Dienstag, zwei Tage nach der Sturzflut: Dort, wo sonst die Gäste parken, Lieferanten ausladen und Wanderer gemütlich Rast machen, stehen lange Bierbänke der Familie Bauer. Krisenbesprechung. Die Pumpe aus den Kellern nebenan läuft noch, überall stehen Leergut und Möbelstücke. Es riecht feucht.
Die beiden Starkregenereignisse von Samstag und Sonntag haben schwere Schäden im „Anker“ hinterlassen. Der Gasthof der Familie Bauer musste am Sonntagabend gesperrt und die Gäste von der Feuerwehr evakuiert werden. Das gesamte Gelände hinter dem Gasthof darf wegen Hangrutschgefahr nicht mehr betreten werden. Niklas Bauer muss vorübergehend bei Verwandten unterkommen, in seine Wohnung im Haus kann er aktuell nicht. Die Stimmung in der Familie ist sehr getrübt.
Alle Reservierungen absagen
Laura Bauer hat Tränen in den Augen. Sie und eine Mitarbeiterin des Gasthofes sitzen an ihren Telefonen. „Wir müssen alle Reservierungen bis Juli absagen“, sagt sie. Familienfeste, Firmenfeiern, eine Hochzeit, Reservierungen von Hotel- und Tagesgästen – alles müsse abgesagt werden. Sie führt unzählige Gespräche, auch während des Interviews klingelt es. Es gibt viel zu regeln.
Dank der Hilfe von Florian Rose von der DeHoGa konnten alle verderblichen Lebensmittel abgegeben werden. Er hatte Gasthöfe in der Umgebung abgefragt und war fündig geworden. Laura Bauer: „Die frische Ware, Gemüse, Fleisch, Fisch, Salate, Obst, Eier, aber auch das Fassbier und die Säfte hat der Gasthof ,Hirsch‘ in Vierzehnheiligen abgeholt. Der Sprinter war voll.“ Auch ein Auto sei voll geladen worden. „Wir haben die Lebensmittel zu einem Preis x abgegeben“, sagt Laura.

Wasser drückt durchs Gewölbe
Die drei Gewölbekeller sind mittlerweile leer. Im größten der drei Keller wurden hunderte Liter Bier in Fässern gelagert. Hier steht das Wasser nicht nur auf dem Boden – es drückt auch durch die Decke. „Die Kellerdecke hat sich schon gewölbt“, befürchtet ihr Vater Michael Bauer das Schlimmste.
Seit es das Anwesen gibt (geschätzt seit dem frühen 18. Jahrhundert) habe es noch so eine Bedrohung gegeben. „Hochwasser vom Main, Schneeschmelze – alles überstanden. Jetzt ist das Wasser von allen Seiten reingelaufen, und der Hang kommt auch noch“, sagt er.
Der Berg hinter dem Anwesen ist mit altem Baumbestand bewachsen, Nussbäume, Obstbäume. Doch die stehen nicht auf „festem“ Untergrund. „Da ist eine Schicht dazwischen, die ist aus Blauschiefer“, erklärt es Michael Bauer. Was oben drauf wächst, auch große alte Bäume, könnte ins Rutschen kommen. Vor allem, wenn der Berg so mit Wasser vollgesaugt sei wie jetzt. Aus sicherer Entfernung deutet er auf das Rinnsal, das noch immer aus dem Berg läuft. Es führt gelbe und weißliche Ablagerungen mit sich. „Eisen und Kalk, unser Wasser ist sehr gesund“, grinst er gequält.

Der Heizungsraum mit der Hackschnitzelanlage ist ebenfalls betroffen. Ein meterlanger Riss geht durch den Betonboden, mehr als einen Zentimeter breit. Das gesamte Gebäude neigt sich Richtung Gasthof. Absolutes Betretungsverbot. Hier darf und geht keiner mehr rein.
Kühlhaus weggeschwemmt
Zuerst hatte die Familie noch die Hoffnung, das von ihrem Hausberg, dem „Hous´nberg“, herabstürzende Wasser mit Sandsäcken in den Main umleiten zu können. Schnell wurde am Sonntagabend eine Helferkette von rund 80 Personen gebildet. Letztlich vergebens. Währenddessen strömten auf der Vorderseite des Anwesens schlammige Wassermassen und Unrat in Scheune und Keller.
In der Scheune wurde ein nagelneues Kühlhaus (drei auf vier Meter, deckenhoch) weggeschwemmt. „Es war noch nicht mal ausgepackt – keine Ahnung, ob es kaputt ist“, schüttelt Lauras Bruder Niklas den Kopf. Plötzlich sei es im Wasser getrieben. „Auf der Straße schwammen Baumstämme vorbei, Pflanzkübel, Mülltonnen“ – Laura Bauer sieht man noch immer das Entsetzen an. Gott sei Dank seien schnell viele Helfer da gewesen.

„Wir bedanken uns ausdrücklich und von ganzem Herzen bei den Freiwilligen Feuerwehren, dem THW, der DLRG (sie war mit Booten da), beim Roten Kreuz und bei allen Helfern! Gott sei dank ist kein Mensch zu Schaden gekommen!“
Vater Michael Bauer: „Schön, dass der Landrat Meißner und der Bürgermeister Schönwald da waren, um sich ein Bild vor Ort zu machen. Der Landrat hat Unterstützung zugesagt. Die Stadt (Bad Staffelstein) ist auch bereit, das Wasserproblem am Berg mit zu lösen.“ Eine Idee, wie es mit dem Hang weitergeht, haben die Bauers schon. Das Urteil des Gutachters nimmt die Familie sehr ernst. „Der Berg ist in Bewegung“, sagte der. „Ob da nicht die Flurbereinigung aus den 1990-er Jahren mit Schuld hat?“, denkt Michael Bauer laut nach. Seitdem habe er eine Zunahme der Regenmengen vom Berg beobachtet. Er weiß es nicht.

Wer übernimmt die Kosten?
Nun, nachdem alle Angestellten in Kurzarbeit geschickt und alle verderblichen Lebensmittel gesichert wurden, hat die Familie Bauer vorsichtige Pläne: Fels-Anker anbringen, versuchen, den Berg in Schach zu halten. Besprechungen mit einer Baufirma und mit einem Geologen hätten schon stattgefunden. „Dann muss man schauen, wer die Kosten übernimmt“, sagt Laura. „Wenn uns keiner hilft, sperren wir zu.“ Ihr Vater Michael Bauer hofft, dass die Versicherung mitspielt.
Laura und ihr Bruder Niklas haben viel renoviert und erst 2020 die Gaststätte nach längerem Leerstand wieder eröffnet. Droht dem Anwesen aus dem frühen 18. Jahrhundert nun das Aus?