhythmik und Harmonik mit einem völlig anderem Klangbild konfrontiert. Sich entwickelnde Strukturen ließen am Ende des Satzes viel Raum für die Viola. Wakana Ono zelebrierte ihre im Vordergrund stehenden Melodien.
Vor der Pause erklang danach ein „Final“ mit tänzerisch-leichten Elementen und vehementen Steigerungen. Das Quintett ließ die Musik durch höchst präzises Zusammenspiel fließen, wogen und beben bis mit einer pizzicato-Linie im Bass die Komposition im Nichts verschwand. Mit den „Quatre Saison“ von Félicien David stand Hellwichs Favorit auf dem Programm.
Er wuchs in der Provence auf, studierte in Paris, kam dort mit dem Saint-Simonismus – einer Art christlich motivierter Sozialismus – in Berührung und musste wegen politischer Verfolgung per Schiff von Marseille aus fliehen. Ein musikalischer Glücksfall, er sammelte musikalische Eindrücke rund um das Mittelmeer.
Wie eine Frühlings-Reise
Das Quintett spielte zwei Soiréen aus dem Frühling von Davids Vier Jahreszeiten. Hellwich betonte, dass in allen Soiréen, die hier als Matinee erklangen, die Streichinstrumente gleichwertig behandelt werden. Klangliches Ergebnis war eine verzaubernde Reise durch frühlingshafte mediterrane Landschaften: großes Kino im französischem Duktus mit traumhaft schönen Linien im Cello, hingebungsvoll gespielt von Monegatto. Das Ensemble hatte mit diesem musikalischen Kleinod eine wunderschöne und ergreifende Musik im Programm, die die Seele berührte.
Zum Schluss erklang das 1823 komponierte Quintett Opus 24 von George Onslow, ein nahezu „sinfonisches“ Streichquintett. Onslow, einer der berühmtesten Kammermusik-Komponisten seiner Zeit galt als französischer Beethoven, seine Taubheit auf einem Ohr war jedoch einem Jagdunfall geschuldet, eine Kugel blieb im Hals inoperabel stecken. In Onslows Werk zeigte das Ensemble noch einmal all sein Können: ob zärtlich oder furios, es präsentierte exzellent die motivisch-thematische Arbeit des Komponisten mit bester Intonation und ergreifendem Zusammenspiel.
Die Bamberger Musiker bedankten sich für den reichen Applaus mit einer weiteren „Soirées du Printemps“ von Félicien David.
Mit dem nächsten Konzert am 11. Mai findet die laufende Saison ihr Ende. Auf dem Programm steht „Romantische Kammermusik für Klarinette und Streichquartett“ mit Werken von C.M. von Weber und J. Brahms.