Am Montagabend hat sich ein buntes Band durch die Bamberger Innenstadt gezogen. Nach Veranstalterangaben haben rund 2000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen ein deutliches Zeichen gegen Falschinformationen, Verschwörungsmythen und rechte Hetze gesetzt. Fast zeitgleich organisierte „Stay Awake“ wie jede Woche am Bahnhof eine Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen und die Impfung.
Aufgerufen zur Solidarischen Menschenkette hatte ein breites Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Organisationen, den Kirchen, Parteien, dem Bündnis „buntes Bamberg“ und dem „Antifaschistischen Aktionsbündnis gegen Verschwörungsmythen“. Zahlreiche politische Mandatsträger und -trägerinnen aus Stadt und Landkreis reihten sich in die Menschenkette ein.
„Die Anzahl an Teilnehmer*innen hat unsere Erwartungen bei weitem übertroffen!“
Luis Reithmeier, Grünes Bamberg
Luis Reithmeier (Grünes Bamberg) zeigt sich laut Pressemitteilung der Veranstalter begeistert: „Die Anzahl an Teilnehmer*innen hat unsere Erwartungen bei weitem übertroffen! Durch die unterschiedlichen Stationen konnten wir die Vielfalt der Bamberger Zivilgesellschaft gut abdecken, und es war schön zu sehen, wie jeder Sammelpunkt seine ganz eigene Atmosphäre hatte. Danke an alle Organisationen und natürlich alle Teilnehmer*innen.“

Mirjam Elsel, Pfarrerin und Koordinatorin für die Flüchtlingsbegleitung im Dekanatsbezirk Bamberg, ergänzt: „Durch Schals und Transparente verbunden zog sich die Menschenkette vom Gabelmann bis zum Bahnhof für eine solidarische Gesellschaft, die die Schwachen im Blick behält, sich gegen Verschwörungsmythen stellt und vor allem eine Botschaft hatte: Mit Rechtsextremen und Neonazis geht man nicht spazieren.“
„Mit Rechtsextremen und Neonazis geht man nicht spazieren.“
Mirjam Elsel, Pfarrerin
An mehreren Orten hätten Corona-Leugner und –Leugnerinnen ohne Maske, verbal oder mit Schildern versucht, die Menschenkette und das Gedenken an die Opfer der Pandemie zu stören. Eine Teilnehmerin sei angegriffen worden; eine Ordnerin haben die Situation jedoch schnell unter Kontrolle bringen können.
Von den Vorkommnissen will sich Leonie Ackermann (AStA Bamberg) allerdings nicht einschüchtern lassen: „Diese Vorfälle zeigen, wie wichtig es ist, gegenüber Stay Awake ein deutliches Zeichen zu setzen. Daher werden wir auch in Zukunft kreative Aktionen organisieren und uns gegen jede Form von Rechtsextremismus und Antisemitismus einsetzen. Verschwörungsmythen und Falschinformationen können keine Grundlage für eine freiheitliche und demokratische Gesellschaftsordnung sein.“
„Verschwörungsmythen und Falschinformationen können keine Grundlage für eine freiheitliche und demokratische Gesellschaftsordnung sein.“
Leonie Ackermann, AStA Bamberg
Die Menschenkette endete mit einem Gedenken an die Verstorbenen der Pandemie, das von Geistlichen sowie Vertretern und Vertreterinnen der Religionsgemeinschaften an den Stationen gehalten wurde. Dazu läuteten die Glocken der Innenstadtkirchen. (red)
Standpunkt
Keine Lust mehr zuzusehen
Von Annette Körber annette.koerber@obermain.de
Wer – wie ich – in Bamberg nicht auf einem der sieben Hügel wohnt, der kann es nicht ignorieren: Jeden Samstag und jeden Montag organisiert der hiesige Ableger der Coronaprotestbewegung „Stay awake“ so genannte „Spaziergänge“ durch Bamberg-Ost und die Innenstadt. „Spaziergänge“, bei denen nicht nur die Anwohner mit Trommel- und Pfeifkonzerten sowie lauter Musik aus den Lautsprechern „erfreut“ werden. Es laufen auch regelmäßig bekannte Neonazis und Mitglieder der rechtsextremen Partei „Dritter Weg“ mit. Dabei ist lange nicht nur fränkischer Dialekt zu hören. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen kommen auch aus Thüringen oder der Oberpfalz, um gemeinsam durch Bamberg zu ziehen. Manche wirken da eher wie Ausflügler – Hauptsache, dahin, wo etwas los ist.

Ganz ehrlich: Das ist mittlerweile nur noch schwer auszuhalten. Ich habe keine Lust mehr zuzusehen, wie meine Heimatstadt als Treffpunkt für Coronaleugner, Impfgegner, Verschwörungstheoretiker und Rechtsradikale herhalten muss. Also war ich am Montagabend gern ein Glied der Menschenkette, die sich durch die Innenstadt zog. Unsere Botschaft: Natürlich gibt es jede Menge, was man an den Coronaregeln kritisieren kann. Und natürlich darf man das auch, denn nein, wir leben nicht in einer Diktatur. Aber man geht nicht mit Neonazis spazieren! Sonst findet man sich am Ende schneller in einer Diktatur wieder, als einem lieb sein kann. Und dann werden einem noch ganz andere Dinge vorgeschrieben, als dass man einen Mund-Nasen-Schutz tragen muss. Die Anhänger von „Stay awake“ werfen gerne denjenigen die Spaltung der Gesellschaft vor, die sich an die Regeln halten. Sich selbst dagegen stellen sie als Opfer dar. Aggressivität habe ich zumindest in unserem Abschnitt der Menschenkette aber nur von den Menschen erlebt, die auf dem Weg zum Treffpunkt der „Spaziergänger“ an uns vorbei mussten. Oder wie sonst soll ich es werten, wenn uns zugerufen wird: „Verreckt doch!“?